Am 5. Juni ist es soweit – der zweite Aktionstag „Orchester für alle“, veranstaltet von den Musikvermittlerinnen und Musikervermittlern der Österreichischen Berufsorchester, findet in ganz Österreich statt. „Die Tuba fährt Straßenbahn, der Kontrabass U-Bahn und das Fagott flaniert am Hauptbahnhof…“ – mit diesen Worten laden Orchestermusikerinnen und -musiker in Klagenfurt, Linz, Innsbruck, Salzburg, Bregenz, Baden, Graz und natürlich auch in Wien ein, der Musik zu lauschen und die jeweiligen Orchester kennenzulernen. Malina Meier hat mit BETTINA BÜTTNER-KRAMMER, Musikvermittlerin der Wiener Symphoniker, über das Konzept des diesjährigen Aktionstags mit besonderem Fokus auf die Veranstaltungen in Wien gesprochen.
Vor zwei Jahren wurde von der Arbeitsgemeinschaft Musikvermittlung der Österreichischen Berufsorchester, kurz AMÖB, der erste bundesweite Orchestertag veranstaltet. Wie kam es zu dieser Idee?
Bettina Büttner-Krammer: Die Hauptthemen, die wir in der Arbeitsgemeinschaft bei der Gründung gesehen haben, waren einerseits Fortbildungsthemen sowie der Austausch beispielsweise im rechtlichen oder auch alltäglichen Bereich. Ein großes Thema war Öffentlichkeitsarbeit, da wir alle das Gefühl hatten, die Orchester machen wahnsinnig viele tolle Vermittlungsprogramme – aber es berichtet kaum jemand darüber. So kam die Idee, etwas zu machen, das österreichweit stattfindet, um größere Aufmerksamkeit zu generieren. Wir haben 2017 dafür kein spezielles Programm entwickelt, sondern wollten vielmehr das zeigen, was wir sowieso anbieten und es an einem Tag bündeln.
„Dieser Aufführungsort ist ja schon etwas ganz Besonderes!“
Wie waren die Rückmeldungen zum ersten Orchestertag?
Bettina Büttner-Krammer: Die Berichterstattung war deutlich besser als sonst, in den Zeitungen immer noch nicht berauschend, aber vor allem auch mit der Unterstützung des ORF Radio-Symphonieorchester Wien, das ja direkt an der „Quelle“ zum ORF sitzt, gab es tatsächlich sehr viele Beiträge im Fernsehen und im Radio. Die Rückmeldungen waren sehr positiv, also haben wir dann kurzerhand gesagt: „So ein Tag kommt wieder. Aber alle zwei Jahre. Das ist zu schaffen.“
Dieses Mal hat die AMÖB allerdings einen gemeinsamen Nenner für die Programme entwickelt: ein Thema, das von allen Orchestern so übernommen werden sollte. Nach längeren Diskussionen sind wir auf den öffentlichen Raum gekommen – also: das Orchester geht raus in die Stadt. Es hat sich herauskristallisiert, dass sich bis auf drei Orchester tatsächlich alle auf Bahnhöfe, U-Bahn und den öffentlichen Verkehr konzentriert haben und so entstand der Titel „Orchester für alle – Ihr Orchester in Bewegung“.
In Wien sind wir eine Kooperation mit den Wiener Linien eingegangen. Die Musikerinnen und Musiker dürfen einerseits in einer Straßenbahn spielen, und andererseits die sogenannten U-Bahn-Stars-Plätze nutzen – das sind Orte in U-Bahnstationen, an denen man auch sonst Konzerte abhalten darf. Auftritte wird es am Westbahnhof, am Karlsplatz und in Spittelau geben. Dort dürfen allerdings nur maximal vier Musikerinnen und Musiker auftreten, das heißt, die Ensembles sind doch eher klein. Wir müssen durch zusätzliche Informationen vermitteln, dass das eine Abordnung der Wiener Symphoniker, der Wiener Philharmoniker, des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien oder des Orchesters der Volksoper Wien ist. Wir haben einen komplexen Zeitplan gestaltet, sodass jedes Ensemble dreimal auftritt. Wenn ein Ensemble fertig ist, fährt es mit seinen Instrumenten in der U-Bahn zum nächsten Ort und spielt dort weiter. Wir wollten es möglichst bunt gestalten. Und wir wollten gerne, dass auch in der Ring-Straßenbahn zu jeder vollen Stunde ein anderes Orchester spielt. Dieser Aufführungsort ist ja schon etwas ganz Besonderes!
Was wird denn musikalisch in Wien geboten?
