Die Corona-Krise und die damit verbundenen Maßnahmen zur Bewältigung dieser stellen die gesamte österreichische Wirtschaft und damit auch die heimische Musikwirtschaft in höchstem Maße vor große finanzielle Herausforderungen. Das seit Mitte März geltende Verbot von Veranstaltungen und die Schließung aller Lokale, Clubs, Veranstaltungsräume und gastwirtschaftlichen Betriebe lassen die BetreiberInnen solcher in eine unvorhersehbare Zukunft blicken. Didi Neidhart fragte bei den Salzburger Veranstalter*innen ASTRID RIEDER (trans_art), JÜRGEN VONBANK (Freakadelle), ANDREAS NEUMAYER (Jazzit) und MARTIN LOECKER (Performing Sound) nach, wie sie mit der Krise umgehen.
Welche Konsequenzen hat die Stilllegung des Konzert- bzw. Clubbetriebes für euch? Könnt ihr euch den Nicht-Betrieb bei laufenden Kosten überhaupt noch leisten?
Martin Loecker/Performing Sound: Die Konsequenz ist eher die Verhinderung weiterer Konzerte und daher der finanzielle Entgang für die Musikerinnen und Musiker.
Astrid Rieder/trans_art: Für meine Kolleginnen und Kollegen finde ich die Auflagen für Konzerte, Darbietungen etc. katastrophal. Für meine künstlerische Arbeit gibt es nur bedingt Einschränkungen: Ich kann meine Kunstform im Augenblick nicht im Ausland und schon gar nicht außerhalb meines Ateliers präsentieren, versuche aber, mit dem Internet und den sozialen Medien die monatliche Serie „do trans-Art“ von meinem Atelier aus unter die Leute zu bringen!
Jürgen Vonbank/Freakadelle: Aktuell leben wir von unserem kleinen Polster aus den letzten Veranstaltungen. Dieses wird aber bald aufgebraucht sein. Letztendlich werden wir wohl durch Mitgliederspenden die Mietkosten aufbringen müssen.
Andreas Neumayer/Jazzit: Momentan gibt es noch keine finanziellen Konsequenzen.
Inwiefern seid ihr diesbezüglich in Kontakt mit den für Kultur zuständigen Stellen bei Land, Stadt und Bund? Werden hier Infos zu Schadensbegrenzungen bzw. -wiedergutmachungen und zum weiteren Vorgehen – etwa auch hinsichtlich des „Kulturentwicklungsplans“ – angeboten?
Jürgen Vonbank/Freakadelle: Ein Gespräch mit der Kulturabteilung des Landes Salzburg hat bisher keine Antwort auf diese Fragen ergeben.
Andreas Neumayer/Jazzit: Wir sind in Kontakt mit den jeweiligen Förderstellen, die uns zugesagt haben, dass wir die Jahresförderung nicht zurückzahlen müssen.
Wie sehr seht ihr euch überhaupt von der Politik behandelt, Stichwort „Systemrelevanz“?
Martin Loecker/Performing Sound: Für alle wäre es schön zu wissen, wie diese 20-Quadratmeter-Regel real umgesetzt werden kann und speziell für kleinere Konzerträume wie Clubs, Keller oder Galerien funktionieren soll.
Astrid Rieder/trans_art: Dem von Rabl-Stadler in der Sendung „Im Zentrum“ zitierten Max Reinhard, dass Kunst ein Lebensmittel ist, kann ich nur zustimmen! Daraus leitet sich die Verpflichtung der Politik ab, die Kulturszene als systemrelevant einzustufen und zu unterstützen.
Jürgen Vonbank/Freakadelle: Die Hilfe dauert definitiv zu lange. Das unterstreicht das Kulturverständnis der Eliten, welches aber vor der Krise auch nicht anders war.
Andreas Neumayer/Jazzit: Vernachlässigt!
Wie seht ihr die Chancen eines gemeinsamen Handelns der Musikszene, etwa über die IG Kultur oder den Dachverband der Salzburger Kulturstätten?
Martin Loecker/Performing Sound: Ich sehe solche Chancen eher nicht, aber ich denke, Gespräche zwischen den Veranstalterinnen und Veranstaltern bringen wahrscheinlich kurzfristig auch was.
Astrid Rieder/trans_art: Eigentlich schätze ich die Chancen positiv ein. Aber letztendlich hängt es von der Transparenz und Fairness der agierenden Personen ab.
Jürgen Vonbank/Freakadelle: Angesichts dessen, wie in Salzburg in jüngster Vergangenheit, und zwar bereits vor Corona, mit der freien Kulturszene umgegangen wurde – Stichwort „Subventionskürzungen“ – ist die Hoffnung hier verhalten, dass man vonseiten der Politik entsprechend wahrgenommen wird. Vernetzung und Bündelung von Interessen machen aber immer Sinn.
Wie schaut es mit der Miete bzw. mit Pachtverträgen aus?
Astrid Rieder/trans_art: Erfreulicherweise ist mir der Vermieter entgegengekommen.
Jürgen Vonbank/Freakadelle: Läuft aktuell wie gewohnt weiter. Eine Mietzinsminderung konnte mit dem Vermieter bislang nicht vereinbart werden. Weitere Gespräche hierzu folgen.
Wie viele Veranstaltungen musstet ihr absagen und wie haben die Artists darauf reagiert? Was für ein Stimmungsbild zeigt sich bei denen?
