Die Band GLEE veröffentlicht Ende Juni 2022 ihr Debüt-Album „Alrite“: Im Interview mit Jürgen Plank erzählen MAX RITTER und RAINHARD SÜSS vom Produktionsprozess, denn aufgenommen wurde in einem Home-Recording-Studio in der Steiermark. Dort und in Wien wird GLEE das Album live präsentieren. Ein Gespräch über psychedelische Rockbands, über Crosby, Stills, Nash & Young und Querverbindungen zwischen Musik und Literatur – und immer wieder werden die Beatles angesprochen.
Welche Soundästhetik wolltet ihr für euer Debüt-Album?
Max Ritter: Das ist eine sehr gute Frage, denn es ist aus vielen Erfahrungen heraus, die wir gemacht haben, entstanden, dass wir in eine andere Richtung gehen wollten als sonst: wir wollten es unperfekt machen. Wir haben den Anspruch gehabt, als Band dafür einzustehen, wie wir gerade klingen. Wir haben beim Aufnehmen die Verstärker im selben Raum stehen gehabt wie die Drums, um eben diesen alten und nicht ganz perfekten Sound zu bekommen. bleeding, das Überlagern von Klängen, haben wir akzeptiert. Das gab es schon bei den Beatles und das haben wir gezielt aufgegriffen. Es war eine sehr schöne Erfahrung so zu arbeiten.
Habt ihr im Proberaum aufgenommen?
Rainhard Süss: Nein, wir waren bei einem guten Freund, der auch das Label Post Office Records hat. Gabriel, er spielt in der Band Jigsaw Beggars, hat ein kleines Häuschen in der Südsteiermark, in das er sich ein Studio eingebaut hat. Da waren wir für zwei, drei Tage und haben die Session am Stück eingespielt.
Max Ritter: Der Aufnahmeraum ist sehr entscheidend, denn wir proben bei mir in der Wohnung, mit einem kleinen Drumset, auf Zimmerlautstärke. Und wir haben uns vor dem Aufnehmen gedacht, dass es unklug wäre, in ein fettes Studio zu gehen und lauter zu werden als wir sind. Dann würden wir nicht mehr so klingen, wie wir uns das erarbeitet haben. Wir haben dann im Prinzip die vibes des Proberaums, so wie sie sind, in das Wohnzimmer-Studio von Gabriel verfrachtet und dann so eingefangen.
„Wir sind uns nicht zu schade auch mal C-Dur oder G-Dur offen zu spielen, wenn es der Song braucht“
Was war vor glee?
Rainhard Süss: Wir beide, Max und ich, machen schon länger miteinander Musik. Wir hatten die Band Solar Blaze, die ist dann im Jahr 2018 erodiert und wir sind übriggeblieben und wollten weiter Musik machen. Kurz vor der Pandemie haben wir Adrian als Schlagzeuger gefunden und so ist dann das Album relativ schnell entstanden.
Max Ritter: Ein wichtiger Schlüssel zum Verstehen des Sounds auf dem neuen Album, ist die alte Band. Mit der haben wir jahrelang versucht, Musik zu kreieren, die möglichst kompliziert ist und möglichst hart und schnell. Das hat uns technisch und musikalisch eigentlich überfordert. Das Album, das wir jetzt veröffentlichen, ist die krasse Gegenbewegung dazu: wir sind uns nicht zu schade, auch mal C-Dur oder G-Dur offen zu spielen, wenn es der Song braucht. Und das fühlt sich gut an.
Der Pressetext zum Album erwähnt die Band Crosby, Stills, Nash & Young. Warum referenziert ihr auf diese Gruppe?
Rainhard Süss: Für uns ist die Musik von Crosby, Stills, Nash & Young eine Art Komfortzone, zu der man zurückkommen kann, einfach wunderschöne Musik. Wir haben ja vorhin erzählt, dass wir möglichst komplexe Musik machen wollten, die rockig und hart ist und auch Taktwechsel beinhaltet.
Jetzt geht es hin zu einer Musik, die möglichst einfach ist und sich auf Stimmen fokussiert. Auf dreistimmigen Gesang. Wir haben gemerkt, dass uns das viel wichtiger ist als verzerrte Gitarren. Gerade bei den Vocals der vier Herren von damals, kann man sich viel abschauen.
Max Ritter: Auch beim Songwriting. Man kann deren Musik nebenbei hören und sich denken: ja, das ist ganz nett. Aber wenn man genau hinhört, merkt man, dass da viel passiert und die Songs nicht einfach eine Abfolge von Strophen und Refrains sind. Da passiert sehr viel und die Musik kommt trotzdem so daher, als würde sie dich umarmen, gerade mit den Harmonien. Wir haben diese Musik so viel gehört, dass sie Teil unserer musikalischen DNA ist.
„Ich finde es schön, dass wir zum einen Led Zeppelin, Beach Boys und Crosby, Stills, Nash & Young und zum anderen auch Einflüsse von Billie Eilish verarbeiten können“
„Psychedelic Rock“ steht als Überschrift über eurer Musik. Früher haben psychedelische Bands mit Sounds experimentiert. Ich denke etwa an das Album „Pet Sounds“ von den Beach Boys, auf dem ein Theremin vorgekommen ist. Bei euch ist mir einmal der sehr markante Einsatz von Streichern aufgefallen.
