mica-Interview mit Brosd Koal

„Prost, Karl!“, hat der junge Karl Schwamberger während seiner Zeit in einer Blasmusikkapelle oft gesagt bekommen. Später gründete der in Wien lebende Oberösterreicher eine Band namens Brosd Koal, die sich jedoch nach vielversprechendem Beginn wieder auflöste. In den letzten Jahren sorgte er mit seinem Soloprojekt Laokoongruppe, das stilistisch von Techno bis Volksmusik und Jazz ungemein breit gefächert war, für Furore. Inzwischen ist aber auch Brosd Koal in neuer Besetzung wieder aktiv. Unlängst erschien das späte Debütalbum „1“.  Sebastian Fasthuber hat Schwamberger und seinen Bandkollegen Klaus Makotter befragt.

Karl, Brosd Koal hat es bereits gegeben, lang bevor du unter dem Namen Laokoongruppe Musik gemacht hast? Wie weit geht das zurück?
Karl: Bis um 2000, vielleicht sogar 1999. Das war damals eigentlich nur ein lockerer Zusammenschluss von sechs Freunden, die herumprobiert haben. Es hat eine Demo-CD gegeben mit acht, neun Nummern, aber mehr ist daraus nicht geworden. Dabei hatten wir schon einen mündlichen Vertrag mit Trikont für ein Album gemacht gehabt. Aber die meisten Bandmitglieder hatten an dem Punkt andere Interessen, es haben sich der Reihe nach alle außer mir absentiert. Das einzige, was von uns zu der Zeit erschienen ist, war eine Nummer auf dem „Im Sumpf“-Sampler „Musik, zu gut für diese Welt Vol. 2“.

Schlimm für dich als Songschreiber?

Karl: So tragisch war das nicht. Das Ende der Band war mit ein Grund dafür, dass ich dann mein Zeug als Laokoongruppe gemacht habe. Ich habe mir gedacht: Ein Soloprojekt ist weniger kompliziert.

Wie bist du dann auf die Idee gekommen, Brosd Koal wiederzubeleben?
Karl: Das muss vor zwei Jahren gewesen sein. Irgendjemand hat mich auf Facebook gefragt, was eigentlich mit Brosd Koal ist. Daraufhin habe ich mich wieder mit dem Robert Haitzinger getroffen, der früher Schlagzeug in der Band gespielt hat und jetzt mehr Elektroniksachen macht. Wir haben ein bisschen herumprobiert und in der Folge habe ich mit umgehört, wer noch mitspielen will.

Spielt ihr jetzt in anderer Besetzung?
Karl: Ja, von der damaligen Besetzung sind noch drei Leute übrig. Eben der Robert. Dann der Jens Gerö, der damals Xylophon gespielt hat und jetzt Schlagzeug spielt. Ich bin mehr oder weniger gleich geblieben als Songschreiberling und Sänger. Dazugekommen sind der Klaus, mit dem ich in der Zwischenzeit die Euroranch- und Betonklub-Partys gemacht habe und der extra Akkordeon-Spielen gelernt hat.
Klaus: Aber nur das Notwendigste.
Karl: Der fünfte Mann ist Lukas Ertl, unser Gitarrist. Wobei der gerade in Karenz gegangen ist.

Was war die Motivation für Brosd Koal neu? Hat es damit zu tun, dass du als Laokoongruppe lang genug alleine Musik gemacht hast?
Karl: Eigentlich nicht. Wir hatten auch gar nicht den Plan, die Band wieder längerfristig zu betreiben. Wir wollten einfach nur schauen, ob wir mal ein Konzert spielen können. Nach zweieinhalb Konzerten und einigen neuen Song-Layouts haben wir uns gedacht: Jetzt könnten wir auch gleich ein Platte machen.
Klaus: Ich habe das ein bisschen forciert. Nachdem schon wieder eine kleine Pause war, habe ich gesagt: Ich will erstens üben, zweitens live spielen und drittens eine Platte aufnehmen. Ich wollte nicht, dass Karl wieder alleiniger Motor sein muss. Darum bin ich etwas aktiver geworden.
Karl: Wir haben dann nach einem Label gesucht und auch schnell eines gefunden. Ich glaube, ich habe die Demos nur an drei Leute geschickt. Wohnzimmer wollte es gleich machen. Seither ist Brosd Koal ein Selbstläufer geworden. Wir haben zu unserer Überraschung für die Platte auch eine Musikfonds-Förderung bekommen.
Klaus: Viel Geld eigentlich.
Karl: Ja, durchaus. Und jetzt gibt’s uns halt wieder und wir schauen, dass ein bisschen was weitergeht. Ab Herbst wollen wir wieder vermehrt spielen und auch eine zweite Platte ist sicher denkbar.

