Vier Jahre ist es her, dass die Münchner Rapperin EBOW ihre erste Platte veröffentlichte. Nun ist sie Wahl-Wienerin geworden und hat fleißig an Ihrem zweiten Werk gearbeitet. „Komplexität“ (Problembär Records) ist roh, modern, nostalgisch und vor allem gesellschaftskritisch!
Ebru Düzgün aka Ebow ist Münchnerin mit türkischen Wurzeln. Früher rappte sie, wo sie nur konnte. In Bahnhofshallen, im Waschsalon oder einfach nur auf der Straße. Und später dann auch im Studio und auf Bühnen. 2013 erschien ihr erstes Album „Ebow“, in dem sie mit zwölf Songs ihre Botschaft zementierte: Unsere Gesellschaft ist schräg, seht ihr das denn nicht?
Und auch auf der neuen Platte „Komplexität“ spricht sie genau jene Fehler, Missverständnisse und Kuriositäten an, die man tagtäglich in den Medien und im eigenen Umfeld beobachten kann. Es geht um die Flüchtlingskrise, um Männer und Frauen, die türkische Kultur im Exil und natürlich um Feminismus. Letzterer wird vor allem auf dem Song „Punani Power“ gefeiert. „Punani“ ist eine Art Kosewort für „Vagina“ und wird vor allem von den Pazifik-Insel-Bewohnerinnen und Bewohnern benutzt.
Durch das Internet wandelte sich diese Bezeichnung zu einem geflügelten Wort, mit dem man auch eine attraktive Frau benennen kann. Wenn man übrigens Probleme mit dem Verständnis der Songtitel hat, weil eben Worte wie „Punani“, „Lan“ und „Baba Bak“ vorkommen, dann weiß man, dass einem die Jugendsprache langsam entgleitet. Aber das ist nicht schlimm, denn dafür hat man ja talentierte RapperInnen, die einem die junge Welt erklären können.
„Du willst ein Gangster sein, weil das so männlich ist. Aber ein echter Gangster ist Feminist.“
„Punani Power“ ist eigentlich recht sinnbildlich für das ganze Album. Ebow verbindet eine Art Oldschool-Deutsch-Rap, wie er in den 1990er-Jahren zu hören war, mit modernen Beats, Effekten und natürlich sehr aktuellen Themen. „Du bist ein kleiner Junge, der nie geweint hat. Und hin und wieder fühlst du dich halt einsam. Du willst ein Gangster sein, weil das so männlich ist. Aber ein echter Gangster ist Feminist“, rappt sie auf „Punani Power“. Es sind geniale wie auch einfache Textzeilen, die das Problem eines veralteten Männlichkeitsbildes auf den Punkt bringen.
Und nicht nur da ist sie spot on, wie man auf Englisch sagen würde. Immer wieder findet Ebow die richtigen Worte. „Wir sind wert, was uns ein Pass an Wert gibt”, heißt es im letzten Song „Asyl“. Hier kreidet sie nicht nur die aktuelle Asylpolitik, sondern auch die moderne westliche Gesellschaft an. Sie bezeichnet sie als eine „Welt, wo alles digital ist“, und in der man leicht seine eigenen Werte verlieren könne.
Dass die Ü-20er selbst zwischen der schönen, weiten digitalen Welt und den Vorstellungen ihres älteren Umfelds hin- und hergerissen sind, ist ihr klar. Zwischen den Zeilen kann man es auf ihrer Webseite herauslesen, wenn sie Bilder von professionellen Fotoshootings mit ironischen Unterschriften wie „Voll sponti Foto“ betitelt. Und das auf einer Internetseite, die mit ihrer Scroll-down-Mechanik nicht moderner und cooler sein könnte.
Das Album „Komplexität“ fasst das Gefühlschaos als Ganzes perfekt zusammen. Lieder wie „Paradise“ und „Live aus Dubai“ erzählen von komplexen Lebensgeschichten, doch Ebow ist eine Kämpferin, die absolut hinter der eigenen Message steht. Sie glüht fast vor Selbstbewusstsein, das sie unter anderem auf „Bad Lan“ feiert. Und eines ist ganz klar: Diese türkischstämmige Rapperin und Feministin ist eine Milliarde Mal cooler als alle Möchtegern-Gangster da draußen.
Anne-Marie Darok
Ebow live
17.11.2017 AT, Wien @ Flex w/ Squalloscope
24.11.2017 DE, München @ Downtown Flash
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