Das Festival HAYDNREGION NIEDERÖSTERREICH geht heuer in seine sechste Saison, die am 26. März 2023 im Haydn-Geburtshaus in Rohrau eröffnet wird: mit dem Vortrag „Haydn – ein Superstar in London“ und einem Konzert der Salzburger Hofmusik. Jürgen Plank hat mit dem künstlerischen Leiter MICHAEL LINSBAUER über den „Mythos Haydn“ – so das heurige Festivalmotto – genauso gesprochen wie über Vermittlungsangebote für Kinder und eine mögliche zukünftige Positionierung des Festivals.
Sie sind ein Mitbegründer der Haydnregion Niederösterreich, was gab einst den Anstoß dazu?
Michael Linsbauer: Der Anstoß dazu war die Renovierung und Neueröffnung des Haydn-Geburtshauses im Jahr 2017 in Rohrau. Das Museum gibt es ja schon seit 1959, nur ist seit damals nichts mehr damit passiert. Bis etwa 2010 lag das Haus ein wenig im Dornröschen-Schlaf, es gab keine Führungen und selten Veranstaltungen. Ab dem Jahr 2015 gab es die Idee, die Location, das Museum und den Ort aufzuwerten und auf zeitgemäße Beine zu stellen. Gegen Ende der Renovierungsarbeiten war schon zu sehen, dass das ein Schmuckkästchen wird und es lag die Frage der Nutzung auf der Hand: Inwiefern wäre es auch schön, wenn die ganze Region etwas davon hätte? Und so kam es zur Idee die Region zwischen Wien und Bratislava unter dieses Motto der Haydn-Region zu stellen.
Um welche Orte und Locations geht es genau?
Michael Linsbauer: Mit Hainburg gibt es einen Originalschauplatz, dort waren beide Haydn-Brüder in der Schule. Oder Mannersdorf, wo Joseph Haydn sich danach aufgehalten hat und man sagt, dass er dort den Komponisten Gluck kennen gelernt hat. Das war noch vor der Zeit bei Esterházy. Das war die Klammer dafür, die ganze Region einzubinden. Es gibt hier viele schöne Schlösser, Kirchen und Weingüter. Das Haydn-Haus ist das Herzstück, aber wir versuchen ein Festival ganzjährig aufzuziehen, das mittels Veranstaltungen an 10 bis 15 Locations stattfindet.
„ZUR SAISON-ERÖFFNUNG HABEN WIR DEN FOKUS AUF HAYDN IN ENGLAND“
„Mythos Haydn“ lautet der Titel des Festivals heuer. Welchem Mythos sind Sie künstlerisch auf der Spur?
Michael Linsbauer: Der Mythos, den Haydn für mich ausmacht, ist der, dass er mit seiner Musik immer aktuell ist. Auch das Programm versucht widerzuspiegeln, dass Haydn Musik geschrieben hat, die insofern aktuell ist, dass es relativ aufgelegt ist, sie mit verschiedenen anderen auch zeitgenössischen Stilen zu kombinieren. Das macht für mich schon einen Mythos aus, wenn eine Musik, die doch rund 300 Jahre alt ist, trotzdem so gegenwärtig interpretiert werden kann. Da denke ich mir, dass das nicht auf die Werke jedes Komponisten der letzten 200 oder 300 Jahre zutrifft. Die Region stand immer stark unter dem Einfluss der Völker, die dort vorbeigezogen sind oder benachbart waren: seien es die Ungarn, die Kroaten oder die Donau-Schwaben. Das war eine Gegend, die ständig von verschiedenen Kulturen beeinflusst wurde. Haydn hat daher sehr oft in einem gewissen Volkston geschrieben. Da liegt für mich der Mythos.
Wie zeigt sich dieser Hintergrund im Programm 2023?
Michael Linsbauer: Es gibt einen Schwerpunkt mit den Volkston-Bezügen, etwa in Kombination mit der englisch-schottischen Musik. Zur Saison-Eröffnung haben wir den Fokus auf Haydn in England. Bei einem Konzert mit Cornelius Obonya und Peter Havlicek im Juni, im Haydn-Geburtshaus, wird stark auf die Texte von Robert Burns und auf die Vertonungen der Volkslieder eingegangen. Da ist sicher ein Bezug zur Musik im Volkston, auch zu Anleihen aus der ungarischen Volksmusik.
Apropos Volksmusik: der Maultrommel-Weltmeister und Dudelsack-Spieler Albin Paulus wird am Abend des 26. März 2023 als Teil der Salzburger Hofmusik spielen. Wird sein Auftritt Haydn und den Dudelsack verbinden?
Michael Linsbauer: Genau, Haydn bietet sich natürlich auch immer für verschiedene Arrangements an, gerade was die Volksmusik betrifft. Albin Paulus, der schon verschiedenste Projekte bei uns in Rohrau gemacht hat, auch mit seiner Band Hotel Palindrone gab es bereits ein tolles Projekt, wird sich mit seinem Dudelsack zur Salzburger Hofmusik dazu gesellen. Die Werke, die da gespielt werden, sei es Kammermusik oder schottische Lieder, wird er ergänzen und umrahmen.
Auch für Kinder wird es ein Angebot geben, was ist in diese Richtung geplant?
Michael Linsbauer: Turbo Thilda, Esther Planton, ist eine tolle Musikvermittlerin und hat sich als solche gerade in Niederösterreich einen Namen gemacht. Sie schlüpft immer wieder in unterschiedliche Figuren. Turbo Thildaist zurzeit eine ihrer populärsten Figuren zur Musikvermittlung und da wird in eine Geschichte der Turbo Thilda auch die Musik von Haydn mit hinein verwoben.
