Ja, Panik on Tour

Mit ihrer aktuellen CD “Libertatia” vollziehen Ja, Panik einen durchaus radikalen Wechsel vom bisher Gewohnten. Die nun zum Trio geschrumpften Exil-Burgeländer in Berlin haben gleichsam auch ihren bisher charakteristischen Stil ausgemistet und neu positioniert. Präsentiert wird das neue Werk nun im Rahmen einer kleinen Österreich-Tour.

War die 2005 im Burgenland gegründete Band bisher vor allem durch einen ebenso schroffen wie eklektizistischen Copy & Paste-Stil bekannt, bei dem quer durch die avancierte Pophistory Versatzstücke neu kombiniert wurden, so hat sich nun zumindest der Sound deutlich geändert.

Statt an Post-Punk orientieren sich die Koordinaten nun eher Soul. Oder wie es Ja, Panik-Sänger Andreas Spechtl in einem mica-Interview mit Sebastian Fasthuber ausdrückt: “Ganz grundsätzlich haben uns Grooves und Bassläufe interessiert. Für unsere Verhältnisse sind die Songs auch relativ tanzbar. Wir haben uns gefragt, wie man durch repetitive Formen, was ja auch Disco ausmacht, Intensität erzeugen kann. Bis jetzt war das alles relativ stressig bei uns. Intensität entstand durch Verzerrer und durch Schreien. Diesmal haben wir das Intensive in Wiederholungen gesucht, wie es das eher in Funk- oder Soulstücken gibt. Das hat uns wahnsinnig fasziniert. Wenn wir bis jetzt von The Clash ‘London Calling’ gehört haben, dann hat uns jetzt eher die experimentelle Seite von der ‘Sandinista!’ interessiert. Oder wo wir bisher Fans von The Jam waren, haben wir diesmal mehr Style Council gehört. Marvin Gaye könnte man noch anführen. Ich habe auch viel High Life gehört, so langsamere Afrobeat-Sachen. Musik, wo es um Rhythmus, aber auch um Soul geht.”

Herausgekommen ist dabei ein “federleichter Wavepop”, der sich dabei auch sehr stark an den “Zitat-Pop” der frühen 1980er orientiert, als Bands wie The Style Council oder Haircut 100 ebenfalls Soul im Sinne eines “Second-Order-Pop” für sich neu definierten und den Focus vom Rockexpressionismus hin zu funky Grooves verschoben haben.

Zwar gibt es auf “Libertata” immer noch Postpunk-Rhythmen (Sebastian Janata), aber die waren in der Zwischenzeit des öfteren in der Disco. Ebenso bestechen geschmeidige Soul-Bässe (und erinnern dabei sicher nicht zu Unrecht an die Funk-Elemente bei Bands wie Die Sterne). Dazu kommen New-Wave-Gitarren und ebensolche Synthesizerflächen, die innerhalb des Ja, Panik-Kosmos bewußt auf akustisches Neuland zusteuern. Vielleicht kommen gerade deshalb Andreas Spechtls Vorlieben für den großer, romantisch-dramatischen Pop-Song diesmal so gut zur Geltung. Keine Angst vor Pathos, grossen (Pop-)Gefühlen, Theorie & Diskurs zu haben, zeichnete Ja, Panik jedoch immer schon aus.

Beginnend mit ihrem ersten, titellosen Album 2006 (aufgenommen, produziert und gemischt übrigens von Thomas Pronai, der auch bei Garish am Mischpult saß, in der Cselley Mühle in Oslip), das mit Songs wie “Ob ich das verdiene”, “Zwischen 2 & 4” und “Like a Hurricane”, gute Platzierungen in diversen Indie- und Radio-Charts verzeichnen konnte und erstmals auf die Band aufmerksam gemacht hat, zieht sich die inhaltlich wie formale Auseinandersetzung mit Popmusik, Popkultur und Poptheorie gleichsam wie ein roter Faden durch das Werk der Band.