Max Ritter: Ja, auf jeden Fall. Die haben wir hineingenommen, um das cheesyness-Level aufzudrehen. Wir haben uns entschieden, in einem Raum aufzunehmen und das bleeding zu akzeptieren und das ist auch schon ein Experiment. Wir haben uns bei den Drums für ein winziges Set entschieden, damit es sanft wird. Wenn man tiefer geht, sieht man schon, dass wir uns von moderneren Produktionstechniken inspirieren haben lassen. Der Produzent von Billie Eilish hat in einem Interview erzählt, dass er bei einem Song kaputtes Glas zur hookline dazu geschnitten hat. Ich finde es schön, dass wir zum einen Led Zeppelin, Beach Boys und Crosby, Stills, Nash & Young und zum anderen auch Einflüsse von Billie Eilish verarbeiten können.
Ihr habt im Lied „Purple“ auch einen O-Ton eingebaut. Was ist das?
Max Ritter: Das ist der Schlüssel zum Verstehen dieses Albums, glaube ich. Im Stück „Purple“ ist das eine Soundcollage, die aus dieser William Burroughs-Ecke kommt. Ich bin sehr inspiriert von seiner künstlerischen Arbeit und habe da ein Interview von Joni Mitchell als Basis genommen. Sie spricht darüber, dass Bob Dylan sich quasi eine Figur kreiert hat, die seine Songs für ihn singt. Das fand ich auch für unsere Musik interessant: wir haben uns auch Figuren kreieren müssen, die es zulassen so cheezy zu sein, wie wir jetzt sind. Joni Mitchell kommentiert Dylan, aber das passt auch sehr gut zu uns.
Die Geige bei „Purple“ hat die Nummer auf ein ganz anderes Level gehoben. Wir haben sie ein paar Mal ohne Geige performt und gemerkt: das geht eigentlich nicht mehr. Deswegen ist Roxane Szankovich jetzt fixes Bandmitglied. Sie ist eigentlich als Violibido solo unterwegs. Beim Material für die nächste glee-Platte spielt sie eine integrale Rolle. Und die Songs von „Alrite“ bekommen einen neuen Anstrich durch ihren Sound. Es wird ein Stück komplexer. Mehr Prog. Und gleichzeitig sanfter und erdiger.
William Burroughs hast du eben erwähnt. Bei den psychedelischen Rockbands früher gab es oft Querverbindungen in Richtung Film, bildender Kunst oder Literatur. Ich denke jetzt an Andy Warhol oder an Kenneth Anger auf der Film-Seite. Wie ist da eure Verbindung? Welche Anknüpfungspunkte seht ihr da für euch?
Max Ritter: Das ist genau mein Metier, ich bin ein sehr visuell denkender Mensch und die größte Freude, die ich an Popkultur habe, ist die Referenzen ausfindig zu machen. Unsere zweite Single „Heat“ zitiert einfach ganz klar „Alice im Wunderland“. Da ist diese wichtige Textzeile: „off with his head“, da wird der Protagonist bestraft. Diese Zeilen liegen oft ganz nackt da. Oder der Refrain von der Nummer „Lush“ ist eine Aneinanderreihung von Led Zeppelin-Songtiteln. Leute, die wie wir mit Popkultur erwachsen geworden sind, können eine große Freude daran haben, diese Referenzen heraus zu finden. Die liegen oft wirklich komplett nackt da. Auch auf musikalischer Ebene verneigen wir uns vor anderen, unsere erste Single „Poolboy“ ist eine Verneigung vor dem Song „I want you (She’s so heavy)“ von den Beatles. Das ist unsere Art zu sagen: danke für diesen großartigen Song. Es ist nicht nur unser Hauptthema nahe dran an den Beatles, sondern wie auf „Abbey Road“ schneiden wir unseren Song am Ende genauso ab wie die Beatles.
Wie seht ihr die Psychedelic Rock-Szene in Österreich oder in Europa?
Rainhard Süss: Die Szene kenne ich relativ gut, es gibt da in meiner Wahrnehmung zwei Seiten: die eine geht in Richtung Stoner-Rock und reiht sich bei härten Sachen wie Doom Metal ein. Und es gibt die lieblichere Spielart. Wir sind mehr der lieblicheren Seite von Psychedelic Rock zugeneigt. Ich entdecke immer wieder Neues, die Szene ist überall sehr vielfältig, da gibt es Vieles zu entdecken, was wir noch nicht kennen. Bands, die wie wir psychedelisch denken und vielleicht progressiver denken und die ihre Musik nicht wie Rockmusik daherkommen lassen, fehlen mir persönlich. Das ist eine Farbe, die kann man durchaus noch etwas hineinbringen, in diese Bubble.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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glee live
24.6.2022: Kulturcafé Max, Wien
25.6.2022: Oag, Graz
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