Wie verhält sich die Band zu deinem Soloprojekt? Ein großer Unterschied ist schon einmal, dass du als Laokoongruppe hochdeutsch singst und bei Brosd Koal im breitesten oberösterreichischen Dialekt.
Karl: Es gibt keinen großen Zusammenhang zwischen den beiden Projekten. Manche musikalische Elemente ähneln sich, etwa die Blasmusikelemente, die sich aus meiner Musikbiografie erklären. Vielleicht überlappt es sich manchmal, aber die Laokoongruppe ist viel artifizieller. Und textlich haben Brosd Koal und Laokoongruppe überhaupt nichts miteinander zu tun. Außerdem sind wir in der Band zu fünft, da kommen ganz unterschiedliche Einflüsse zusammen.

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Du hast gesagt, die Laokoongruppe ist artifizieller. Schreibt sich so ein Brosd-Koal-Dialektsong leichter?

Karl: Das kann ich so nicht sagen. Das Schreiben ist manchmal  recht kompliziert, weil ich im Dialekt über ein reduziertes Vokabular verfüge. Er singt sich allerdings definitiv leichter, weil diese oberösterreichische Mundart einfach meine Muttersprache ist – das Idiom, mit dem ich aufgewachsen bin.
Klaus: Ich habe das Gefühl, dass beim Dialekt schneller mal was in die Hose geht oder etwas blöd klingt.
Karl: Die Texte sind nicht zuletzt deshalb so reduziert, weil ich diese typische Austropop-Sprache vermeiden wollte. Man könnte ja auch diese Storytelling-Schiene bedienen, die für mich aber nicht funktioniert. Meine Texte setzen sich zusammen aus den allergrundlegendsten Wendungen in einem rustikalen Bauerndialekt.

Die Texte klingen auch ein bisschen wie aus vergangenen Zeiten, mitunter wie Schilderungen von bäuerlichem Alltag. Handy kommt in den Texten jedenfalls keines vor.
Karl: Das habe ich mir so noch gar nicht überlegt, aber das stimmt wohl.
Klaus: Vintage-Dialekt!
Karl: Es werden auch keine Themen verhandelt oder Meinungen ausgetauscht, was in einem so reduzierten, sehr funktionellen Dialekt auch gar nicht richtig geht.
Klaus: Aber ich will nicht, dass es als nostalgisch bezeichnet wird, was wir machen.
Karl: Nein, gar nicht. Ich sage ja nicht: Super war das, damals im beginnenden 20. Jahrhundert, als sie am Land noch gehungert haben. Es ist einfach ein lyrisches Aneinanderreihen von Dingen, ein Sprachfluss. In der Literatur würde ich da am ehesten an die Wiener Gruppe oder H.C. Artmann denken.

Man kann also einmal zusammenfassen: Textlich herrscht Reduktion vor. Musikalisch jedoch schöpft die Band aus dem Vollen. Woraus ergibt sich das?
Karl: Songmaterial und Text kommen von mir. Die Fülle, die du erwähnst, verdankt sich der Produktionsweise. Robert und ich, wir haben uns zu Hause hingesetzt und am Laptop ein Basis-Rückgrat gebaut. Dann haben wir uns den Lukas dazugeholt, er hat Vorschläge gemacht. Der Klaus war teilweise schon mit seinem Akkordeon bei mir zu Hause. Die Schlagzeug-Parts haben sich beim Proben ergeben. Und das Live-Spielen hat auch einiges bewirkt.

