Mit dem JUNGE OHREN PREIS prämiert das NETZWERK JUNGE OHREN jährlich herausragende Vermittlungsprogramme und würdigt Persönlichkeiten, die der Musikvermittlung besondere Impulse geben. Der Wettbewerb gilt als renommiertester seiner Art im gesamten deutschsprachigen Raum und setzt Zeichen für ein lebendiges und modernes Musikleben. Über einen sensationellen Erfolg darf sich das Musikvermittlungsteam des THEATER AN DER WIEN unter der Leitung von CATHERINE LEITER freuen. Für das Konzept der diesjährigen Jugendoper „NEUN x LEBEN“ erhalten sie in der Sonderkategorie „Produktion“ den JUNGE OHREN PREIS. CATHERINE LEITER sprach mit Veronika Prünster über das Gesamtprojekt „Jugendoper“ des THEATER AN DER WIEN und über die gewürdigte Produktion „NEUN x LEBEN“.
Frau Leiter, zunächst Gratulation zum Erhalt des Junge Ohren Preises in der Sonderkategorie „Produktion“ auch von meiner Seite. Wie fühlt es sich an, mit diesem Preis gewürdigt zu werden?
Catherine Leiter: Ich habe mich wahnsinnig gefreut! Wir haben uns mit unseren Programmen schon öfter für den Junge Ohren Preis beworben, sind aber davor noch nie in die engere Auswahl gekommen. Als ich dann den Anruf aus Berlin erhalten und die tolle Neuigkeit erfahren habe, konnte ich es im ersten Moment kaum glauben. Ich war wirklich sehr überrascht. Es ist toll, mit diesem renommierten Preis gewürdigt zu werden.
Die Preisverleihung hätte am 25. März 2020 auf dem BTHVN2020 Musikfrachter stattgefunden. Dessen Tour und damit auch die Preisverleihung wurden aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt. Wie wurde der Preis schlussendlich verliehen?
Catherine Leiter: Es war schade, dass die Preisverleihung nicht wie ursprünglich geplant auf dem Beethoven Frachter stattfinden konnte. Dieser hätte nämlich auch einen Halt in Wien gemacht und dort hätten wir Einblicke in unsere laufenden Workshops geben sowie Ausschnitte aus unseren Arbeitsproben zeigen können. Mit den Jugendlichen hätten wir auch Stücke aus dem Programm gesungen. Die Verleihung fand dann online statt und wurde am Mittwoch, 8. April 2020 unter dem Titel „Ausgezeichnetes für junge Ohren!“ online präsentiert. Aus der schriftlichen Jurybewertung hat uns besonders gefreut, dass nicht nur das aktuelle Projekt „Neun x Leben“, sondern auch die Arbeit, die wir in den letzten Jahren geleistet haben, und deren hohe Qualität gewürdigt wurde.
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„Ein Experimentieren darüber, wie sich Jugendliche mit und in einer Oper ausdrücken können.“
Das Format „Jugendoper“, aus dem die Produktion „Neun x Leben“ gewürdigt wurde, gibt es schon seit etwa zehn Jahren. Wie ist das Gesamtprojekt „Jugendoper“ am Theater an der Wien entstanden?
Catherine Leiter: Begonnen hat alles damit, dass ich aus meiner Anstellung als Assistentin des Pressebüros erste Projekte unter der Bezeichnung „Jugendarbeit“ geplant und umgesetzt habe. 2008 wurde dann am Theater an der Wien eine eigene Stelle für Musik- und Theatervermittlung geschaffen, die ich übernommen und aufgebaut habe. Es war zu Beginn ein Trial and Error, denn es gab zu dieser Zeit ja noch nicht viel Didaktisches bzw. Pädagogisches in diesem Bereich. Dann gab es eine Projektwoche Ende Juni, bei der wir die Jugendlichen in Gruppen für Tanz und Schauspiel einteilten, kleine Opern nachspielen ließen und daraus am Ende eine Aufführung auf der Bühne organisierten. Das hat so viel Begeisterung ausgelöst, dass von allen Seiten, aber vor allem vonseiten der Jugendlichen die Bitte nach einer Fortsetzung kam. Daraus ist dann schließlich die Idee gewachsen, mit Jugendlichen eine Oper zu kreieren. Ein Experimentieren darüber, wie sich Jugendliche mit und in einer Oper ausdrücken können. So begann sich das Projekt „Jugendoper“ zu entwickeln, zunächst mit ein paar Jugendlichen auf der Bühne und einigen im Orchester. Diese wurden zu Beginn noch von Musikerinnen und Musikern aus dem Radio-Symphonieorchester Wien unterstützt.