Astrid Rieder/trans_art: Ich habe mich bemüht, die Veranstaltungen mittels Live-Streams termingerecht abzuhalten. Der Schaden liegt vor allem in der nicht dargebotenen Kunst, weniger im Finanziellen, da ich ohnedies meistens nur kostendeckend unterwegs bin.
Jürgen Vonbank/Freakadelle: Bis dato mussten wir drei Veranstaltungen absagen. Es gibt aber auch eine gesundheits- und gesellschaftspolitische Verantwortung, gerade wenn Leute in einem Club auf engstem Raum aufeinandertreffen. Daher gibt es hier natürlich Verständnis für die Maßnahmen, wenngleich die Situation für viele Artists mehr als beklemmend ist.
Andreas Neumayer/Jazzit: Bis Ende Juni sind das ca. 75 Veranstaltungen, die abgesagt werden mussten. Die Künstlerinnen und Künstler haben natürlich Verständnis, bleibt ja eh nichts anderes übrig, wenn es verboten ist.
„Corona-Stages“ und Konzert- bzw. DJ-Streams (United We Stream) direkt ins Wohnzimmer oder ins Homeoffice sind im Moment eine von vielen Acts genutzte Alternative zu Live-Konzerten. Verfolgt ihr gewisse Streams bzw. bietet ihr selber Streams – Online-Veranstaltungsideen aus dem virtuellen Boden – an und was ist eure Einschätzung solch einer alternativen Präsenz, die ja einerseits kaum Einkommen verschafft und andererseits ein Live-Erlebnis – egal ob Konzert oder Clubbing – ja auch nie ersetzen kann?
Martin Loecker/Performing Sound: Ja, schon, aber eher nur Streamings von Acts, die man schon kennt. Das Live-Erlebnis kann man sowieso nicht vergleichen.
Astrid Rieder/trans_art: Ich habe mich der sozialen Medien bedient, die Resonanz war erfreulich, wenngleich natürlich kein Cent dabei verdient wurde.
Jürgen Vonbank/Freakadelle: Wir sind hier bislang zurückhaltend. Aktuell findet hierzu wohl eher ein Overkill statt, wenngleich es die Situation in den eigenen vier Wänden erträglicher machen kann. Sowohl das Erlebnis betreffend als auch in ökonomischer Hinsicht können diese natürlich keine echten Events ersetzen.
Andreas Neumayer/Jazzit: Wir verfolgen zwar, was andere Veranstalterinnen und Veranstalter, wie z. B. das Porgy & Bess in Wien, machen, aber selber haben wir uns bewusst dagegen entschieden. Live-Streams mit Musikerinnen und Musikern anzubieten, ist zum einen technisch zu aufwendig und zum anderen kann dieser das Konzerterlebnis in natura nicht ersetzen.
Laut aktuellem Stand der Dinge soll es mit Konzerten spätestens im September wieder losgehen. Aber auch das ist unsicher. Wie läuft da die Kommunikation mit Acts, Artists, Managements? Seit ihr bezüglich der Buchungslage im Herbst optimistisch?
Astrid Rieder/trans_art: Ich bin sehr zuversichtlich, jedoch sind Aktivitäten auf längere Sicht unklar.
Jürgen Vonbank/Freakadelle: Nicht wirklich. In der Kategorie, in die unsere Veranstaltungen fallen – viele Menschen auf engstem Raum –, ist wohl zu befürchten, dass heuer nicht mehr allzu viel passieren wird.
Andreas Neumayer/Jazzit: Wir sind eifrig am Planen für den Herbst/Winter 2020 und auch schon für 2021. Wir sind optimistisch.
Habt angesichts der aktuellen Situation auch schon mal an Crowdfunding-Aktionen gedacht?
Astrid Rieder/trans_art: Nein, weil es die anbiedernde Gefälligkeit der Kunst für die Crowd braucht.
Jürgen Vonbank/Freakadelle: Ja, es gibt aktuell Überlegungen dazu.
Andreas Neumayer/Jazzit: Nein.
Könnte die ganze Chose am Ende auch etwas Gutes haben für die Musik- und Kulturlandschaft bzw. worauf freut ihr euch am meisten in der Zeit nach Corona?
Martin Loecker/Performing Sound: Eigentlich befürchte ich leider nichts Gutes. Aber ich freue mich – mit vielen anderen – schon jetzt darauf, dann mal wieder in Clubs gehen zu können.
Astrid Rieder/trans_art: Eine Pandemie kann mit all den negativen Auswirkungen, die wir jetzt weltweit beobachten können, in der endgültigen Beurteilung nichts Gutes haben. Dennoch bemühe ich mich, jeden Tag das Beste daraus zu machen. Für mich ist das die einzige Möglichkeit, den persönlichen Schaden so gering wie möglich zu halten.
Jürgen Vonbank/Freakadelle: Die Wertschätzung in der Bevölkerung für Kulturschaffende wird wieder steigen. Die Wichtigkeit des persönlichen Kontakts und Austausches wird wieder in den Vordergrund rücken. Natürlich sehnen wir dem Moment entgegen, wenn wieder laute Musik aus unserer PA schallen wird und wir diese gemeinsam mit unseren Gästen zelebrieren können.
Andreas Neumayer/Jazzit: Ja, sicherlich! Die Menschen werden sich wieder mehr für Kultur generell begeistern.
Vielen Dank für die Antworten!
Didi Neidhart
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