Das neue „International Journal of Music Mediation“

Im Jänner 2025 erschien die erste Ausgabe des „International Journal of Music Mediation“ (IJJM) sowohl online, als Open-Source-Publikation, als auch in einer gedruckten Fassung. Dafür arbeiten drei internationale Musikuniversitäten mit Vermittlungsschwerpunkt zusammen: die mdw–Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, die Université de Montréal (Kanada) und die Anton Bruckner Privatuniversität in Linz.

Marie-Therese Rudolph hat anlässlich der Präsentation an der mdw zwei der Herausgeber:innen getroffen: Axel Petri-Preis, Initiator des Journals und Professor für Musikvermittlung und Community Music am Institut für musikpädagogische Forschung und Praxis und dessen stellvertretender Leiter sowie Irina Kirchberg von der Université de Montréal und Co-Leiterin des dort beheimateten Musikvermittlungs-Lehrgangs. Dritte im Bunde ist Irena Müller-Brozović vom Lehrgang an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz.

Es passiert nicht allzu oft, dass ein neues Magazin – noch dazu in internationaler Zusammenarbeit – gegründet wird. Dementsprechend werden alle Artikel auf Englisch veröffentlicht, mit Zusammenfassungen auf Französisch, Deutsch und in den Erstsprachen der Autor:innen. Welche Idee steckt hinter dieser Publikationsreihe und an welche Leserschaft richtet es sich?

Irina Kirchberg: Als Axel mit der Idee an mich herangetreten ist, war ich sofort von diesem Projekt total begeistert, weil bisher eine internationale Plattform für Forschungsberichte in diesem Bereich gefehlt hat. Es kann nun ein sehr inspirierender Austausch stattfinden – mit Künstler:innen, Akteur:innen aus der Vermittlung, Komposition und Musikwissenschaft, die ihre Erfahrungen aus der Praxis aufschreiben und mit allen teilen.

Axel Petri-Preis: Das Journal richtet sich einerseits an die wissenschaftliche Community, das heißt, das Herzstück des Journals sind wissenschaftliche Artikel. Es ist uns andererseits aber auch extrem wichtig, die Verbindung zwischen Forschung und Praxis herzustellen. Deshalb gibt es auch eine eigene Sektion zum Thema „Reflexion über Praxis“. Da geht es uns weniger um Best-Practice-Beispiele, sondern tatsächlich um eine tiefgehende Reflexion über die Praxis der Musikvermittlung, um die Praxis weiterzuentwickeln und weiterführen zu können. Das heißt also, dass wir uns mit diesen unterschiedlichen Formaten sowohl an Wissenschaftler:innen, als auch an Praktiker:nnen wenden.

Da die Musikvermittlung als wissenschaftlich erforschte Disziplin noch recht jung ist, bereitet die erste Ausgabe des Journals das Feld grundsätzlich auf: „Doing Music Mediation. International Perspectives on a Multi-Faceted Practice“ („Musikvermitteln. Internationale Perspektiven auf eine vielseitige Praxis“). Geben Sie uns bitte ein paar Beispiele.

Axel Petri-Preis: In der ersten Ausgabe hat Hannah Baumann eine Praxis-Reflexion verfasst. Sie macht sich Gedanken darüber, wie hybride Konzertformate aussehen könnten. Sie hat vor einigen Jahren mit ihrem Künstlerinnenkollektiv den Digital Award gewonnen, der vom Wiener Konzerthaus und der mdw ausgeschrieben war. Ausgehend von diesem Projekt führte sie aus, was das Medium des Digitalen, was hybride Ansätze an Neuigkeiten und neuen Zugängen für das Musiker:innenleben bringen können. Ein zweites Beispiel ist von Manuel Cañas Escudero, der in Spanien Inklusionsprojekte umgesetzt hat. Da geht es darum, Menschen mit Behinderungen und auch marginalisierte Communities in Projekte einzubinden und dann gemeinsam musikalische Aktivitäten durchzuführen.

Wie mittlerweile in der Wissenschaft weit verbreitet, wird das Journal in gedruckter Form veröffentlicht und online mit Open Access – die Inhalte sind also für alle kostenfrei zugänglich. Warum war Ihnen das ein Anliegen?

Irina Kirchberg: Dahinter steckt die Idee, dass jeder und jede das Recht auf Zugang zu Kultur hat. Open Source ist da ein ganz inklusiver Ansatz. Allen einen freien Zugriff auf diese Informationen zu ermöglichen, etwa auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen, entspricht ganz dem der zentralen Idee von Kulturvermittlung, die niemanden ausgrenzen will. Das gesammelte Wissen mit allen teilen zu wollen, trifft auch auf unser Projekt zu.

Keinen ausgrenzen zu wollen, ist auch die Devise bei der Wahl der Autorinnen und Autoren. Hier setzt das Herausgeber:innen-Team auf eine Mischung aus Expert:innen und Nachwuchs. Wie funktioniert das im Detail?

