BLOCKCHAIN – eine hilfreiche Technologie für Musikschaffende?

Der Begriff BLOCKCHAIN kursiert seit ungefähr einem Jahr in den diversen Internetforen und wird oftmals als eine Technologie beschrieben, die die gängigen Wertschöpfungsketten und -strukturen im Onlinebereich von Grund auf revolutionieren könnte.

Bei einer Blockchain handelt es sich – grob beschrieben –  um eine dezentrale, auf der Kryptowährung Bitcoin basierende Datenbank, die Informationen über Transaktionen in chronologischer Reihenfolge speichert. Sie besteht aus einer reinen Textdatei und folgt dem Peer-to-Peer-Prinzip. Die unter dem Anspruch hoher Transparenz bei gleichzeitiger Gewährleistung der Anonymität der Netzwerk-NutzerInnen getätigten Transaktionen werden in sogenannten Blocks hinterlegt. Voraussetzung ist, dass ein solcher Block bereits generiert wurde. Jede neue Transaktion knüpft sich quasi mit einem Zeitstempel versehen an die auf der Zeitlinie jüngste, wodurch sich eine Kette bildet, die sich stetig verlängert. Liest sich für eine Nichtexpertin bzw. einen Nichtexperten zugegeben etwas kompliziert.

Den größten Vorteil einer Blockchain sehen Fachleute vor allem darin, dass die Transaktionen einzig zwischen den beteiligten Netzwerk-Userinnen und -Usern ablaufen und eine dritte Instanz eigentlich obsolet wird, was die ganze Sache im Endeffekt kostengünstiger werden und schneller ablaufen lässt. Der administrative Aufwand wird durch eine Blockchain im Idealfall also gesenkt. Eine Bank zum Beispiel, die sonst die Transaktionen für ihre Kundinnen und Kunden abwickelt, ist nicht mehr notwendig.

Ein weiterer Punkt, der als Vorteil herausgestrichen wird, ist der Sicherheitsaspekt: Eine Blockchain wird aufgrund ihres Charakters als ein sehr sicheres System gesehen, da eine zentrale Clearing-Stelle, die mit Spam, Malware und Hackerangriffen attackiert werden kann, fehlt.

Blockchains fürs Musikbusiness

Neben Bitcoin wurden im Laufe der Zeit alternative Kryptowährungen entwickelt. Bitcoin hat nämlich einen Nachteil, und zwar, dass ein Datenblock die Größe von 60 Kilobyte nicht überschritten darf. Ist dies der Fall, kann dieser im Peer-to-Peer-Netzwerk nicht verifiziert werden. Um größere Datenmengen verifizieren zu können, bedarf es daher anderer technischer Lösungen. Eine davon ist Ethereum, eine seit 2013 bekannte Kryptowährung, die als Basisprotokoll das „Interplanetary Filing System“ (IFPS), das eine fast unbegrenzte Datenmenge zulässt, verwendet. Ethereum bietet nicht nur die Möglichkeit, Transaktionen mittels der Kryptowährung abzuwickeln, sondern diese mit „Smart Contracts“ (intelligenten Verträgen) zu verknüpfen. Ein Smart Contract zeichnet sich dadurch aus, dass zusätzlich zur Zahlungsverifizierung eine Wenn-dann-Bestimmung im Code eingebaut ist. Erst wenn der von A zu zahlende Betrag auf dem Konto von B tatsächlich eingelangt ist, wird die Handlung C (z. B. das Versenden einer gekauften Ware) gesetzt. Diese Art von Verträgen hat den Vorteil, dass sie ohne aufwendiges Verifikationsverfahren, z. B. durch Behörden oder Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, auskommt. Die Verträge wickeln sich sozusagen automatisch selbst ab.

Beispiel: Imogen Heap

Welchen Nutzen nun Musikschaffende aus dieser neuen Technologie ziehen können, hat die britische Singer-Songwriterin Imogen Heap vorgemacht, die 2015 ihren Song „Tiny Human“ mit vordefinierten Revenue-Splits auf die Ethereum-Blockchain gestellt hat. Das Musikstück kann nun online erworben oder lizenziert werden, wobei die Zahlungen – gemäß dem vordefinierten Split – direkt an die beteiligten KünstlerInnen gehen. Damit werden die Transaktionskosten, die üblicherweise im digitalen Musikbusiness anfallen, deutlich verringert.

