YOUNG KRILLIN hat Cloud Rap erfunden*. Im Interview mit Stefan Niederwieser erzählt er von Rap, der ihn dazu inspiriert hat, von ehrlichen Tracks, vom Krebs und den besten Untersatz, den man sich vorstellen kann.
Wie ist “M1 Ridey“ entstanden?
Young Krillin: Ich kenne Influencer Dave von der Veranstaltungsreihe Rapper lesen Rapper, bei der Raptexte interpretiert werden. Er hat mich dann gefragt, ob wir etwas gemeinsam machen. Der Beat ist von Fid Mella, vielleicht war es also auch seine Idee. Ich bin schon oft von Leuten darauf angesprochen worden, sie kennen mich über diesen Track und hatten vorher keine Ahnung, wer ich bin.
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Ist das Sozialsystem der beste Ride?
Young Krillin: Ah, wie geht die Line? „OG Young Krillin, mein Game viel zu tight, meine Bana san hin. Doch mei Ride is der beste vastehst, I man des Sozialsystem wurde finessed.” Ein kleiner Spaß. Danke an das Sozialsystem. Ist ein super Rollstuhl!
Was steht bei dir an?
Young Krillin: Crack Ignaz und ich machen neues Material. Von Fid Mella und mir liegt einiges schon länger herum, das macht aber nichts, ist nämlich immer noch geiles Zeug. Und mit Mosch habe ich auch eine ziemlich coole Freundschaft aufgebaut [siehe Album Ziemlich basede Freunde, Anm.]. Es gibt einige andere Leute, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde, aber ein ganzes Album mit hundert Parts von verschiedenen Rappern einholen, das ist halt extrem zache Arbeit.
Wie kam die Kollaboration mit Frauenarzt zustande?
Young Krillin: Das hat mich voll gefreut. Frauenarzt war ein sehr inspirierender Rapper – aus denselben Gründen wie Moneyboy. Alles selbst machen, darauf scheißen, was andere cool finden. Diese ganzen Sex Rap-Sachen, das war cool. Textlich kann man natürlich darüber streiten, aber es gibt Schlimmeres.
Gibt es?
Young Krillin: Sehr viel Schlimmeres.
Wie hat sich dein Stil verändert?
Young Krillin: Ich habe eigentlich nie dasselbe gemacht, sondern immer parallel ganz verschiedene Sachen gemacht. Ich wollte so eigenständig wie möglich sein mit sehr vielen Referenzen wie in einem Patchwork. Wenn du einen Track von mir hernimmst, kann ich dir bei jedem Element aufschlüsseln, woran das angelehnt ist. Ich möchte alles, was ich mag, unter einen Hut bringen.
Was war das früher?
Young Krillin: Mich haben diese Sachen aus Huntsville, Alabama, interessiert, zum Beispiel die Block Beataz. Souljah Boy hat Mixtape auf Mixtape gemacht und dabei über neue Beats, selbstgemachte Beats oder über etwas Geflauchtes gerappt. Coole Attitüde. Asap Rocky, Main Attractions, natürlich Lil B. Wir sind auch oft mit Yung Lean aus Schweden verglichen worden. Das alles war im Geist miteinander verwandt und kein normaler Rap.
Es gab legendäre Facebook-Gruppen.
Young Krillin: Fix. Das war lustig. Wir haben Memes auf dem Account von Hanuschplatzflow gemacht. Vieles war so formuliert, dass es ironisch gewirkt hat, aber ernst gemeint war. Wir haben andere Rapper verarscht. Diese Post-Ironie ist durch diese Meme-Kultur im Netz entstanden. Und das hat unsere Musik beeinflusst und wie wir uns im World Wide Web präsentiert haben. Das war nicht bewusst, sondern einfach unser Mindset. Du bist online und auf Twitter und bekommst das eben mit.
„Das war lustig. Beef!“
Wie haben sich Hanuschplatzflow, die Berg Money Gang und der Swag Mob zueinander verhalten?
Young Krillin: Hanuschplatzflow war unser Freundeskreis. Es gab einen Blog, der so nach einem Track von Drexor geheißen hat. Später sind andere Leute wegen der Musik dazu gekommen. BMG wurde von Coaster Mob aus Süddeutschland gegründet. Money Boy und der Swag Mob waren eher die Feind-Gruppe. Das war lustig. Beef! Sie haben sich aus irgendeinem Grund bedroht gefühlt, weil nicht mehr nur sie existieren. Bei Konzerten von Moneyboy haben sie einen Chor eingestimmt, Fuck BMG und Diss-Videos gemacht. Dies das. Ich war cool mit Money Boy. Aber drumherum gab es eine ziemlich toxische Community.
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„Ich kenne Leute, die schon mit 18 Jahren sehr woke sind. Ich war leider nicht so.“
Es gab Vorfälle.
Young Krillin: Einiges! Hip Hop allgemein ist eine ziemlich toxische Subkultur. Natürlich nicht alle. Aber gerade in dem Kreis war da viel Scheiße auch. Ich meine Geschichten mit Groupies und Minderjährigen. Ich will mit all dem gar nichts mehr zu tun haben. Ich habe damals nicht so reflektiert, welche Implikationen das hat. Wenn du älter bist … bei mir hat das zu lange gedauert. Ich kenne Leute, die schon mit 18 Jahren sehr woke sind. Ich war leider nicht so. Das war die Zeit, wo das Internet viele Leute desensibilisiert hat und das dann zu viel geworden ist.