Welcher Grundgedanke steckt hinter dem Format „Jugendoper“?
Catherine Leiter: Der Grundgedanke hinter „Jugendoper“ ist, dass alle aktiv künstlerischen Bereiche von den teilnehmenden Jugendlichen übernommen werden. Mir ist dabei unglaublich wichtig, dass die Jugendlichen ihren Grad an aktiver Beteiligung selber wählen und wir sie somit auch in ihrem Tun und der Selbstwahrnehmung unterstützen können. Das heißt von „ich sitze da und schaue mir das an“ bis hin zu „ich mache bei der Entwicklung mit“ und „ich stehe auf der Bühne und präsentiere das erarbeitete Stück, sei es in der ersten Reihe oder lieber weiter hinten, nicht ganz so im Rampenlicht“. Alle Beteiligten sollen und dürfen sich den Raum nehmen den sie brauchen und möchten.
Das heißt, jede und jeder Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren kann bei dem Format „Jugendoper“ mitwirken? Oder gibt es ein Auswahlverfahren dafür?
Catherine Leiter: Prinzipiell kann auf der Bühne jede und jeder mitmachen, auch das ist uns sehr wichtig. Die Türen sollen für alle interessierten Jugendlichen offen stehen und die aktive Beteiligung ermöglichen. Wir schreiben kein fertiges Stück und geben dieses den Jugendlichen zur Einstudierung, sondern es wird wirklich alles mit ihnen gemeinsam auf der Bühne entwickelt und die Rollen konkret für die beteiligten Jugendlichen geschrieben. Auf der Bühne hat das bis heute immer sehr gut funktioniert. Im Orchester war diese Art der Umsetzung schwieriger, da es bei der Anmeldung nicht genügend Jugendliche gab, die ihr Instrument gut genug für die Funktion eines Orchesters beherrscht haben. Und wenn Laien auf der Bühne sind, braucht es eine stabile, musikalische Stütze durch das Orchester, sonst ist die Gefahr zu groß, dass alles auseinanderbricht. Zum Glück haben wir vor ein paar Jahren zunächst das Unterstufenorchester und vor drei Jahren das Oberstufenorchester des Musikgymnasiums Wien für dieses Projekt gewinnen können. Die Zusammenarbeit ist super und das Niveau ist sehr hoch.
„Dieses Jahr war das große Thema Beethoven.“
Über die gesamte Saison setzen sich die Teilnehmenden des Projekts „Jugendoper“ unter der Anleitung von Profis also szenisch und musikalisch mit einem bestimmten Thema auseinander. Was mich zu der prämierten Produktion „Neun x Leben“ bringt. Was hat es mit dem Titel auf sich bzw. worum geht es im Stück?
Catherine Leiter: Dieses Jahr war das große Thema Beethoven. Die Bezeichnung „Neun x Leben“ spielt zum einen auf die nein Symphonien Ludwig van Beethovens an, zum anderen war der Grundgedanke der Regisseurin Sara Ostertag schlussendlich neun Bilder bzw. Szenen zu entwicklen. Aus dieser Idee, neun Episoden aus dem Leben von B, einer fiktiven Person, die sich an das Leben und Wirken von Ludwig van Beethoven anlehnt, zu erarbeiten, entstand schließlich auch der Titel zum Stück.
