Orchester sind allein aufgrund der physischen Größe oft eine Herausforderung, wenn es darum geht, ein gemeinsames Musikvermittlungskonzept für eine Institution zu erarbeiten. Warum es sich dennoch – oder vielmehr gerade deswegen – lohnt und welche Faktoren noch hinzukommen, davon erzählt die Leiterin von YOUNG SYMPHONY, dem Kinder- und Jugendprogramm der WIENER SYMPHONIKER, im Interview mit Barbara Semmler.
Frau Büttner-Krammer, warum vermitteln Sie Musik?
Bettina Büttner-Krammer: Für mich selbst war Musik immer ein ganz wichtiger Teil meines Lebens. Ich hatte aber auch das Glück, dass mir meine Eltern Musik von klein auf nahebrachten. Viele Kinder und Jugendliche haben diese Möglichkeit nicht – aber ich bin der Meinung, dass jeder Mensch das Recht darauf hat, Musik in all seiner Vielfalt kennenzulernen, also auch die klassische Musik.
Was sind Eckpunkte Ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn?
Bettina Büttner-Krammer: Ich studierte Geschichte und Musikwissenschaft sowie einige Jahr IGP Klavier. Ich arbeitete dann zunächst für ein paar Jahre im Bereich des klassischen Musikmanagements. Danach – eher zufällig – arbeitete ich beim damaligen Österreichischen Kultur-Service, heute KulturKontakt Austria, in den Bereichen Musik, Beratung und Projektmanagement, und das war die Initialzündung für den Bereich Musikvermittlung. 2003 begann ich als Musikvermittlerin des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich und baute dort die Tonspiele auf. Und seither lässt mich die Musikvermittlung nicht mehr los. Es folgten – auch bedingt durch die Geburten meiner Töchter – ein paar berufliche Wechsel – Wiener Philharmoniker, Mozarteumorchester Salzburg –, bis ich dann 2011 bei den Wiener Symphonikern begann.
„Gerade gute Kinderkonzerte sind oft so spannend und neu“
Mit welchen Herausforderungen sind Sie als Musikvermittlerin in der österreichischen Kulturlandschaft konfrontiert? Wenn Sie einen Wunsch an die Fee, die für Kulturpolitik zuständig ist, frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
Bettina Büttner-Krammer: Obwohl es mittlerweile in Österreich für Musikinstitutionen doch eher selbstverständlich geworden ist, einen Musikvermittlungsbereich zu installieren, gibt es von staatlicher Seite so gut wie keine Unterstützung dafür, die Ausnahme ist KulturKontakt Austria. Wenn ich die Fee bitten könnte, würde ich mir in den Subventionsverträgen die Klausel wünschen, dass ein bestimmter Prozentsatz der Subvention für die Vermittlungsarbeit verwendet werden müsste (so wie das ja in anderen Ländern der Fall ist). Wirklich schade ist auch, dass es so gut wie keine Öffentlichkeit für den Bereich der Musikvermittlung gibt. Für die Musikjournalistinnen und -journalisten ist Musikvermittlung oft „Kinderkram“, über den es sich nicht zu berichten lohnt. Dabei sind oft gerade gute Kinderkonzerte so spannend und neu – da passieren Dinge, die man sonst in klassischen Konzerten nicht erlebt. Da würde ich mir von den Medien mehr Interesse und auch die notwendige Wertschätzung wünschen. Und der dritte Bereich, in dem noch ganz viel zu tun wäre, ist die klassische Musikausbildung.
Können Sie Ihre Wünsche in Bezug auf die Musikausbildung konkretisieren? An wen richten sich diese Wünsche? Welche Bedingungen wären optimal?
Bettina Büttner-Krammer: Es gibt schon den einen oder anderen Musikvermittlungslehrgang, postgraduale Studien (etwa in Linz oder Wien) und auch verschiedene universitäre Freifächer in diesem Bereich. Ich finde aber, das Fach Musikvermittlung sollte für alle Musikstudierenden verpflichtend sein. Es geht hier nicht nur darum, dass dieses Berufsfeld allen bekannt sein sollte, sondern auch darum, sich Gedanken über neue Formate, über den Austausch mit dem Publikum, über das eigene Berufsbild und die Zukunft der klassischen Musik zu machen. An den Universitäten werden hochprofessionelle junge Musikerinnen und Musiker ausgebildet, die nicht alle eine Anstellung bei einem großen Berufsorchester bekommen können und dann aber – abgesehen vom „klassischen Unterrichten“ – kaum berufliche Alternativen sehen. Des Weiteren wäre auch ein Umdenken bei den Professorinnen und Professoren nötig. In den Musikschulen zählt die Teilnahme an und das Gewinnen von Wettbewerben oft viel mehr als etwa die interessante Gestaltung eines Klassenabends. Die Selbstverständlichkeit von Musikvermittlung auf allen Ebenen, in allen Fächern, auch dem künstlerischen Hauptfach – das wäre für mich das Ziel in der Musikausbildung.
Welchen besonderen Möglichkeiten und Herausforderungen begegnen Sie in Ihrer Tätigkeit als Musikvermittlerin in einem Orchester?