Warum gab es so wenige Frauen im Rap?
Young Krillin: Diese ganzen Crews sind durch Freundeskreise entstanden. Für mich war das lange etwas, für das sich nur Nerds interessiert haben.
Habt ihr Cloud Rap gemacht?
Young Krillin: Es war kein klassischer Hip Hop. Wir hatten verschiedenste Einflüsse und eine Do-It-Yourself-Attitüde. Es ist schwer zu beschreiben. Man fühlt das halt. Am Anfang hat es mich gar nicht zaht, wenn andere Cloud Rap dazu gesagt haben. Für mich war Cloud Rap, was die Amis machen. Sie waren eine Inspiration für uns, aber trotzdem etwas anderes. Irgendwann ist Cloud Rap hier bei uns ein viel ärgerer Begriff geworden. Und jetzt ist das für mich klar das deutschsprachige Ding.
Ist Cloud Rap dein Baby?
Young Krillin: Cloud Rap ist mein Baby, ich habe das erfunden. [lacht]
Warst du immer der Lustigste von allen?
Young Krillin: Ich finde schon. Checkt halt keiner.
Wie kam es zu deinem Alias DJ Crazy Legs?
Young Krillin: Einfach, weil ich nicht laufen kann. Und es witzig ist, wenn man dann Crazy Legs heißt. Keine Ahnung. [lacht]
Kürzlich warst du auf einem Men’s Health Cover?
Young Krillin: Das war von Mob Industries gefaket, einem Wiener Modelabel, die eine Kollektion für Rollstuhlfahrer und andere Menschen mit Behinderung gemacht haben. Das Cover war eine Promo.
Du gehst offen mit deiner Krebsdiagnose um.
Young Krillin: Ich habe immer sehr ehrliche Tracks gemacht, aber eher poetisch über meine Emotionen geschrieben. Wenn du mich privat fragst, mache ich keinen Hehl daraus. Aber ich habe es nicht immer in die Musik einbringen wollen. Mittlerweile rappe ich auch über den Krebs.
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Was ist Selfmurk?
Young Krillin: Ah, Crack Ignaz hat einen Fluss an Tweets rausgelassen, so ungefähr: An alle, die depressiv sind, hört auf damit, seid stark, ihr müsst euch da rausziehen! Deswegen habe ich geschrieben, ob ich Selfmurk machen soll. Er hat gesagt, nein. Früher war Twitter ein bisschen wilder Westen. Wir haben uns damals schon darüber unterhalten, dass Späße zu weit gehen können, aber es war trotzdem ganz cool. Mir kommt immer mehr vor, es gibt kein gesundes Mittelmaß mehr, entweder sind die Leute super korrekt oder misogyn oder Nazis.
Du hast dort auch Fluoxetin erwähnt?
Young Krillin: [zögert] Venlafaxin war echt ein Kampf, Oida. Das ist ein Antidepressivum, das ich mehrere Jahre über genommen habe, weil es mir früher nicht so gut gegangen ist, und ich bin einfach nicht davon wegkommen. Die Absetzsymptome sind schlimm. Darauf wollte ich nicht hängen bleiben. Es war nicht leicht. Jetzt bin ich dank Fluoxetin weg. Und hoffentlich bin ich bald von allem weg.
Und Cockta?
Young Krillin: Geiles Jugend Getränk. Das war ein Ami Rap Ding, so etwas auf ein Albumcover zu geben. Ich mag Farben, Logos, Designs, auch aus der Werbung. Das finde ich ästhetisch ansprechend.
Bist du bekannt in Salzburg?
Young Krillin: Schon.
Ist Heinz Fischer für das gemeinsame Foto auf dich zugekommen?
Young Krillin: Der war an der Salzach. Ich weiß nicht, warum er da war. Ich bin einfach zu ihm hinübergefahren.
Wann errichtet Salzburg endlich eine Statue für Young Krillin?
Young Krillin: Es wird endlich Zeit, finde ich. Es gibt schon so viele von Mozart, sie könnten echt eine gegen mich austauschen.
Danke für das Interview!
Stefan Niederwieser
„Session04“ von Young Krillin & Mosch erscheint am 21.4.2023.
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*Cloud Rap wird mittlerweile vor allem als deutschsprachiges Phänomen verstanden. Wikipedia meint dazu: “Stilbildend war 2009 das Album 6 Kiss des US-amerikanischen Rappers Lil B.” Drei Jahre später gründeten sich etwa zeitgleich die Sad Boys in Schweden um Yung Lean und das Kollektiv Hanuschplatzflow in Salzburg. Im Mai 2012 erschien das Swag Tape von Crack Ignaz und im Dezember 2012 der Sampler “Gwantanomo Vol.1“ von Young Krillin. Im selben Jahr erschien auch „Bullies in Pullies GP“ von Crack Ignaz und Young Krillin. Die frühesten Releases von Yung Lean sind erst später erschienen
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Links:
Young Krillin (bandcamp)
Young Krillin (Instagram)
Young Krillin (Twitter)
Young Krillin (Youtube)
Mob Industries