mica-Interview mit Pavel Shalman und Raphaela Buschenreiter a.k.a. RONJA

Geht es um die World Music Szene Wiens, kommt man früher oder später nicht um den Musiker Pavel Shalman herum. Zusammen mit seinem Partner Jovan Torbica begründete er 2010 eine World Music Jamsession im Luftbad um neben dem Ost Klub eine weitere Plattform für multikulterellen Austausch zwischen MusikerInnen aus aller Welt zu schaffen. Aus diesem Schmelztiegel entstandt die offene Bandformation Global Groove LAB (GGLab) die jeden ersten Mitwoch im Monat zu einer Session ins Luftbad lädt und mittlerweile als Angelpunkt zwischen unzähligen MusikerInnen aus allen Herren Länder dient. Neuerdings wird das Projekt von dem von Raphaela und Katharina Buschenreiter gegründeten Verein artForm unterstützt welcher sich die Umsetzung unterschiedlichster Projekte angefangen von Fotokunst, Filmdokumentationen bis hin zu Musik zum Ziel gesetzt hat. Anlass des Interviews ist das am 4. Mai 2012 ab 21 Uhr im Ost Klub stattfindende Event artForm presents. Im Gespräch mit Georg Demcisin erzählen Pavel und Raphaela a.k.a. RONJA* über ihre bisherigen Projekte, Bands und Ziele.

In Russland geboren, mehrere Jahre in New York gelebt und bei Bands wie !DelaDap, Wiener Tschuschenkapelle und Russkaja gespielt? Kannst du kurz erzählen wie das alles zusammenpasst?

P: Ich wurde in Russland geboren, St. Petersburg, mit 10 Jahren bin ich dann nach New York umgezogen. Mein Vater ist in Russland gelieben und ist immer noch dort. In New York habe ich dann ca. 10 Jahre gelebt. Bin dann nach Wien umgezogen und habe hier an der Jazzabteilung des Konservatoriums Wien studiert. Wie du schon gesagt hast, habe ich dann bei Russkaja, !DelaDap, Wiener Tschuschenkapelle, Gasmac Gilmore usw. gespielt.

Spielst du jetzt noch in diesen Bands?

P: Jetzt nicht mehr, außer manchmal mit Gasmac Gilmore und als Substitut für die Tschuschenkapelle  und bei Gelegenheit mit anderen Leuten, aber ich konzentriere mich jetzt überwiegend auf eigene Projekte wie zB. GGLab und artForm presents.

Darauf kommen wir gleich zu sprechen. Kannst du RONJA* auch kurz über dich erzählen?

R: Ich wurde im steirischen Salzkammergut geboren, meine Eltern waren schon immer sehr kreativ unterwegs, wir hatten früher eine Theatergruppe  iMPULS! Aussee die jetzt noch besteht. Sie arbeiteten auch viel mit Jugendlichen und da hat es angefangen, dass ich zur Bühne gekommen bin, was mir immer sehr viel Spaß gemacht hat. Nach der Matura bin ich dann nach Wien, habe da eine Musicalausbildung gemacht und war dann danach u.a. im Kindertheater oder am Clubschiff Aida tätig wo ich als Solistin im Theater gearbeitet habe. Davor habe ich schon Pavel bei einer Jamsession kennengelernt und hatte immer einen Bezug zur Musik, das hat mir immer schon gefallen. Ich muss zugeben fast mehr als mit den Theaterleuten … aber jetzt nichts gegen die Theaterleute, das war einfach so. Dann haben wir uns entschieden eine Band gemeinsam zu gründen und nachdem wir auch zusammen sind haben sich einfach einige Dinge ergeben.

GGLab ist eine Band bzw. ein Projekt das du gemeinsam mit Jovan 2010 gegründet hast, richtig?

P: Ursprünglich war es keine Band. Wir haben 2010 mit einer Worldmusicjamsession im Luftbad begonnen. Das Luftbad ist eigentlich ein bekannter Ort für Jamsessions aber hauptsächlich in der Funk und Soulszene. Und wir wollten dort eine Weltmusikszene aufbauen. Der Ost Klub wäre zwar naheliegender gewesen, aber es ist eine große Bühne für eine Jamsession … finde ich. Ein kleiner, intimer Raum funktioniert da einfach ein bisschen besser und dadurch, dass im Luftbad Sessions schon ziemlich gut gelaufen sind – es gibt dort ja eine rege afrikanische Szene – wollten wir die Tradition dort weiterführen. Und es kommt jetzt ziemlich gut ins Laufen.

Dabei handelt es sich um das jeden ersten Mittwoch stattfindende Konzert mit Jamession?

