Duo-Formationen mit Flöte und Klavier sind rar – nur einer von mehreren guten Gründen für DORIS NICOLETTI und FREDERIK NEYRINCK, sich als Duo FredDo gemeinsam mit dem Repertoire für diese traditionelle Besetzung zu beschäftigen. Wie sie gleichzeitig Traditionen auch außer Kraft setzen möchten, erzählt das für das Programm THE NEW AUSTRIAN SOUND OF MUSIC (NASOM) 2016-2017 ausgewählte Duo im Gespräch mit Doris Weberberger.
Als Duo gibt es Sie erst seit diesem Jahr. Was hat Sie zusammengeführt?
Doris Nicoletti: Im größeren Ensemble haben wir schon viel zusammen gespielt, aber noch nicht im Duo. Seit Jahren hege ich den Wunsch, mit Klavier zu spielen. Während des Studiums war es selbstverständlich, eine Korrepetitorin beziehungsweise einen Korrepetitor zu haben, mit dem Abschluss hat das aber abrupt aufgehört. Seither fehlt mir das. Und obwohl es so viele Pianistinnen und Pianisten gibt, ist es wahnsinnig schwierig, jemanden zu finden, der auch Flötenliteratur spielen will. Außerdem ist mir aufgefallen, dass es nur sehr wenige fixe Flöte-Klavier-Duos gibt.
Frederik Neyrinck: Deswegen bin ich von Belgien hierhergezogen [lacht]. Oft, wenn man speziell in der Neuen Musik in komischen Besetzungen wie Posaune, Triangel und Klavier spielt, gibt es kaum Werke dafür. Das Spannende an der Besetzung mit Flöte und Klavier ist, dass man auf eine längere Tradition zurückblicken kann. Es gibt viel interessantes Repertoire aus dem 20. Jahrhundert, das man sehr gut mit zeitgenössischem Repertoire kombinieren kann. So kann man das, was oft als zwei unterschiedliche Welten wahrgenommen wird, verbinden und als Kontinuum darstellen. Das ist einer der Gründe, warum wir damit loslegen. Außerdem verbinden wir in unseren Programmen die Stücke für Duo mit Solowerken für beide Instrumente. So haben wir eine große Auswahl und können genau steuern, wie wir unsere Konzerte gestalten.
Doris Nicoletti: Außerdem ist der Konzertbetrieb in der Neuen Musik sehr auf Uraufführungen ausgerichtet. So sehr ich das liebe, so fehlt mir manchmal auch das ältere Repertoire. Mit Klavier habe ich die Möglichkeit, historisch weiter zurückzublicken. Es gibt so wunderschöne Sonaten für Flöte und Klavier, zum Beispiel im 20. Jahrhundert. Die möchte ich wieder spielen. Es ist wichtig, das Publikum weiterhin in Konzerte zu locken
Wie stellen Sie Ihre Programme zusammen?
Doris Nicoletti: Mir wurde es zu langweilig, immer nur normale Konzerte zu spielen. Deshalb ist es mir persönlich sehr wichtig, dass hinter jedem Programm ein Konzept steht, das Inhalt und Ablauf behandelt und auch das Optische nicht ausschließt. Bei unserem ersten Konzert haben wir ganz einfach einmal Duos mit Solostücken kombiniert und sie von verschiedenen Positionen aus gespielt.
Frederik Neyrinck: Für Musikerinnen und Musiker ist es generell sehr wichtig, darüber nachzudenken, wie das Publikum im Konzert etwas Einzigartiges erleben kann. Inzwischen kann man im Internet fast alles finden. Wenn man die Stücke zusammenhanglos aneinanderreiht, kann man sich die einzelnen Werke vielleicht besser zu Hause entspannt auf der Couch mit einer Surround-Anlage anhören. Deshalb ist es wichtig, einen Grund schaffen, mit dem man das Publikum weiterhin ins Konzert locken kann. Man muss die Konzertidee neu denken, und das versuchen wir durch neue Verbindungen zwischen den einzelnen Werken. Wir arbeiten zum Beispiel mit Miniaturen, die sehr kurz sind, aber mit denen man eine andere Geschwindigkeit erzeugen kann; darauf folgt dann ohne Applaus wieder ein längeres Stück. So bauen wir ein Konzert mit einem roten Faden, bei dem man etwas erlebt, was man zu Hause nicht bekommt.
Während Ihres ersten Konzerts durfte nicht applaudiert werden, wie hat das funktioniert?
Frederik Neyrinck: An manchen Stellen schon, an anderen nicht. Manchmal haben wir zwischen den Stücken auch moderiert. Wenn man es gut zusammenstellt und übt, wird es für das Publikum auch deutlich, wo er applaudieren soll und wo nicht. Man darf natürlich keine Situationen entstehen lassen, in der das Publikum nicht weiß, wie es sich verhalten soll.
Musik und Architektur
Sie haben angekündigt, dass Sie sich auch auf die Suche nach neuen Klängen machen. Was ist diesbezüglich in Arbeit?
Doris Nicoletti: Nach unserem ersten Konzert sind wir im Gespräch mit einem Architekten und mit einem Komponisten auf die Idee gekommen, Architektur und Musik zu verbinden. Wir recherchieren gerade und haben auch schon Aufträge an Komponistinnen und Komponisten vergeben. Wir planen, diese beiden Themen vor allem theoretisch und konzeptionell zu verbinden, ansonsten wäre man für die Aufführungen zu sehr an einen bestimmten Ort gebunden. Deshalb sollen sich die Komponistinnen und Komponisten von einem Baustil oder Bauwerk inspirieren lassen, sie entscheiden aber selbst, wie sie das gestalten möchten.