Bettina Büttner-Krammer: Jedes Orchester schickt andere Ensembles und Formationen – entsprechend vielfältig wird es. Da es ein Gewinnspiel gibt, will ich nicht verraten, welche Instrumente bei den verschiedenen Ensembles spielen werden, es sind aber alle Instrumentengruppen vertreten.
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„Das Orchester ist der Musikvermittlung gegenüber sehr positiv eingestellt […]“
Zum Thema Elfenbeinturm-Image der klassischen Musik – wie stark hat sich dies durch die Musikvermittlung in den letzten Jahren gewandelt und wie sehr ist es doch noch ein Problem, mit dem Sie zu kämpfen haben?
Bettina Büttner-Krammer: Es ist ein langer und nicht abgeschlossener Prozess, aber einiges hat sich schon verändert. Die Wandlungen bei den Symphonikern beispielsweise müssen immer auch aus verschiedener Perspektive gesehen werden. Es gibt einmal die Wandlung im Angebot: das, was das Orchester an neuen Programmen anbietet. Das ist insgesamt heute deutlich mehr. Früher gab es in erster Linie reguläre Abo-Konzerte und vielleicht noch einmal im Jahr ein Familienkonzert. Und wenn man das nun damit vergleicht, was in den letzten sieben Jahren, auch seitdem ich bei den Symphonikern bin, passiert ist, ist schon ein Riesenunterschied: Da gibt es nun zum Beispiel zusätzlich die Schulkonzerte. Dieses Jahr haben die Wiener Symphoniker tatsächlich sechs Schulkonzerte mit drei verschiedenen Programmen gespielt. Familienkonzerte gab es heuer auch vier. Dann gibt es neue Formate, auch für Erwachsene, die immer mehr werden. Fridays@7 ist so ein Format, bei dem man sich überlegt hat, auch Leute über das klassische Abo-Konzert-Publikum hinaus anzusprechen. Diese Konzerte sind etwas kürzer und es gibt nach dem Konzert im Saal einen musikalischen Ausklang im Foyer des Wiener Konzerthauses, bei dem dann eher Jazz oder kammermusikalische Musik gespielt wird. Man kann dabei auch essen und trinken. Es ist also alles ein bisschen entspannter – und funktioniert wunderbar beim Publikum. Dann gibt es die Grätzl-Konzerte, das sind Konzerte in den Wiener Außenbezirken an ungewöhnlichen Orten, damit möchte das Orchester auch Menschen erreichen, die nicht ins Konzerthaus oder den Musikverein kommen.
Die Wiener Symphoniker bemühen sich wirklich sehr, für alle Wienerinnen und Wiener da zu sein. Ich hoffe, dass man diese Öffnung auch wirklich wahrnimmt. Und zuletzt gilt das gleiche auch nach innen sozusagen: Wie nimmt das Orchester diese Veränderungen selbst wahr? Auch das ist ein langwieriger Prozess. Das Orchester ist der Musikvermittlung gegenüber sehr positiv eingestellt und begrüßt sie prinzipiell. In der Musikvermittlung müssen die Musikerinnen und Musiker ja doch ihren geschützten Bereich immer wieder verlassen. Das ist nicht jedermanns Sache und es fällt auch nicht jedem leicht – aber es gibt schon viele Musikerinnen und Musiker, die hier gerne mitmachen. Meine Fernziele wären einerseits, das Vermittlungsprogramm noch mehr zu erweitern. Und irgendwann sollte dann alles so vielfältig und offen sein, dass man die Vermittlung als eigene Stelle wiederum gar nicht mehr braucht, sondern der Vermittlungsgedanke bei der gesamten künstlerischen Planung von Anfang bis zum Ende immer mitgedacht wird.
Was wäre nun Ihr Wunsch für den Aktionstag „Orchester für Alle – Ihr Orchester in Bewegung“?
Bettina Büttner-Krammer: Gutes Wetter, viel Berichterstattung und viele Besucherinnen und Besucher. Und zwar sowohl Leute, die extra kommen, weil sie im Vorfeld davon erfahren haben und sich sagen: „Cool, ich gehe jetzt nach Spittelau und schaue, was die da machen“. Aber auch, dass das „Laufpublikum“ – die Menschen, die sowieso in den U-Bahn-Stationen sind – stehen bleibt und sich die Zeit nimmt, 10 bis 15 Minuten zuzuhören, und so Lust auf Orchestermusik bekommt!
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Links:
Orchester für alle – Ihr Orchester in Bewegung
Wiener Symphoniker