Wie habt ihr die Platte aufgenommen?
Karl: Take für Take. Zuerst Bass und Schlagzeug, danach alles andere dazu. Und am Ende habe ich zusammen mit Martin Siewert im Studio noch einiges gebastelt und umgebaut. Vom Prozess her also gar nicht so unkompliziert. Auch das Soundtechnische hat seine Zeit gebraucht, wobei ich da schon vom Laokoonzeugs profitiert habe. Und der Martin hat total viel Erfahrung, von Pop bis zu experimentellsten Sachen. Ich finde, wir haben ein recht organisches Ding hinbekommen, obwohl so viele Elemente enthalten sind. Ohne das Geld vom Musikfonds wäre sich das mit dem Studio allerdings niemals ausgegangen.
Klaus: Im Gegensatz zu einer klassischen Gitarrenband steht uns sehr viel zur Verfügung: Xylophon, zwei Schlagzeuge, Bass, Gitarre, Mundharmonika, Akkordeon, vier Bläser, Keyboard. Da kann man viel probieren, welches Instrument wo besser passt. Ich habe es aber als lustig oder lustvoll empfunden, anders als bei Elektronikern, die ein Jahr lang wie besessen tüfteln, bis sie den richtigen Sound gefunden haben.

Wie ergänzen sich die Bandmitglieder musikalisch?
Klaus: Wir zwei sind uns da schon sehr ähnlich. Karl und ich haben eine Zeit lang gemeinsam Minimal Techno aufgelegt. Irgendwann ist aber immer mehr Country-Music reingekommen. Am Ende haben wir bei der Regionale in der Südoststeiermark mit einer riesengroßen Blaskapelle Techno gespielt.
Karl: Techno und Volksmusik, das waren die zwei Pole damals zu Euroranch-Zeiten.

Das hat aber noch mehr miteinander zu tun als Volksmusik und Gitarrenrock, wie ihr es jetzt zeitweilig praktiziert.

Karl: Das kommt eher vom Lukas, unserem Gitarristen. Der Jens, unser Schlagzeuger, ist ein sehr informierter Musikhörer. Und auch der Robert hat einen sehr breiten Horizont.

Es gibt ein paar Momente auf der Platte, da geht es in diese hymnische Richtung. Ich sage einmal: Arcade Fire.
Klaus: Auf Facebook hat jemand geschrieben: „Die Eferdinger Arcade Fire“. (Lacht)
Karl: Oberösterreichische Calexico könnte man auch sagen. Wobei uns in Wirklichkeit Arcade Fire lieber ist. Egal: Das Hymnische entsteht wohl dadurch, dass man die volle Bläser-Panier plus Schlagzeug plus Gitarre zur Verfügung hat. Und die Summe von dem allen taugt allen, die dabei sind.

Gibt es Gebote oder Verbote in der Band?
Karl: Nein, überhaupt nicht. Höchstens ein Peinlichkeitsverbot: Es soll nicht platt rockistisch klingen. Auf der anderen Seite soll es auch nicht  zu intellektuell rüberkommen. Klaus ist noch am ehesten der, der bei einer Probe sagt: Bitte, des ned!
Klaus: Das war auch bei der Euroranch schon das Programm: Es gibt in allen Stilrichtungen was Gutes. Außer in der Operette und im Goa, oder wie das heißt. (Lacht)
Klaus: Im besten Fall amalgamiert sich das alles zu einer Musik, die man so noch nie gehört hat. Wobei das gar nicht einmal unser großer Anspruch ist.

Macht es die stilistische Vielfalt nicht schwer, das Ding zu vermarkten? Es sind in den letzten Jahren viele Dialektsachen entstanden, die aber meistens einen gewissen Schmäh bedienen und eine klare Linie haben. Ihr habt die nicht.

Karl: Es lässt sich tatsächlich nicht leicht positionieren. In Genreradios passen wir nicht wirklich rein. Auf FM4 gibt es keine Rotation. Es ist schwer zu beantworten, woran das liegt. Vielleicht muss man, weil Brosd Koal stilistisch so breit gefächert ist, schon einen gewissen musikalischen Background mitbringen, um was von der Musik zu haben. Aber das glaube ich nicht einmal. Die Leute haben hierzulande ein unglaubliches Bedürfnis danach, etwas zu positionieren und genau zu benennen. Ich frage mich, ob man das einen internationalen Act wie Beirut auch fragen würde.
Klaus: Das Ziel war aber auch nicht, erfolgreiche Musik zu machen.
Karl: Sondern die beste Platte, die wir in den letzten zehn Jahren gehört haben.
Klaus: Und wenn sie noch jemand gefällt, ist es gut – und wenn nicht, dann haben wir Pech gehabt.

Fotos: Selina de Beauclair

 

http://brosdkoal.bandpage.com/