Frederik Neyrinck: Wir sind aber auch für andere Themen sehr offen. Das erste Konzert, das wir im Juni gegeben haben, war ein Querschnitt dessen, was wir machen können und wollen. In Kombination mit Olivier Messiaen und Arnold Schönberg haben wir auch Werke von jungen Komponistinnen und Komponisten gespielt. Auch in Kombination mit Elektronik gibt es schon sehr viel Repertoire, ein tolles Stück zum Beispiel von Kaija Saariaho.
„Wenn man selbst nichts tut, passiert nichts“
Welche Herausforderungen bietet die Duo-Formation, auch abseits des Musizierens?
Doris Nicoletti: Es ist sehr herausfordernd, weil es doch etwas ganz anderes ist, zu zweit zu spielen, als im Ensemble. Ein gesamtes Konzert zu zweit zu organisieren, ist schon aufwendig.
Frederik Neyrinck: Es ist auch eine ganz andere Art des Musizierens, wenn man ein Duo- oder ein Solostück spielt, als wenn man im Ensemble mit Dirigentin beziehungsweise Dirigent auftritt. Als Musiker finde ich es sehr gesund, auch einmal wieder in so kleiner Besetzung zu spielen.
Doris Nicoletti: Auch die gesamte Verantwortung zu tragen, ist ein eigenes Gefühl. Wenn man selbst nichts tut, passiert nichts, aber gerade weil wir so klein besetzt sind, sind wir nicht so teuer wie größere Formationen. Mit dem Ensemble Platypus ist es uns oft passiert, dass kleine Festivals nur drei Musikerinnen und Musiker bezahlen konnten. Im Vergleich zu anderen Ländern merkt man aber, dass in Österreich sehr viel möglich ist. Es gibt verhältnismäßig viel Unterstützung, etwa in Form von Förderungen, Räumen und Konzertmöglichkeiten.
Frederik Neyrinck: Wenn man in Belgien erzählt, wie viele Menschen zu Wien Modern gehen, ist das für viele unfassbar. Es gibt sehr viel Musik hier, es gibt sehr viele Menschen, die sich dafür interessieren. Man muss aber auch einen Weg finden, sie zu erreichen. Wir sehen bei Platypus, dass das Publikum von Jahr zu Jahr größer wird. Und ich glaube, das kommt auch daher, dass wir eine gute Idee für die Programmierung haben. Es ist eine Arbeit, die über Jahre verläuft, aber ich bin überzeugt, dass wir das schaffen.
Angst vor Neuer Musik?
Ich höre oft von Musikerinnen und Musikern, dass sich der Umgang mit Klang in der Neuen Musik auch auf ihre Interpretation von klassischer und Alter Musik auswirkt.
Frederik Neyrinck: Das Schöne an zeitgenössischer Musik ist für mich, dass man Werke großer Komponistinnen und Komponisten selbst entdecken kann, weil man oft keine Aufnahmen zur Verfügung hat und man sich als Interpret selbst intensiv damit beschäftigen muss.
Bei toten Komponistinnen und Komponisten hat man oft das Problem, dass man sich an den bereits vorhandenen Aufnahmen orientiert. Wenn man nicht weiterweiß, hört man sich an, wie andere damit umgehen, und macht es dann genauso. Das ist gefährlich, weil man sich nicht mehr mit der Musik an sich und ihrer Notation beschäftigt. Das hört man auch bei Wettbewerben klassischer Musik. Es wird alles ähnlicher und ähnlicher als noch vor hundert Jahren, wo man noch einen riesigen Unterschied zwischen einer Pianistin beziehungsweise einem Pianisten aus Europa, Russland oder Amerika gehört hat. Jetzt spielen sie alle technisch wahnsinnig gut, fast wie Maschinen, unglaublich! Aber unter dem Aspekt, über die Musik nachzudenken, ist es ein bisschen enttäuschend, wenn man sechsmal das Brahms-Konzert gleich hört.
Das ist bei zeitgenössischer Musik nicht der Fall. Ich kenne klassische Musikerinnen und Musiker, die Angst vor zeitgenössischer Musik haben, weil sie nicht wissen, was zu tun ist, weil sie sich die Kompositionen nicht anhören können, weil sie keine Referenz haben.
Doris Nicoletti: Auch wenn das besser wird, vertreten einige Musikerinnen und Musiker noch immer die Meinung, dass der Klang unter dem Spielen von Neuer Musik leidet. Das ist ein Blödsinn. Natürlich kann man sich bei manchen Spieltechniken verkrampfen, aber insgesamt kann man sein Klangspektrum unglaublich erweitern und traut sich viel mehr zu riskieren. Man lotet selbst seine klanglichen Grenzen viel mehr aus, wo man selbst oft gar nicht glaubt, dass es geht. Aber man probiert aus, und dann geht es doch. Das sind Grenzüberschreitungen, die auch für das klassische Musizieren wahnsinnig guttun.
Danke für das Gespräch.
Doris Weberberger
Foto Frederik Neyrinck und Doris Nicoletti: Sieglinde Größinger