R:
Genau, es spielt auch immer jemand anderer und die musikalische Leitung hat Pavel Shalman.

P: Wir stellen immer jedes Monat eine neue Band zusammen. Es gibt ein kurzes Konzert und danach findet die offene Session statt wo alles passieren kann. Vom Programm her machen wir wirklich unterschiedliche Dinge einmal hatten wir etwa eine Klezmersong mit einem palästinensischem Rapper dazu, das war für mich ein schönes Highlight, dann haben wir Balkanmusik zusammen mit Reggae Toasting oder mit dem Wiener Lied gemischt. Es war immer viel Balkan dabei aber die Idee ist eigentlich so viele Musikstile zu vermischen wie möglich. Mittlerweile ist daraus auch eine eigene Hausband entstanden.

R: Und im Luftbad ist dann das Integrationshaus, also der „Niki“ – Nikolaus Heinelt auf uns aufmerksam geworden. Er hat Pavel und Jovan gefragt, ob es nicht möglich wäre, dass GGLab zum 15-jährigen Jubiläum des Integrationshauses auftritt wo wir dann auch mit Willi Resetarits zusammen gearbeitet haben.

P:
Das Ergebnis war ein Konzert mit 15 oder 16 MusikerInnen aus 11 verschiedenen Ländern, wenn ich mich recht erinnere. Zur Zugabe ist dann auch noch Willi Resetarits gekommen. Ja das ist die Luftbadgeschichte … vor kurzem haben wir zB. mit Kadero Ray gespielt, mit Martin Lubenov – Luis Ribeiro war letztes Jahr dabei, alles sehr gute Leute, auch von der Tschuschenkappele kommen immer wieder MusikerInnen …

R: Die Idee war, dass es quasi wie eine offene Band ist, dass es schon jemanden gibt der sie führt eben der Pavel in dem Fall jetzt, aber dass es trotzdem keine fixen MusikerInnen gibt die immer spielen. Klar wenn uns jemand bei der Session gefällt, werden wir den oder die sicher wieder einladen, es bleibt aber alles in Bewegung.

P: Und daraus ist dann eben die GGLab Band entstanden. Wenn wir im Luftbad spielen heißt es dann GGLab Hausband sonst außerhalb nur GGLab.

Zu artForm. Grundsätzlich es ist ja von dir [RONJA*] und deiner Schwester Katharina 2010 gegründet worden. Es wurden bisher zwei Projekte umgesetzt einmal Phasenweise und dann Memory Map. Dabei handelt es sich um relativ unterschiedliche Projekte. Wie kommt es zu diesen Projekten, wie werden die ausgewählt?

R: Die ursprüngliche Idee war, dass ich am internationalen Frauentag etwas machen wollte, das war dann auch zufällig das 100-jährige Jubiläum. So hat das Projekt Phasenweise begonnen.

Und da war Pavel eigentlich schon dabei?

R:
Ja genau, weil wir haben auch ein Duo gemeinsam und ich wollte eigentlich von Anfang an mehr Musik machen, wobei beim ersten Projekt die Musik noch eher eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Im Grunde war es eine Veranstaltungsreihe. Die Idee kam von meiner Schwester die gesagt hat, sie möchte was Spezielles machen und zwar Menstruationsblut fotografieren. Mir hat die Idee gut gefallen und dann haben wir beschlossen, dass wir die Musik einbinden. Es sind dann zwei Fotoserien entstanden gemeinsam mit Eva Mühlbacher einer anderen Fotografin. Das Ziel war dann auch verschiedene Frauen zu involvieren, die wir dann auch gefunden haben und die das auch freiwillig machen wollten. Von denen wurden dann Portraitbilder gemacht und dann die Fotos ihres eigenen Menstruationsblutes darübergelegt. Das wurde dann präsentiert und es war sehr interessant wie die Leute darauf reagiert haben, ich meine es war nicht provokant aber sie haben es unterschiedlich aufgenommen … eh klar … die einen finden es grauslich, die anderen interessant.

P: Ich muss eigentlich sagen, dass die Reaktionen zu Beginn immer sehr positiv waren. Nachdem die Leute dann erfahren haben wie wir es gemacht haben …

R: [lacht] Ja, dann waren sie ein bisschen kritischer … es gab dann auch die International Womens Day Exhibition in London wo wir auf der Plattform VV [Frauen für Frauen in London] ausgewählt wurden und ein Bild von uns dann auf deren Homepage und auch auf verschiedenen Festivals ausgestellt wurde. Es ist schon sehr gut angekommen und war einfach mal was ganz anderes. Alles in allem hat dann alles zusammen gepasst … die Idee am Frauentag etwas zu machen, mit dem Duo … eigentlich war es dann zum Schluss ein Trio da Maria Petrova von der Tschuschenkapelle beim Finale bei ega: Frauen im Zentrum dazugekommen ist wo wir auch einen Film gezeigt haben.