Wie wurde das Thema Beethoven mit den Jugendlichen erarbeitet?
Catherine Leiter: Wir haben mit den Jugendlichen zunächst Texte zu Beethoven gelesen, uns mit verschiedenen Briefwechseln von Beethoven und mit seinen bekannten Konversationsheften auseinandergesetzt. Wir haben Fragen in den Raum gestellt wie: Wann steht denn jemand auf einem Sockel? Wann ist jemand so berühmt, dass in ganz Wien Denkmäler errichtet werden? Warum sind es hauptsächlich Männer, die Denkmäler haben? Und da begannen die gemeinsamen Überlegungen wie: Was hat das mit uns zu tun? Wie wollen wir unser Leben führen? Aus diesen Fragestellungen bildeten sich verschiedene Themen und Bilder heraus, die sich in weiterer Folge zu den neun Szenen des Stückes entwickelt haben.
„Es ist immer wieder sehr spannend, welche Talente und Qualitäten die teilnehmenden Jugendlichen mitbringen und daraus Fantastisches entstehen kann.“
Wie kann man sich die Arbeit nach der oben beschriebenen Einarbeitungsphase vorstellen?
Catherine Leiter: Dieses Jahr haben wir sogenannte Interessengruppen gebildet, in denen die Jugendlichen auf die drei Arbeitsgruppen Musik/Gesang, Tanz/ Choreografie und Schauspiel aufgeteilt wurden. So konnten sich die Jugendlichen, unter der Anleitung von Profis, szenisch und musikalisch mit einem bestimmten Bereich oder einer Szene intensiver beschäftigen. Diese Gruppen und ihre erarbeiteten Szenen hätten wir dann zu einem Gesamtstück auf der Bühne zusammengeführt. Es ist immer wieder sehr spannend, welche Talente und Qualitäten die teilnehmenden Jugendlichen mitbringen und daraus Fantastisches entstehen kann.
Aufgrund der aktuellen Situation und den damit einhergehenden Einschränkungen können größere Veranstaltungen derzeit nicht stattfinden. Was bedeutet dies für die für 28. Juni 2020 geplante Premiere von „Neun x Leben“?
Catherine Leiter: Leider können wir das Projekt durch die einschränkenden Bestimmungen nicht mehr wie geplant auf die Bühne bringen, was unglaublich schade ist. Nach längeren Überlegungen haben wir uns schlussendlich dafür entschieden, die neun Szenen in Form von Filmen aufzuzeichnen und mit deren Präsentation die Aufführungen zu ersetzen. Der Aufwand, der mit dieser Filmproduktion zusammenhängt, ist enorm und allemal vergleichbar mit der Intensität der ursprünglich geplanten Aufführungen. Aber alle Beteiligten haben einen großen Einsatz und viel Energie für diese Filme hervorgebracht, somit ist es möglich, die Produktion „Neun x Leben“ doch noch der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Wie findet die Präsentation der insgesamt neun Filme statt?
Catherine Leiter: Bis Mitte Juni findet online wöchentlich eine Filmvorführung und damit eine Premiere zu je einem der insgesamt neun Filme auf den Social-Media-Kanälen des Theaters an der Wien (Facebook, Instagram und YouTube) statt, jeden Donnerstag um 18:30 Uhr. Die präsentierten Filme werden im Anschluss auf der Homepage des Theaters an der Wien bereitgestellt.
Wie findet die Produktion „Neun x Leben“ ihren Abschluss?
Catherine Leiter: Ein interner Abschluss mit allen Beteiligten ist geplant, indem wir den gesamten Film gemeinsam anschauen. Dies ersetzt zwar nicht das Erlebnis gemeinsam auf der Bühne zu stehen, jedoch bringt es hoffentlich das Gefühl, ein wunderbares Projekt zumindest gemeinsam beendet zu haben.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Veronika Prünster
Link:
Theater an der Wien – Filme zur Online-Präsentation von “Neun x Leben”