Axel Petri-Preis: Uns ist es sehr wichtig, auch sogenannte „Emerging Researchers“ zu fördern, also Leute, die am Anfang ihrer akademischen Karriere stehen und dann auch ihre ersten Texte in unserem Journal präsentieren. In diesem Zusammenhang legen wir Wert darauf, unsere Autor:innen in diesem Prozess sehr gut zu begleiten. Wir haben dafür ein Peer-Review-Verfahren etabliert. Das bedeutet, es gibt für jeden Artikel zwei Gutachter:innen, wobei diese die Autor:innen nicht persönlich kennen – also ein Double-blind-Verfahren. Es geht uns dabei aber nicht darum, wie es etwa in den Naturwissenschaften üblich ist, auszusortieren. Wir wollen die Autor:innen dabei unterstützen, ihre Texte noch besser zu machen.

Wie unterstützt das neue Journal die internationalen Musikvermittlungsstudien und -lehrgänge, die daran ja maßgeblich beteiligt sind?

Irina Kirchberg: Ein weiterer positiver Effekt des neuen Magazins, den ich beobachtet habe, ist, dass wir die Studierenden besser begleiten können. Sie können die Disziplin „Musikvermittlung“ auf vielfältige Weise kennenlernen, bekommen wissenschaftliche Informationen, Einblicke in die Praxisfelder, können sich von starken Persönlichkeiten inspirieren lassen. Gemeinsam können wir so das Curriculum weiterentwickeln und unsere Erkenntnisse mit den Studierenden teilen.

Das International Journal of Music Mediation (IJMM) erscheint bei mdw Press, dem Verlag der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Wie kam es dazu?

Axel Petri-Preis: Wir empfinden es als großes Privileg und Glück, bei mdw Press verlegt zu werden, der von der Universität finanziert wird. Es gab für uns ein offizielles Bewerbungs- und Assessmentverfahren, das heißt, wir haben uns mit unserer Idee beim Verlag beworben und haben das dann dem Beirat präsentiert. Wir drei Herausgeber:innen, das sind Irena Müller-Brozović, Irina Kirchberg und ich, machen das ehrenamtlich im Rahmen unserer Tätigkeit als Professor:innen an den jeweiligen Universitäten.

Welche Themen sind für die nächsten Ausgaben geplant?

Irina Kirchberg: Der Begriff „Music Mediation“ beschreibt einen ganz speziellen Zugang, der nicht dasselbe meint wie Outreach, Audience Development oder Community Music. Diese Aktivitäten unterscheiden sich in vielen Nuancen. Wir werden diesen Begrifflichkeiten und deren Definition eine der nächsten Ausgaben unseres Magazins widmen.

Axel Petri-Preis: Es geht auch in Richtung Professionsforschung, das heißt zu schauen, wie Berufsverläufe von Musiker:innen, aber auch von Musikvermittler:innen sind. Wie steht es um die Arbeitsbedingungen in diesem Feld? Da gab es 2018 eine große Studie und wir versuchen jetzt im Verbund mit weiteren Universitäten, eine Nachfolgestudie anzuschließen. Ziel ist es unter anderem, relevante Argumente in kulturpolitischer Hinsicht zu bekommen, um die konkreten Arbeitsbedingungen für Musikvermittler:innein zu verbessern.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Marie-Therese Rudolph

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Link:
International Journal of Music Mediation (IJMM)

Das International Journal of Music Mediation (IJMM) ist ein interdisziplinär ausgerichtetes, englischsprachiges, double-blind peer-reviewtes Open-Access-Journal, das sich mit Musikvermittlung als hybrider Disziplin in all ihren Facetten befasst. Den Kernbereich des Journals bilden wissenschaftliche Artikel, die den aktuellsten Stand des akademischen Diskurses abbilden. Darüber hinaus steht das Journal auch Praxisreflexionen, Interviews von und mit Praktiker:innen aus dem Feld, Portraits und Tagungsberichten offen, um einen Austausch zwischen Forschung und Praxis zu ermöglichen. Buchrezensionen fördern die Bekanntmachung und kritische Auseinandersetzung mit relevanter, aktueller Literatur zum Thema.

Nr. 1 (2024): Doing Music Mediation. Internationale Perspektiven einer vielschichtigen Praxis

Obwohl es sich bei der Musikvermittlung um eine relativ neue Praxis handelt, hat sie bereits beträchtliche Forschungsaufmerksamkeit erregt. Die meisten wissenschaftlichen Erkenntnisse sind jedoch in erster Linie in nationalen Kontexten verbreitet worden. Zu den jüngsten Bemühungen, die Forschung zur Musikvermittlung zu internationalisieren, gehört die Veröffentlichung des Sammelbandes „Tuning Up! The Innovative Potential of Musikvermittlung“ (Chaker/Petri-Preis 2022) und die Organisation von zwei Konferenzen: „Rencontres Internationales sur les Médiations de la Musique“ (Université de Montréal, 2022) und „Turning Social! On the Social Transformative Potential of Music Mediation“ (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, 2023). Die Gründung des International Journal of Music Mediation (IJMM) zielt darauf ab, auf diesen ersten Schritten zur Internationalisierung aufzubauen und diese weiter voranzutreiben. Das Ziel der ersten Ausgabe ist es, ein gemeinsames Verständnis von Musikvermittlung zu entwickeln.