Nicht umsonst urteilte die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” über den 2007 veröffentlichten Zweitling “The Taste and the Money”, dass es sich hierbei um ein “teils künstlerisches Manifest, teils scherzhaft-paradoxe Distanzierung von Pop-Kritik und Diskurs-Rock” handeln würde. Und das Zentralorgan der deutschen Popkritik “Spex” nannte das Album sogar die “wichtigste deutschsprachige Platte seit Blumfelds ‘L’Etat Et Moi'”.

Im Rahmen der Produktion an “The Angst and the Money” im Sommer 2008 (die im Winter des selben Jahres im Berliner Chez Cherie Studio von Moses Schneider, bekannt für seine Arbeit mit Tocotronic, den Fehlfarben und den Beatsteaks fertig gestellt wurde) kam es dann auch zur Übersiedlung der Band nach Berlin.

Angespornt durch die euphorischen Kritiken, die Ja, Panik als eine der besten Bands im deutschsprachigen Independent-Bereich bezeichneten, begann dann die Arbeit an “DMD KIU LIDT” (erneut mit Moses Schneider im Chez Cherie Studio aufgenommen), dessen komplett ausgeschriebener Titel “Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit” auch veranschaulicht worin eine der wichtigsten Qualitäten von Ja, Panik besteht: Pop ernst zu nehmen und dabei das eigen, kleine Schicksal nie ohne Bezug zu den gesellschaftspolitischen Verhältnissen, die dieses Schicksal erst bedingen, zu thematisieren.

Von daher ist der Schwenk zu Soul, Funk, Disco auf “Libertatia” nur logisch. “Natürlich ist die Grundrichtung im Gegensatz zu unseren früheren Alben positiv, wir haben uns eingehend mit Grooves beschäftigt. Ich sehe die Songs eher hymnisch und in die Soul-Richtung gehend, wo ja auch düstere, ernste oder kritische Themen mit relativ umarmender Musik daherkommen.“, so Andreas Spechtl in einem Interview gegenüber der “tageszeitung”.

Benannt nach einer möglicherweise fiktiven Piratenkolonie, die im späten 17.  Jahrhundert an der Nordspitze Madagaskars gegründet worden war, steht der Name auch für den trotzigen Glauben an jene Utopien, die zwar immer schon Thema von Popmusik waren, die in letzter Zeit jedoch eher ins Abseits manövriert wurden (immerhin soll in Libertatia” bereits die Sklaverei abgeschafft gewesen sein, zudem gab es Religionsfreiheit und Frauenrechte).

Vielleicht ist der einladende und entspannte Sound von “Libertatia” ja auch deshalb notwendig gewesen, weil es im Grunde um befreiende und lebensbejahende Botschaften geht: „One World, One Love, LIBERTATIA“.

Sich dieses alte Pop-Versprechen angesichts eines fast komplett durchökonomisierten und auf schnellen Gewinn ausgerichteten Marktes (egal ob Mainstream oder Indei/Alternative) so prominent und ohne Rücksicht auf Verluste auf die eigenen Fahnen zu schreiben, macht dann ja auch einen Großteil des Phänomens Ja, Panik aus (wobei sie hierbei ja nicht die einzigen sind, wie Bands wie Bilderbuch oder Kreisky beweisen).

Der Berliner Musiker nannte Ja, Panik einmal “Dostojewski in der Disco” und trifft damit sehr gut, womit wir es im Moment bei dieser Band zu tun haben: Mit einer Band, die die “Politics of Dancing” für heute neu zu definieren versucht und die dabei allen, die darin nur “Kopfmusik” erkennen wollen ein lockig-flockiges Stück “Tanzmusik” entgegen halten.

 

Tour-Dates:
21.04.2014: Alter – Schlachthof, Wels
22.04.2014: Bang Bang Club; Graz
23.04.2014. ARGEkultur, Salzburg
24.04.2014: Weekender, Innsbruck
Fotos Ja, Panik: Powerline Agency