Haydn war auch in Pilsen tätig, strahlt Ihr Festival in diese Region ebenfalls aus?
Michael Linsbauer: In der Region Pilsen gibt es auch ein Haydn-Festival. Ich verfolge seit rund eineinhalb Jahren, wie die Programme dort zusammengestellt werden und welche Ensembles dort spielen. Das ist sehr spannend. Wir haben eine Kooperation mit dem Festival in Znojmo, von dort holen wir schon zum zweiten Mal eine Produktion nach Niederösterreich. Das war vor ein paar Jahren „Der Traum“ von Michael Haydn. Und heuer ist es das Oratorium „Tobias“, das letzten Sommer in Znojmo produziert wurde. Mit Pilsen kooperieren wir noch nicht.
Was passiert in Pilsen im Vergleich zu Niederösterreich?
Michael Linsbauer: Das Festival in Pilsen ist insofern spannend als es sehr ähnlich wie unseres aufgezogen ist. Es findet auch in kleineren Locations in der Region statt, in Kirchen und Schlössern, auch dort hat man nicht eine große Location, die bespielt wird. Sondern es wird wie bei uns versucht, eine Region musikalisch zu beackern und die Bevölkerung einzubinden.
Ein Programmpunkt am 6. August 2023 heißt Urban Shoe.
Michael Linsbauer: Urban Shoe ist das aktuelle Trio von Gudula Urban. Die Musik von Haydn lässt sich ja auch zeitgenössisch interpretieren, in diesem Fall in Richtung Jazz und Worldmusic mit bluesigem Groove. Paul Schuberth ist am Akkordeon dabei. Die Veranstaltung findet in Mannersdorf in Zusammenarbeit mit dem Mannersdorfer Kultursommer statt, Mannersdorf ist einer der wenigen authentischen Haydn-Orte.
„FÜR MICH IST WICHTIG, HAYDN IN ALL SEINEN FACETTEN ZU PRÄSENTIEREN“
Bitte erzählen Sie von einigen besonderen Programmpunkte der letzten Jahre?
Michael Linsbauer: Wir hatten schon mal bei einem Heurigen die Kombination Haydn und Klezmer, damals mit Tini Kainrath und Klezmer Reloaded. Und wir hatten auch schon Haydn und Tango oder Haydn und Schrammeln, da hat damals Helmut Stippich tolle Arrangements und Eigenkompositionen geschrieben. So wie das heuer Peter Havlicek machen wird. Das macht auch den Charme der Veranstaltungsreihe aus, dass das Publikum die Möglichkeit hat Haydn ganz puristisch dargeboten zu bekommen. Oder auch verspielt, improvisiert, arrangiert, verfremdet. Ich finde, das muss alles erlaubt sein. Ich glaube, das wäre Haydn auch recht. Haydn war auch ein humorvoller Mensch, der selbst mit Melodien, Liedgut und Volksmusik gespielt und experimentiert hat. Deswegen stelle ich mir vor, dass es ihm recht wäre, dass das die nachfolgenden Generationen mit seiner Musik machen.
Wie möchten Sie das Festival mittelfristig positionieren?
Michael Linsbauer: Es gibt uns jetzt seit 5 Jahren, wir haben jetzt die sechste Saison, die ersten beiden Jahre waren dafür da, um zu sehen wie das Projekt angenommen wird. Dann kamen eh schon die Corona-Jahre, es war keine Selbstverständlichkeit diese zu überleben. Grundsätzlich sind wir aber positiv überrascht in Bezug auf die Treue und Loyalität des Publikums aus der Region. Etwa fünfzig Prozent unserer Besucher:innen stammen aus der Region und fünfzig Prozent aus Wien und anderen Teilen Österreichs. Auch in der Corona-Zeit hatten wir bei den Konzerten, die stattgefunden haben, eine Auslastung von rund 92 Prozent. Die Ticket-Verkäufe für heuer bestätigen, dass es wieder ähnlich wird. Wir haben also die Bestätigung und den Auftrag weiter zu machen. Dieser Auftrag hängt natürlich von den finanziellen Ressourcen ab. Wenn diese so bleiben wie bisher, werden wir sicherlich die Region und die beiden Haydns in den unterschiedlichen Genres zu präsentieren: von Kammermusik und Lied bis hin zu Symphonie, Orchesterwerken und Oratorien.
Welche Entwicklung würden Sie sich noch wünschen?
Michael Linsbauer: Die Oper wäre vielleicht eine Vision in Hinblick auf das Jahr 2032, das große Jubiläums-Jahr (Anm.: 2032 jährt sich Joseph Haydns Geburtstag zum 300. Mal): Sich als nächste Ausbaustufe zu überlegen, jährlich eine Opernproduktion zu machen. Aber das hängt natürlich von den Ressourcen ab und ist momentan nicht absehbar. Für mich ist wichtig, Haydn in all seinen Facetten zu präsentieren. Den Menschen in der Region den Mehrwert eines regional verankerten Festivals zu verdeutlichen. Und mehr und mehr Anhänger:innen und Fans für diese Haydnregion-Idee zu begeistern und zu erreichen, dass wirklich die ganze Region etwas davon hat. Wir haben auch immer noch das Gefühl, dass es noch tolle Locations in der Region gibt, die man dazu nehmen könnte.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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