Porträt: Lorenz Raab

Lorenz Raab zählt, führt man sich einmal die Vielzahl der Projekte vor Augen, an denen er beteiligt ist, ganz ohne Zweifel zu den umtriebigsten und zugleich kreativsten und innovativsten Musikerpersönlichkeiten der jungen heimischen Jazzszene. Hier ist ein Musiker am Werken, der sich seine eigenen Freiräume schaffen will und für den der Begriff „Berührungsangst“ ein Fremdwort darstellt. Es gibt wohl kein Genre, in dem sich der ungemein vielseitige Trompeter nicht schon erfolgreich versucht hat. Angetrieben von einer fast unbändigen Neugier sowie der großen Liebe zum Experiment stellt sich der facettenreiche Jazzer immer wieder neuen und spannenden musikalischen Herausforderungen.

Ein Festhalten an traditionellen Jazzstandards ist nicht wirklich das Ding des bereits vielfach ausgezeichneten Trompeters. Musik begreift Lorenz Raab nicht als ein in verschiedene Segmente unterteiltes System, sondern vielmehr als ein weites Feld, das es künstlerisch zu bearbeiten gilt. Der begnadete Instrumentalist liebt es, wie er sagt, “zu switchen”. Irgendwo im Spannungsfeld zwischen Jazz, Elektronik, World, Pop, Volksmusik, Neuer Musik und Avantgarde agierend, extrahiert der gebürtige Oberösterreicher in bester Crossover-Manier aus jedem einzelnen Bereich die besten Momente, um diese gemeinsam in seiner höchst individuellen Klangsprache aufgehen zu lassen. Wobei der Musiker stets einen innovativen Ansatz verfolgt. Mit der Akribie eines Wissenschaftlers versucht Raab durch neue Methodiken, das klangliche Spektrum seines Spiels immer wieder um zusätzliche Facetten zu erweitern. „Mir ist es ein besonderes Anliegen, neue Klangbilder zu erforschen und zu entdecken. So behandle ich die Trompete unter anderem auch als perkussives Instrument oder benutze sie als Geräuschgeber“, so der Trompeter in einem mica-Interview 2007.

Wiewohl sich die Liebe zu seinem Instrument erst langsam zu entwickeln begann, wie der 1975 in Linz geborene Instrumentalist verrät. „Die Liebe zur Trompete war nicht von Anfang an eine “Echte”. Im Volksschulalter entschied eigentlich mein Vater, welches Instrument ich lernen sollte. Er war Dirigent der örtlichen Blasmusik in Rainbach und brauchte dringend einen ersten Trompeter. Erst mit meiner Entscheidung zum Studium dieses Instruments an der Wiener Musikhochschule im Alter von 14 Jahren, entschied sich somit mein Lebensweg als Musiker. Nach vielen Kämpfen mit der Trompete – mit 22 Jahren dachte ich ernsthaft ans Aufhören – siegte die Liebe zur Musik.“, so der Oberösterreicher.

Entscheidend für den Lorenz Raabs Sinneswandel war ein zweijähriger Aufenthalt  in Bremen (1997-1999), wo er an der dortigen Trompetenakademie die Gelegenheit bekam, von internationalen Größen wie etwa Kenny Wheeler und Ingrid Jensen zu lernen. Nach seiner Rückkehr nach Österreich begann er am Salzburger Mozarteum bei Hans Gansch das Konzertfach Trompete zu studieren. Welche stilistische Vielseitigkeit er in diesen Jahren entwickeln konnte, unterstrichen seine darauffolgenden Engagements, etwa als Solotrompeter im Orchester der Wiener Volksoper oder beim Vienna Art Orchestra, sowie auch die zahlreichen Zusammenarbeiten mit heimischen und internationalen Größen aus den unterschiedlichsten Musikrichtungen: Benjamin Schmid, Paul Gulda, Georg Breinschmid, Jamaladeen Tacuma, Dzihan & Kamien, Anthony Braxton, Wolfgang Puschnig, Christoph Cech, Max Nagl, Melissa Coleman, Otto Lechner, Christian und Wolfgang Muthspiel, Oskar Aichinger, Martin Siewert, Harry Sokal, Zeena Parkins und viele mehr.

Vielschichtig und facettenreich agiert der zweifache Hans Koller Preisträger (2003 erhielt er den Publikumspreis; 2004 folgte der Preis für den Newcomer des Jahres; 2006 wurde er nominiert in der Kategorie „CD des Jahres“ für seine CD „bleu“ und 2007 in der Kategorie „Musiker des Jahres“) auch in seinen eigenen  Projekten. So etwa unternimmt er etwa mit seiner von allen Seiten mit viel Aufmerksamkeit bedachten :xy band (gemeinsam mit Herbert Pirker, Matthias Pichler, Oliver Steger und Christof Dienz) den Versuch, im Experiment mit akustischen Mitteln Elektronik-Sounds zu generieren. Stilistisch überhaupt allen Kategorisierungsversuchen entzieht sich sein Trio BLEU (gemeinsam mit Ali Angerer und Rainer Deixler). Was hier zelebriert wird, ist schlicht die hohe Kunst des Zusammenführens des vermeintlich Gegensätzlichen. Tradition trifft auf Moderne, Jazz auf Improvisation, Weltmusik auf Avantgarde. Ähnlich, aber dann doch ganz anders verhält es sich bei :ZOÉ….und, und, und…

Es ist neben seiner unbestrittenen instrumentalen Fähigkeiten vor allem die ausgeprägte Offenheit Neuem gegenüber, welche Lorenz Raab zu einen der bedeutendsten Musiker des Landes haben werden lassen. Egal ob nun als Solokünstler oder als Mitglied in einer Formation, der gebürtige Oberösterreicher präsentiert sich als ein Künstler, der seiner Zeit oftmals einen Schritt voraus ist. Mit der Fähigkeit, seine eigene Musik immer wieder auf eine neue Ebene zu heben, darf angenommen werden, dass man von diesem außergewöhnlichen Trompeter auch in Zukunft noch einiges zu hören bekommen wird. (mt)

Fotos Lorenz Raab © Julia Stix

http://www.lorenzraab.at/