„MEIN SCHLAGER IST NICHT MASSENKOMPATIBEL“ – FUZZMAN IM MICA-INTERVIEW

Herwig Zamernik ist Fuzzman – das neue Album heißt „Endlich Vernunft“ und bietet 8 Stücke zwischen Schlager und Folk. Im Gespräch mit Jürgen Plank erzählt Fuzzman von einem Videodreh mit einer Blaskapelle, warum er nicht für Schlagersendungen im Fernsehen engagiert werden wird, welche Musik seine Eltern gehört haben und warum seine Karriere als Schlagersänger wohl nicht in einer Dorfdisco enden wird.

In der Presseinfo steht, dass du auf dem neuen Album „Endlich Vernunft“ existenzialistischen Schlager-Folk machst. Kam diese Einordnung von dir oder wie siehst du das?

Fuzzman: Das ist ein PR-Gag. Nein! Die Pressetexte schreibt der Stefan (Anm.: Stefan Redelsteiner), ich finde er macht das gut. Ich sehe mich nicht als existenzialistischen Schlager-Folk-Sänger. Ich sehe mich nämlich als ganz normalen Schlagersänger. Aber das passt schon, ich finde das lässig. Ich finde, dass man die Promo-Texte nicht selbst schreiben sollte und bin froh, dass er das macht. Ich finde es lässig, dass dabei Betrachtungen herauskommen, die ich gar nicht hätte und ich bin d’accord damit.

Inwiefern sind die Themen deiner Lieder existenzialistisch?

Fuzzman: Es geht um Sein und Nicht-Sein, so wie das im Schlager immer ist. Es geht um Liebe, Tod und alles dazwischen.

Ist nicht auch Popmusik meistens so?

Fuzzman: Auch. Eigentlich ist jede Kunst existenzialistisch, weil es im besten Fall immer um alles geht.

Schön und traurig

Auch Schicksalsschläge werden im Pressetext angedeutet. Was ist gemeint?

Fuzzman: Ich finde die letzten eineinhalb Jahre mit dieser Pandemie und diesen Lockdowns haben schon viel bei uns allen gemacht. Auch bei mir. Man braucht nicht so zu tun als wäre das nichts. Einerseits gab es schöne Momente, weil im Studio viel gearbeitet wurde und es sind viele schöne Sachen entstanden und das war auch das Schöne an der Situation. Aber es war schon auch düster. Grundsätzlich war die Zeit eher düster, weil sie gezeigt hat, wie labil dieses ganze System ist. Darüber hinaus gab es auch familiäre Sachen, bis hin zum Tod meiner Mutter an Corona, das war ein unwürdiger Tod. Ich habe die Platte mit dem letzten Lied an sie beendet. Die Arbeit an der Platte hat vor der Pandemie begonnen, fertig geworden ist sie heuer im Frühjahr.

„Coldplay werden immer mehr Schlager“

In der Wiener Zeitung gab es vor kurzem Rezensionen von Coldplay und DJ Ötzi und es wurde geschrieben, dass da musikalisch gar nicht so viel Unterschied wäre. Sind die musikalischen Grenzen zum Schlager hin eher durchlässig?

Fuzzman: Da sage ich jetzt das, was du vorhin gesagt hast: ist das nicht generell in der Popmusik so? Popmusik ist Popmusik und dazu gehört Schlager genauso. Ich spiele mich mit diesem Schlager, der ja immer verpönt war und wenn mich jemand – egal wo, zum Beispiel an einem Würstelstand – fragt: Was arbeitest du eigentlich? Dann sage ich: Schlagersänger. Das klingt schöner als Popsänger. Ich glaube nicht, dass das nur ein Schlagerding ist: Coldplay werden immer mehr Schlager. Das ist Popmusik, die funktioniert und auf Massen zugeschnitten ist. Mein Schlager ist ja nicht massenkompatibel. Und mein Schlager will und braucht das auch nicht zu sein. Sondern ich spiele mich viel mehr mit diesen Begriffen, weil es mir Spaß macht, mich damit zu spielen. Deswegen bin ich Schlagersänger.

Dennoch: Redelsteiner ist in meiner Wahrnehmung auch bekannt dafür, dass es immer einen gut überlegten Plan gibt, wie Musik platziert und promotet wird. Und Schlager ist ja, finanziell gesehen, sehr erfolgreich. Schielt ihr doch auf das Schlagerpublikum, das groß ist und auch erobert werden könnte?

Fuzzman: Stefan und ich betreiben das Label ja gemeinsam, das Lotterlabel. Das ist schon mal Anti-Schlager, weil ich immer ein Indie-Fuzzi war. Ich habe Fugazi immer als extrem bewundernswertes System und gute Band angesehen, nicht nur wegen der Musik, sondern weil die immer alles selbst gemacht haben, ihre Platten selbst herausgebracht haben und bestimmt haben, wohin es geht. Das ist bei mir auch so und das sieht Stefan auch so. Seine Aufgabe ist es, zu schauen, dass das funktioniert. Ich finde nichts Schlimmes daran, dass man will, dass Sachen funktionieren. Indie-Sachen, die herauskommen, sind oft viel mehr in einem Format drinnen als so mancher Schlager. Das ist eine unendliche Diskussion, die man über Musik führen kann. Unsere Haltung ist aber: Wir machen nur das, was uns interessiert und was uns nahe ist. Wenn das funktioniert, ist es cool. Und wenn es nicht funktioniert, dann funktioniert es eben nicht, wir sind ja kein Major-Label.