Für „Tiny Human“ können auch Synchronisationsrechte erworben werden, die zu 100 Prozent an Imogen Heap fließen. Die Höhe des Sync-Entgelts hängt vom Typ und von der Größe des Unternehmens bzw. der Organisation und der Art der Verwendung (Medium und Frequenz der Nutzung) ab und muss separat verhandelt werden. Unabhängig von der Nutzungsart verbleiben alle Rechte am Song bei Imogen Heap. Das Beispiel zeigt, dass der Verkauf von Musik über eine Blockchain-Anwendung wie Ujo nicht nur die Zahlung an die Musikschaffenden beschleunigt und die Transaktionskosten niedrig hält, sondern dass auch Transparenz in die Zahlungsflüsse kommt.

Weitere blockchainbasierte Musik-Start-ups

Ujomusic wie auch andere Start-ups in diesem Bereich zielen auf den Aufbau monetarisierbarer Musikdatenbanken ab. So können über PeerTracks ähnlich wie bei Ujomusic Songs heruntergeladen und gestreamt werden. PeerTracks basiert auf dem Peer-to-Peer-Netzwerk MUSE. Die Kryptowährung von PeerTracks wird als „Note“ bezeichnet. Die „Notes“ sollen zu einer Art „Artist Coins“ werden, wodurch eine Art Anlagemarkt für KünstlerInnen entstehen soll.

Einen Ansatz der Superdistribution von Musik über die Blockchain hat das australische Unternehmen Bittunes entwickelt. Bittunes basiert auf der Bitcoin-Blockchain und bietet MusikerInnen an, ihre Musik über eine Peer-to-Peer -Plattform zu verkaufen. Die Käufer – „music mover“ genannt – erwerben einzelne Musiktracks für 50 Cents, wovon eine Hälfte an die MusikerInnen geht und die andere Hälfte an bis zu fünf VorverkäuferInnen.

Ein weiteres Einsatzgebiet der Blockchain ist der Aufbau von Musikrechteverwaltungsdatenbanken. Nachdem Ansätze wie die Global Repertoire Database und das International Music Registry an Partikularinteressen der Akteurinnen und Akteure der Musikindustrie gescheitert sind, wird nun mithilfe von Blockchain-Anwendungen ein neuer Anlauf in diese Richtung unternommen. Das israelische Unternehmen Revelator etwa bietet eine Rechtemanagementplattform an, auf die KünstlerInnen, ManagerInnen und Labels ihre Musiktitel, Musikvideos und Fotos samt Metadaten hochladen können. Revelator stellt dann die Inhalte wie ein Digital Content Aggregator in Online-Musikstores zum Downloaden bzw. Streamen ein. Revelator unterstützt nun die Verbreitung der Musik mit einem automatisierten Set an Marketingtools. Die RechtinhaberInnen können in der Folge beobachten, wann und wo ihre Inhalte genutzt wurden und die Einkommensströme in Echtzeit nachverfolgen.

Blockchain – eine sich noch im Teststadium befindliche Technologie

Das soll aber nicht dahin hinwegtäuschen, dass die Blockchain-Technologie immer noch in den Kinderschuhen steckt und die Anwendungen abseits von Bitcoin noch in der Testphase sind. Es lässt sich daher gegenwärtig noch nicht seriös einschätzen, ob und in welcher Form die Blockchain das Musikbusiness verändern oder gar revolutionieren wird. Es gibt Einwände, die bei aller Euphorie über die Blockchain ernst genommen werden sollten. Die Herausforderungen betreffen zum einen die Blockchain-Technologie direkt und zum anderen die Umsetzungsschwierigkeiten im Musikbusiness.

 

Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Zusammenfassung von einem Beitrag des Musikwirtschaftsforschers Peter Tschmuck auf der Seite der Musikwirtschaftsforschung. Den gesamten Artikel finden Sie hier.

 

SAVE THE DATE:
Am 3. März 2017 findet an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ein vom Institut für Kulturmanagement und Gender Studies (IKM) in Kooperation mit mica – music austria veranstalteter eintägiger Workshop zum Thema Blockchain statt. Nähere Informationen folgen im November.