„Rohmüch“ heißt das bereits in der dritten Auflage erschiene Debut-Album von Herwig Rogler alias „Herodin“, dem salzburger Singer-Songwriter mit dem eleganten Hut als Markenzeichen. „Rohmüch“ ist das weiße, schaumige Zeug, das z. B. bei einer Kuh direkt in den Kübel hineingemolken wrd: warm, nicht ultrahocherhitzt, unsteril, unhomogenisiert und genauso direkt versteht der Musiker sich künstlerisch, wohl besonders auch was seine Sprachauswahl betrifft, nämlich Dialekt.
Es erklärt sich sehr einfach, warum Dialekt zu texten oft eine gute Wahl ist, denn Mundart ist gnadenlos demaskierend. Man muss quasi so dichten, dass man (außer man will das Gegenteil bewirken) unpeinlich ausdrückt, was man zu sagen hat. Peinliches oder Klischees identifiziert der Urheber sofort (meistens) im Gegensatz zu einer Fremdsprache, die man manchmal schlichtweg zu wenig in seinen Ausdrucksgepflogenheiten beherrscht, um Wortspiele zu betreiben, zynisch/ironisch zu sein, starke Metaphern zu schaffen oder über tiefe Gefühle zu singen. Wie bei der Milch, wo manch verdickter Brei kaum mehr an den Lebensquell des Originales für Neugeborene erinnert.
Direkt und unpeinlich kommen die Texte von Herodin daher: feinsinnig gereimt mit Niveau. Verschiedene Lebensphilosophien werden laut durchgedacht, ohne den Hörer zu nerven. Den Umgang mit dem Schlagwort „Lass los“, welches oft undefiniert unkonstruktiver „nonaned – oba wie?“ Ratschlag sein kann, greift er instrumental auf und erhebt sich nicht als altkluger Neuerfinder des Rades samt Weisheit auf’s Auge drücken. Vielmehr lässt er die Melodie entscheiden, ohne die Antwort schuldig zu bleiben wenn man genau hinhört.
„Auße“ ist ein wunderschönes, ausarrangierte Dialektlied mit starken, gut gewählten Lyrics und natürlicher Singstimme. „Wos aussi muaß, muaß aussi“ ermutigt, sich zu öffnen und selbstbewusst wesentliches Inneres nach außen zu tragen auch auf das Risiko hin, im schlimmsten Fall das Leben wie es ist, wieder zu spüren. Das Lied verdient besondere Beachtung, meine nicht nur ich.
„Hoamat“ besingt die seine, nämlich Salzburg, mit griffigen verbalen Bildern. Der Song ist ein unbeschönigtes Liebesgeständnis an das ehemalige Bistum abseits von Mozartkugeln und Nockerln. „Vielleicht is ois, wos anders is, a guats Zeichen“. Das ist Herodins Umgang mit den Veränderungen der Stadt über die Jahre, vor allem aber listet er die touristisch schlecht verkaufbaren Schwächen selbiger auf als Besonderheiten, die er lieb gewonnen hat bzw. sucht hinter jedem „Nebelreissen“ den Klang der durchklingenden Kirchenglocken – eben die Attitude, die wahre Liebe ausmacht, ohne zu werten und zu vergleichen.
Und sind wir nicht alle ein bißchen „Mei o mei“ (gleich dem zweiten Titel des Albums), wenn es um die Ironie des eigenen Daseins geht, die Zweigesichtigkeit des Handelns, Luxus, Skrupellosigkeit, Augen-zu, Ohren-zu, Mund-zu Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit, Ignoranz, Lethargie, Selbstgefälligkeit und Selbstbeweihräucherung? Treffend formuliert Herodin, wie sich ein gepflegtes „Mei o Mei“ identifizieren lässt und wie schnell es gehen kann, dass man eine kleine, selbstgebaute Lebenslüge lebt.
„Ois wird guat“ meint ähnlich richtig: „“Wennst immer nur an morgen denkst und sonstn nur im Gestern hängst wirst irgendwann die Flamm verlieren“ und setzt sich mit der Begrifflichkeit des hippen „Leben im Jetzt“ auseinander, ohne dem weit verbreiteten Missverstehen als Konsumrausch, Lethargie, Planlosigkeit Nährboden zu bieten. Ein Denker, wie es schein, ist da am Werk.
Gitarrenstücke, die ein geschmeidiges Feeling verbreiten, wechseln sich mit Betexteten Nummern ab und bedienen Jazz, Pop, Latin, … was dem Moment dienlich ist. Herodin und die Gitarre, dieses Duo genügt für die vielen Ideen und funktioniert. Ein sehr schönes Album, und speziell, da es das Erstlingswerk ist, kann man schon den Hut ziehen und die Klänge und Worte genießen! Wohl bekomm’s! (Alexandra Leitner)
Foto Cover: Herwig Rogler
Foto Herodin: Jasmin Schuller