Und Memory Map, das zweite Projekt war auch ein Konzept von meiner Schwester, die das schon vor längerer Zeit entwickelt hat. Mit einer Schulklasse wurden Orte und Plätze an denen die SchülerInnen täglich vorbei kommen fotografiert und Erinnerungen dazu ausgetauscht, dadurch entstand die sogenannte Erinnerungsmappe Memory Map. Das war wieder was ganz anderes, ein Projekt mit SchülerInnen umzusetzen. Es wurde u.a. auch ein bisschen Basiswissen zu Fotographie und Plaroid vermittelt, das Thema ist ja zur Zeit wieder sehr aktuell …

Wir wollen nicht, dass die Themen die artForm behandelt fix vorgegeben sind, wir wollen das einfach offen lassen. Jeder der eine Idee hat und was machen will kann es im Rahmen des artForm auch umsetzen.

Und GGLab ist jetzt sozusagen das dritte Projekt von artForm?

R: Ja genau, wir haben uns gesagt 2012 wollen wir uns wirklich auf die Musik konzentrieren. GGLab war auf Dauer ohne Subventionen einfach nicht machbar, das Projekt richtig zu Promoten damit es überhaupt in die Gänge kommt usw. Dann haben wir gesagt, warum könnte artForm GGLab als Projekt nicht unterstützen. Seit 2012 haben wir dann gesagt ok wir ziehen es durch und haben dann auch Unterstützung bekommen vom Bezirk und von der Stadt Wien. Deswegen GGLab und am 4. Mai das Konzert im Ost Klub.

Du meinst artForm presents?

R: Ja genau.

Dabei handelt es sich um eine Präsentationsplattform für vier Bands und eine Tanzformation wie ich aus euerem Förderantrag herausgelesen habe?

R: Grundsätzlich schon, der Umfang hat sich dann aber leider wegen der geringeren Förderung ein bisschen reduziert.

P: Der ursprüngliche Plan war vier Bands und ein Tanzprojekt zu präsentieren. Wir haben dann auch eine Förderung vom AKM bekommen, wofür wir sehr dankbar sind. Einige andere Förderungen sind aber leider nicht genehmigt worden woraufhin wir das Projekt auf zwei Bands reduzieren mussten und zwar auf Gobal Groove LAB (Coalman – Vocals, RONJA* – Vocals, Bozidar “Boki” Radenkovic – Bouzouki/Akkordion/Gitarre/Vocals, Stefan Thaler – Bass, Martin Peham – Schlagzeug, Pavel Shalman – Violine & Konzept) und LIVING TRANSIT.

R: Die Idee dabei ist, den MusikerInnen die Möglichkeit zu bieten sich zu präsentieren. Gleichzeitig wollen wir für spätere Präsenationsmöglichkeiten ein professionelles Video machen, was mit der aktuellen Förderung alles noch umsetzbar ist nur natürlich in einem kleineren Rahmen.

P: Und die zweite Band ist LIVING TRANSIT, eine Mischung aus Soul, Jazz, Pop, Funk aber alles akustisch präsentiert mit Jovan Torbica am Kontrabass, Fagner Wesely am Klavier, Gudula Urban am Chello, Martin Peham am Schlagzeug, RONJA* on the vocals und ich auf der Geige. Bis jetzt wurden hauptsächlich Covers gespielt. Bei artForm presents am 4. Mai im Ost Klub wird dann das erste Mal ein komplett eigenes Musikprogramm präsentiert. Die Idee des ganzen Abends ist eine Art Sprungbrett für die Bands zu schaffen, gleichzeitig wird es mit drei bis vier Kameras professionell gefilmt. Durch die Förderung konnten wir uns noch Plakate leisten. Es werden 300 Plakate und 5000 Flyer verteilt das kann man sich normaler Weise aus eigener Tasche nicht leisten. Wir werden einfach versuchen so viel Werbung wie möglich zu machen und die Bands bekannter zu machen.

R: Weil es ist so, es gibt viele super Bands die machen ein Konzert und das wars. Nachher denkt man sich schade, dass man die Aufmerksamkeit nicht besser genutzt hat.

Es wäre eine interessnte Sache gewesen die vier Bands mit einer Tanzgruppe auftreten zu lassen.