Bettina Büttner-Krammer: Das Besondere ist natürlich die Größe des Klangkörpers – und die vielen Menschen, die daran beteiligt sind. Das bietet ganz viele Möglichkeiten, ist aber manchmal auch eine Herausforderung. Zum Beispiel gibt es in einem so großen Orchester unterschiedliche Vorstellungen darüber, was Musikvermittlung sein soll und kann. Insgesamt steht das Orchester aber wirklich hinter der Musikvermittlungsarbeit. Es gibt natürlich Musikerinnen und Musiker, die sich mehr dafür interessieren und andere weniger. Es ist ein Prozess, sich hier eine Gruppe aufzubauen, mit der man langfristig intensiv arbeiten kann. Insgesamt ist es bestimmt leichter, Musikvermittlungsprojekte mit kleineren Ensembles zu realisieren, weil man flexibler ist als mit einem Orchester, aber gerade das ist eben die Herausforderung.
„Das Wichtigste ist die Begeisterung für die Sache“
Haben Sie ein „Lieblingsprojekt“, das Sie gerne erneut durchführen möchten? Was zeichnet es aus und was wären optimale Voraussetzungen, um das Projekt wieder aus der Schublade zu holen?
Bettina Büttner-Krammer: Mein derzeitiges Lieblingsprojekt ist unser letztes Schulkonzert „Mozart reist nach Prag“ für Volksschulklassen – bei diesem Konzert ist einfach alles aufgegangen, so wie wir es uns gewünscht haben. Die Vorbereitung der Kinder in Workshops und in den Schulen war wunderbar, die Kinder wurden im Konzert stark ins Geschehen eingebunden, die Schauspielerin Lilian Genn war eine ganz tolle Moderatorin. Die Schauspielerin und das Orchester wurden so stark wie noch nie zuvor aktiv eingebunden. Die Musikerinnen und Musiker sind in einen Dialog mit ihrem Publikum getreten. Danach waren alle – Publikum wie Ausführende – einfach nur begeistert! Ich hoffe, dass wir das Konzert wieder spielen werden, etwa dann, wenn das Orchester die Prager Symphonie wieder aufführt. Allerdings planen wir sehr weit im Voraus – also würde das wohl frühestens in drei bis vier Jahren möglich sein.
Gibt es etwas, was Sie jungen Musikvermittlerinnen und Musikvermittlern, die gerade eine Ausbildung in diesem Bereich absolvieren oder am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen, mit auf den Weg geben möchten?
Bettina Büttner-Krammer: Das Wichtigste ist die eigene Begeisterung für die Sache. Man muss authentisch sein – Kinder und Jugendliche sind sehr kritisch. Aber wenn sie merken, wie sehr man für eine Sache brennt, sind sie auch bereit, sich auf etwas einzulassen, was ihnen vielleicht fremd ist. Ansonsten braucht man viel Kraft und Durchhaltevermögen, eine unglaubliche Bandbreite an verschiedenen Fertigkeiten und Flexibilität. Aber dann macht der Job auch wirklich sehr viel Spaß. Und das Besondere daran: Man bekommt wahrscheinlich viel mehr an positivem und persönlichem Feedback zurück, als das sonst im Kulturbereich der Fall ist.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Welches Stück beziehungsweise welcher Song begeistert beziehungsweise berührt Sie gerade und was tut es mit Ihnen?
Bettina Büttner-Krammer: Ich höre so viel Musik (auch nicht klassische), dass das schwer zu sagen ist. Aber es gibt in der Orchestermusik immer wieder Stücke, die unglaubliche emotionale Reaktionen bei mir auslösen, bis hin zu Gänsehaut, Tränen in den Augen etc., oder einfach das Gefühl, im Konzert aufspringen zu müssen, weil man es sitzend nicht mehr aushält. Das ist in letzter Zeit zum Beispiel bei unserem vorletzten Schulkonzert mit dem Stück „Boulevard Night“ von John Adams aus „City Noir“ so gewesen, aber auch gerade bei der 5. Symphonie von Carl Nielsen, die ich vor wenigen Tagen das erste Mal im Konzert gehört habe. Da lief mir die Gänsehaut nur so rauf und runter.
Vielen Dank für das Gespräch.
Barbara Semmler
Zur Person:
Bettina Büttner-Krammer, geboren in Wien, ist Konzertpädagogin und Musikvermittlerin bei Symphonieorchestern. 2003 baute sie das Musikvermittlungsprogramm „Tonspiele“ des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich auf, arbeitete bei den Wiener Philharmonikern (passwort:klassik) und entwickelte neue Jugendprojekte für das Mozarteumorchester Salzburg. Daneben entstanden Musikworkshops und Kinderkonzerte u. a. für das Festspielhaus St. Pölten, das Ernst Krenek Forum und die Jeunesse Musicale. Seit der Saison 2011/12 ist sie bei den Wiener Symphonikern für die Musikvermittlung zuständig.
http://www.wienersymphoniker.at/Home/Young-Symphony