Langsam und mit Anmut haben sich die Weisen im antiken Attika betrunken, bevor sie sich den wesentlichen Dingen des Lebens zuwandten: der Liebe und der Musik. SYMPOSION – acht Konzerte, genossen auf Futons und Pölstern, und ein sechsgängiges Gastmahl mit vierzehn ausgewählten Weinen. Eine Produktion von netzzeit mit dem Klangforum Wien .
Langsam und mit Anmut haben sich die Alten bei ihren Zusammenkünften betrunken. Die Grundannahme der Symposia war, dass der Wein als das Geschenk der Götter an die Menschen einen eigenen Zugang zum Göttlichen, ja zur Gottheit und zur Wahrheit eröffnen könnte, wenn er in der richtigen Weise genossen würde.
Das Klangforum Wien und netzzeit sind die Wege der athenischen Weisen des 6. Jahrhunderts vor Christus zum ersten Mal im Jahr 2001 nachgegangen. Die Erfahrung mit dieser antikischen Sozialtechnik ist seither bei allen Aufführungen in Wien, Venedig, Salzburg, Dresden, Budapest, Bozen, Donaueschingen, Margreid und Luxemburg gleich und gleich glückhaft geblieben: Eine gleichschwebende Gesamtstimmung trägt ein gemeinsames, intensives Hörerlebnis während dieses siebenstündigen Konzerts, das noch kein Gast vor seinem Ende verlassen hat.
Musik unserer Zeit, gehört unter den langsam sich verändernden Wahrnehmungs-bedingungen geruhsamer Berauschung. Pölster, Futons und bequeme Sitzgelegenheiten bilden eine Installation, die von den Gästen während der Konzerte nach Belieben bewohnt wird. In längeren Pausen werden Speisen und Weine gereicht. Im Lauf einer langen Nacht treten sehr allmählich verschiedene Stadien der Berauschung ein. Ein Wandel zwischen apollinischer und dionysischer Welt, deren Grenzen im Lauf der Nacht verschwimmen und verschwinden.
Der Regisseur und netzzeit-Leiter Michael Scheidl über SYMPOSION
Als Sven Hartberger mir um die Jahrtausendwende seine Idee von einem Rauschkonzert erzählte, hätte keiner von uns gedacht, dass dieses nach achtundzwanzig Aufführungen in verschieden Ländern Europas und fast 20 Jahre später auf vielfachen Wunsch unseres Publikums wieder an den Ort seiner Uraufführung, in die Halle E im MuseumsQuartier, zurückkehren würde.
Der Grundgedanke war die Einladung zu einem Symposion, in dessen Verlauf die wesentlichen Dinge des Lebens in einem durch bedachtsamen Weingenuss gehöhten Zustand verhandelt werden sollten. Von kleinlichen Schranken der Konvention und Moral befreit, sollten die Gäste in die Tiefe der Musik und ihrer Bedeutung für das menschliche Leben vordringen.
Befreit auch von konventionellen Hörgewohnheiten und Erwartungshaltungen sollte Neue Musik auf lustvolle Weise Eintritt gewähren in ungeahnte Sinneswelten. Gelöst von der vergleichsweise steifen Sitzhaltung im Konzertsaal sollte ein mehr als vierstündiges Musikprogramm ausgestreckt auf Futons und Pölstern genossen werden und in den langen Pausen bei Wein und Speisen Gemeinschaft gepflegt und erfahren werden.
Die einzelnen Phasen eines gedachten Rauscherlebnisses sollten dabei genüsslich ausgekostet werden. Es beginnt mit der leicht animierten Stimmung eines kleinen Schwipses, führt über erste kleine Orientierungsschwierigkeiten hin zum erhitzten Rausch, zum Orgiastischen und leitet allmählich in die etwas reduzierteren Stadien beginnender Redundanz beim Sprechen, um schließlich in einem luziden Dämmer den jungen Tag der neuen Gedanken anzukündigen. Das Musikprogramm begleitet uns bei diesem Vordringen in die Tiefe der eigenen Seele, der großen Ideen, Utopien und Gefühle mit großen und zunehmend dramatischen Werken, die gegen Ende der Nacht von wunderbarer Sufi-artiger Musik, gleich akustischen Mandalas, abgelöst werden und uns so in jenen paradoxen hellwachen Dämmerzustand versetzt, der den unbewussten Nährboden für neue Ideen bildet.
Nachdem sich kein Veranstalter über das wagemutige Projekt drüber getraut hatten, beschlossen meine Frau, die Ausstatterin Nora Scheidl, und ich, als künstlerische Leiter von netzzeit, das „siebenstündige Hören Neuer Musik unter veränderten Wahrnehmungsbedingungen“ zu produzieren, zu inszenieren und auszustatten und in Zusammenarbeit und unter Mitwirkung des Klangforum Wien zu realisieren. Und fast zweieinhalbtausend Jahre nach der genialen Erfindung der Vorsokratiker erwies sich die lustvolle Kulturtechnik zur Erlangung neuer beglückender Erkenntnisse und Erfahrungen als genauso erfolgreich wie damals.
„Symposion – Ein Rausch in acht Abteilungen“ wird nun im Rahmen von „2019 out of control“ in einer letzten Aufführungsserie am 25. und 26. Januar sowie am 22. und 23. Februar 2019 ab 17.00 Uhr in der Halle E des MuseumsQuartiers zu erleben sein. Denn es wird wieder Zeit für neue Rezeptionssettings für die Musik der Gegenwart. Ob mit oder ohne Platon – wer weiß?
Michael Scheidl, Inszenierung
Nora Scheidl, Ausstattung
Dirigent: Johannes Kalitzke
Sascha Emanuel Kramer, Tenor
Klaus Lang, Harmonium/ E-Orgel (am 25./26.01.)
Aleksey Vylegzhanin, Harmonium/ E-Orgel (am 22./23.02.)
Bernhard Zachhuber, Klarinette
Björn Wilker, Schlagwerk
Klangforum Wien
Peter Böhm & Markus Urban, Klangregie
Termine:
25. & 26. Jänner / 22. & 23. Februar 2019 (Beginn 17.00, Ende ca. 24.00 Uhr)
Ort: MuseumsQuartier Halle E, Museumsplatz 1, 1070 Wien
Tickets: € 115.- / ermäßigt € 95.- (für Ö1-Club-Mitglieder, AbonnentInnen des Standard & StudentInnen).
Im Eintrittspreis sind das sechsgängige Menü und alle Weine inbegriffen.
Ticketkauf: ticket@konzerthaus.at, Tel. 01/242 002 (mit Kreditkarte) oder direkt im Ticket- & Service-Center des Wiener Konzerthauses (Lothringerstraße 20, A-1030 Wien, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9.00 – 19.45 Uhr, Samstag 9.00 – 13.00 Uhr)
Links:
Netzzeit
Klangforum Wien