R: Ja das wäre mal was Neues gewesen das zu kombinieren. Es ist vom Raum her nicht immer so einfach …

Wenn ich das richtig verstehe, hätten die Bands gespielt und die Tanzgruppe dazu getanzt?

P: Ja es ist oft so, dass Tänzer zu Playbackmusik tanzen und wir haben uns gedacht warum nicht zu Livemusik … diese Idee konnte dann aber aufgrund der geringeren Förderung nicht umgesetzt werden.

R: Es ist aber nicht ganz aus der Welt wir werden sehen, vielleicht kann man das auch später einmal umsetzen.

Ihr habt in euerem Förderantrag auch das Thema “nachhaltige Betreuung” der Bands erwähnt. Was kann man sich darunter vorstellen?

R: Wir sind da mit Hoanzl in Kontakt gekommen und haben dort artForm und die verschiedenen Musikprojekte vorgestellt. Sie waren dann recht begeistert, haben sich entschlossen für uns den Vertrieb zu machen und uns auch empfohlen ein eigenes Label zu gründen was wir dann auch gemacht haben also artForm Music. Wir hoffen, dass Hoanzl dann auch PR mäßig das Event bisschen bewerben wird, dass man Bookingagenturen einlädt. Es ist natürlich nur ein Termin der 4. Mai. aber wenn man dann ein Video hat, kann man immer noch Leute damit erreichen und schauen, dass was weiter geht. Ohne Video geht heutzutage überhaupt nichts mehr.

Es handelt sich also um eine Art Showcase bzw. Show Reel das üblicherweise von Plattenfirmen für ihre Bands gemacht werden um sie bei den richtigen “Opinion Leadern” bzw. Multiplikatoren bekannt zu machen?


P:
Ja genau, das trifft es auf den Punkt.

Zu den Bands die am 4. Mai im Ost Klub präsentiert werden, wie wurden diese ausgewählt, du spielst ja soweit ich weiß bei beiden mit?

P: Dabei handelt es sich um Bands die mit artForm in irgendeiner Form etwas gemein haben.

R: Es ist natürlich auch so, dass man sich selbst hilft … sagen wir es mal so … mit LIVING TRANSIT haben wir schon lange gesprochen, dass wir eigene Sachen machen wollen und das ist einfach eine Möglichkeit das durchzuziehen.

Und wird es das artForm presents auch 2013 geben, ist eine Fortsetzung geplant?

R: Darüber haben wir noch nicht wirklich nachgedacht [lacht]. Wir sind momentan noch so mit dem heurigen Event beschäftigt. Wir schauen einfach was passiert. Die Folgeprojekte stehen eigentlich noch in den Sternen, meist werden sie sehr spontant und schnell ausgewählt.

P: Nach dem 4. Mai werden wir uns denke ich verstärkt mit der Produktion beschäftigen, weil wir ja wie schon gesagt letzten November [2011] ein Label gegründet haben um diese Bands weiterzubringen, also alle vier ursprünglich geplanten sprich GGLab, LIVING TRANSIT, 20 String Summit und RONJA*, Shalman & Petrova Trio.

R: Also 20 Strings Summit zB.  wollen demnächst ein Album herausbringen.

P: 20 Strings Summit sind zwei Gitarren, Kontrabass und Geige und spielen eher ein Konzertprogramm. Ich teile Bands immer in sitzendes und stehendes Publikum ein. Und 20 String Summits ist eher ein sitzendes Publikum gedacht für ein Konzert im Porgy&Bess oder vielleicht später im Konzerthaus, wer weiß. GGLab ist eher Tanzmusik mit mehr Druck.

R: Für GGLab hoffen wir auch, dass wir viele GastmusikerInnen für das Album bekommen. Es ist also gut, dass wir jetzt dieses Event am 4. Mai im Ost Klub haben wo man auch Leute kennen lernen kann und so viele Kontakte wie möglich herstellt um für das Album neue MusikerInnen gewinnen zu können.

Was ich hier vielleicht noch erwähnen sollte, ist die neue Website www.art-form.at von euch die seit heute [7.4.2012] online ist.

P: Ja dort kann man alle bisherigen und aktuellen Projekte, Events sowie Informationen zu den einzelnen Bands abrufen. Wir würden uns über viele BesucherInnen freuen!

G:
Ok, dann kann ich euch noch alles Gute für die Vorbereitung für artForm presents für den 4. Mai im Ost Klub wünschen und hoffentlich sehen wir uns dort.

P: Danke, auf jeden Fall.

R: Ja klar, wir freuen uns wenn du vorbeikommst.

 

 

http://www.myspace.com/pavelshalman
http://www.ronja-music.com
http://www.art-form.at/