Geführt werden, wissenden Armen sich überlassend, so wiegend in Sicherheit dort fündig zu werden, ist ein niemals in Zufriedenheit mündendes Kalkül. Das hieße, sich des eigenen Subjektes berauben. Als verrechnet müsste somit der dem Abend gegebene Titel aufzufassen sein: Die drei Stücke des Abends wurden durch je einen Satz im Gesamtprogramm des Festivals eingeleitet und somit gab es einen ,,Guide“, der seine gewöhnlich vermittelten Erwartungen nicht erfüllen konnte, wollte. Dies führte das Publikum zu einer Simplizität, die als Voraussetzung neuer Musik verstanden wurde. Sie liegt darin, dass die Etikette der Unmöglichkeit bezüglich des Spiels der Interpretierenden sowie des Zuganges für die Hörenden abgezogen und durch jene der Möglichkeit ersetzt wird, indem der Ruf – habe Mut, es gelingt, auch diese Musik ist Aussicht! – erklingt. Bezeichnend dafür war die Auswahl der Werke und ihre Reihenfolge. Der Beginn mit Ferneyhoughs ,,String Quartet No. 5“ (2006) schien stimmig, wird dieser doch meist als ,,Symbol“ der Kompositionsströmung ,,New Complexity“, in den 1980ern ihren Ausgang nehmend, betrachtet. Dieses Werk ist den Begriffen am weitesten entzogen, sodass eine vermeintliche Stütze den Hörenden nicht behilft. Anders als bei Carters ,,String Quartet No. 3“ (1971), wo die Kontrastierung musikalischer Charaktere konstitutiv ist, mal furioso und maestoso, mal giocoso und grazioso sich gegenüberstehen, was durch die Gruppierung des Quartetts in zwei Hälften verdeutlicht wird. Gadenstätters Streichquartette ,,häuten – schlitzen – reißen / paramyth 1, 2 & 3“ sind den Begriffen schließlich am nächsten, denn sie nehmen den semantischen Gehalt ihres eigenen Namens als kompositorische Eröffnung.
Ein Programm, das in seiner Anordnung zeigt, wie Gedanken aus solcher Musik gefasst werden können und gleichzeitig zur Retrospektive aufruft, denn auch Ferneyhoughs Werk liegt nicht in der Unmöglichkeit.
Albert Drägerdt
Diese Kritik über das Konzert mit dem Titel „A Simple Guide to Complexity 2“ mit dem Arditti Quartet im Rahmen von Wien Modern am 28. November 2022 im Wiener Konzerthaus entstand als Teil einer Lehrveranstaltung von Monika Voithofer am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.