„Die Menschen, die Schlagerfans sind, haben ganz feine Fühler dafür, was echt ist und was nicht echt ist“

Kann man vielleicht in puncto Erfolg etwas von der Schlagerbranche lernen?

Fuzzman: Lustig ist, dass Stefan und ich wirklich mal einen Ausflug in den Schlagerbereich gemacht haben, den du angesprochen hast.

Wir haben extra ein eigenes Label dafür gegründet, San Tropez. Da haben wir wirklich so schlagerhafte Sachen gemacht und das Hineinschnuppern in diese Szene, in die echte Schlagerszene von der du sprichst und von der alle sagen, dass da das Geld zuhause ist, das war schon sehr interessant. Man glaubt immer, die machen irgendeinen Scheißdreck und dann kauft das jeder Depp – das ist einfach nicht wahr. Die Menschen, die Schlagerfans sind, haben ganz feine Fühler dafür, was echt ist und was nicht echt ist. Dass alle versuchen, Menschen zu erreichen, ihr Auskommen zu finden oder Riesenstars zu werden, ist völlig okay und nicht verwerflich. Das ist beim Schlager nicht anders als im Metal. Die Metalbands machen auch alle ihr Ding und nehmen sich eine Schablone.

Wie ordnest du da deine Musik ein?

Fuzzman: Mein Schlager reißt da immer aus. Meine Musik war ja vieles aber nie Kommerz, gar nichts, was ich jemals gemacht habe. Ein Freund von mir sagt gerne: erfolgreich am Markt vorbei produziert.

Es gibt ein Video zu „Weil ein Schlager vergeht“, du gehst da mit einer Blaskapelle auf einer Dorfstraße, wie ist das entstanden?

Fuzzman: Niki ist mein Schwager und er hat schon mehrere Videos mit mir gemacht. Wir suchen uns für die Videos interessante Situationen, in die ich mich dann hinein werfe. Da schlage ich in Situationen auf, in die man normalerweise nicht hineinfällt. In diesem Fall war das ein Kirtag. Ich wollte eigentlich irgendwelche Kirtagsbühnen entern und komische Situationen herbeiführen. Wir sind am Tag nach dem Kirtag zum Frühschoppen und da war die Kapelle und die haben mich offenbar gekannt und haben gesagt: geh’ mit uns mit. Das war cool von denen! Und so war das ein lässiger Vormittag mit der Blaskapelle und so sind diese Aufnahmen entstanden.

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Ich habe bei einer Dorfdisco mal ein Plakat gesehen, das Peter Kent angekündigt hat. Der hatte in den 1980er-Jahren einige Hits, gemeinsam mit Luisa Fernandez. Enden so Karrieren von SchlagersängerInnen: durch die Provinz tingelnd? Oder hast du für dich ein alternatives Ende in, sagen wir, 30 Jahren?

Fuzzman: Ich bin noch nie durch Dorfdiscos getingelt. Ich bin – wenn schon – durch die Punk-Clubs dieser Welt getingelt. Ich werde eher in solchen Clubs enden und nicht in Dorfdiscos. Außer ich habe mal Lust, dorthin zu fahren. Ich bin jetzt 48 Jahre alt und glaube nicht, dass ich in 30 Jahren noch irgendwelche Schlager singe. Da sitze ich dann eher auf irgendeiner Alm und trinke Wein.

Hat die „Starnacht am Wörthersee“ schon bei dir angefragt?

Fuzzman: Aus dieser Richtung kommt nichts, die Schlagerszene ist in sich geschlossen, die wird mich nicht aufnehmen, ich bin da viel zu abstrakt. Obwohl meine Sachen völlig unironisch sind. Die Schlagerszene interessiert sich nicht für irgendwelche Indie-Typen, die sagen, dass sie Schlager sind. In Wahrheit bin ich ein Liedermacher, der so singt wie er singt und das macht, was er macht und da ist gar nicht so viel Schnickschnack dabei. Manchmal mache ich mehr Schabernack und manchmal weniger. Hinter meiner Musik steht kein Marketingkonzept, insofern kann ich mich als Schlagersänger bezeichnen ohne dass ich einen Berührungspunkt damit habe.

Von Beatles bis Freejazz

Du bist jetzt 48 Jahre alt, wurdest also in den 1980er-Jahren mit Musik sozialisiert. Meist geschieht das über die Plattensammlung von Eltern, Geschwistern oder anderen Verwandten. Wer Glück – oder Pech, je nachdem – hatte, hat die Beatles oder Rolling Stones vorgefunden, andere sind bei Heino gelandet. Wie war das bei dir?

Fuzzman: Bei mir waren es die Beatles. Ich muss aber sagen, dass mein Vater wirklich Schlagerfan war, der hat Heintje und solche Sachen gehört. Aber er hat auch ABBA gehört, das war meine erste große Liebe als Kleinkind. Meine Mutter war gegen all das und fand das schrecklich und war eher für Freejazz zu haben. Ich bin mit beiden Richtungen aufgewachsen. Meine Mutter hat sich darüber aufgeregt, was mein Vater so hört. Dem war das aber egal, weil der das halt lässig fand. Mit zirka 15 Jahren habe ich beim Disharmonic Orchestra zu spielen begonnen und da sind wir um die Welt getourt. Das war dann meine Auflehnung gegen alles, gegen Freejazz und gegen Schlager und ein paar Jahre später kam dann Naked Lunch dazu.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

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Live:
Fr 12.11.2021, Rabenhof, Rabengasse 3, 1030 Wien, 20h

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