mica-Interview mit Uwe Felchle

Ein sehr erfrischendes und schon lange nicht mehr in dieser hohen Qualität gehörtes Lehrstück in Sachen Funk ist es geworden, das im Februar erschienene Solo-Debüt „Green Funk“ des in Wien lebenden Stuttgarter Bassisten Uwe Felchle. Erstklassig produziert warten die insgesamt vierzehn überaus spannend arrangierten und sofort zündenden Songs mit wunderbarsten Melodiebögen auf, die vom ersten Moment an in den Ohren hängen bleiben. Wiederholungen oder Ausfälle sind auf der CD keine zu finden. Einzig, was alle Tracks verbindet, ist dieser unnachahmliche und ungemein ansteckend wirkende Groove, der schlicht und einfach nur zum Abtanzen einlädt. So mitreißend  hat Funk schon lange nicht mehr geklungen. Uwe Felchle, der in seiner inzwischen langjährigen Karriere bereits mit zahlreichen internationalen Größen wie etwa Frank Fahrian, DJ Tomekk und Gloria Estefan zusammengearbeitet hat, im Gespräch mit Michael Ternai.

Erzähle einmal von deinen musikalischen Anfängen. Wie bist du zum Musikmachen gekommen?

Was mich von Anfang an geprägt hat, war diese ganze Funkmucke, die Commodores, Earth Wind and Fire, Johnny „Guitar“ Watson und solche Leute. Diese Musik war für mich der Grund, überhaupt Bass zu lernen. Weil in den Stücken dieser Musiker, der Bass immer im Vordergrund gestanden ist. Und das hat mich unglaublich begeistert und fasziniert. Begonnen, selber Musik zu machen, habe ich habe schon relativ früh. Mit sechs bin ich schon als Sänger aufgetreten und mit zwölf habe ich auch schon meine erste eigene Band gehabt. Fast gleichzeitig mit dreizehn, vierzehn Jahren habe ich dann auch mit dem Bassspielen angefangen. Fasziniert hat mich vor allem dieses Popping und Slapping. Ich bin regelmäßig ausgeflippt, hat ein Bassist auf diese Art die Saite einmal angezupft.

 

Wobei ich die ganze Sache mit dem Musikmachen zunächst eher als Hobby betrachtet habe, da ich ja noch zur Schule gehen musste. Was ich aber definitiv schon damals bemerkt habe, war, dass ich doch ein gewisses Talent fürs Musizieren gehabt habe. Es war nicht so, dass ich den Bass angefasst habe und es hat sofort gepasst, aber ich habe mich, nachdem ich als Linkshänder die Koordination am Instrument langsam beherrscht habe, doch schnell weiterentwickelt. Und mit meiner ersten Band hatten wir auch schon so erste kleine Erfolge. Unter anderem habenwir schon für solche Deutschrockgrößen wie zum Beispiel Requiem eröffnet.

Dann plötzlich hat sich die Musik immer mehr in den Vordergrund gedrängt. Wobei ich auch Glück gehabt habe, in eine echte Proficlique hineingerutscht zu sein. Die haben mich zunächst dann aber erst einmal so richtig runtergeholt. Und zwar so richtig bös. Ich habe mit den Leuten gejammt und als wir fertig waren, kam der Schlagzeuger Bodo Schopf, der übrigens damals bei Falco gespielt hat, zu mir, und fragte mich, ob ich den gerne Bass spiele. Was ich natürlich bejaht habe. Darauf er: „Ja, dann lerne es mal.“ (lacht) Das hat mich echt runtergeholt und mir war auch richtig zum Heulen zumute, weil ich mir doch eingebildet habe, dass ich zumindest in meiner Heimatregion doch schon eine kleine Nummer war. Auf jeden Fall habe ich nach dieser Jamsession wirklich gewusst, wo ich tatsächlich stehe. Da war ich so 18, glaube ich.

Ich habe mir, was Bodo Schopf gesagt hat, sehr zu Herzen genommen und dann auch wirklich zweieinhalb Jahre acht Stunden täglich geübt. Ich war so sehr bei der Sache, dass ich manchmal nicht einmal gemerkt habe, dass meine Finger bluteten. Ich wollte es echt wissen. Ich kann nur jedem, der Musik macht,  raten, so viel wie möglich Zeit in das Üben zu investieren. Zumindest eine Zeit lang. Du musst nicht dein ganzes Leben acht Stunden am Tag üben, aber es ist ein „Neverending Game“.

Und du betreibst dieses “Neverending Game” bis heute.

Natürlich hat man als Musiker, zumindest ich, immer diese Phasen, in denen man wirklich wild übt. Ganz besonders am Anfang. Aber auch dann, wenn man ein neues Projekt in Angriff nimmt. Ich bin einmal bei einer Funkband eingestiegen und habe natürlich auch die ganzen Nummern rauf und runter lernen müssen. Was sich dann aber gelegt hat, weil wir in Folge viele, viele Konzerte gespielt haben, so 150 im Jahr. Und daneben habe ich zusätzlich auch noch in vier, fünf anderen Bands gespielt. Also jeden Tag volles Programm.

Wenn man sich das einmal vor Augen führt. So etwas geht doch heute gar nicht mehr. Man muss sich nur alleine die Auftrittsmöglichkeiten in Wien anschauen. Zum Glück muss ich nicht vom Livespielen leben. Ich habe hier ja in allen Clubs schon einmal gespielt. Als ich vor fünf, sechs Jahren nach Wien gekommen bin, habe ich eine Band gegründet, mit der ich, wie schon erwähnt, wirklich viel gespielt habe. Aber leider haben wir keinen müden Cent verdient. Und dieses Problem wird in Zukunft allgemein noch ein größeres.

Wie darf man das verstehen?

Erschreckend ist, wie sehr die Musik an Wertigkeit verliert. Was sich letztendlich auch an den Produktionen zu hören ist. Ich habe ja noch ein wenig die goldenen Zeiten miterlebt. Ich war Auftragsproduzent für Plattenfirmen, habe viele Remixe und so Zeug gemacht. Ich bin zu den Plattenfirmen hingegangen und habe für einen Remix 5.000 Mark verlangt. Und diesen habe ich dann an einem Tag fertig gemacht. Teilweise kamen da wirklich Aufträge für drei, vier Remixe im Monat. Mir ging es wahnsinnig gut. Und urplötzlich hat es damit angefangen, dass die Plattenfirmen nichts mehr zahlen wollten und auch die Preise für Live-Musik hinuntergegangen sind. Ich habe zwar immer in Bands gespielt, die immer gut gebucht waren. Doch hat man eine Zeit lang 500 Mark als Band kassiert, waren es dann auf einmal 300 und jetzt spielst du schon mal um 50 Euro. So richtig amerikanische Verhältnisse.

Haben in gewisser Weise nicht auch die Möglichkeiten des Internets einen gewissen Anteil an dieser Entwicklung?

Ich glaube, dass es nicht einmal die Plattform Internet ist. Die kann einem auch sehr behilflich sein, was ich gerade selbst auch merke. Es ist schon ein enorm geiler Weg. Die Möglichkeit hattest du früher nicht. Ich habe 2.000 Facebook-Freunde, 16.000 MySpace-Freunde, und wenn ich dann kurz mal eine Message raus lasse, geht diese gleich an fast 20.000 Leute. Das ging ja früher gar nicht. Aber, ob die jetzt etwas kaufen oder die Neuigkeit bei dieser Flut von Messages überhaupt bemerken, ist natürlich eine andere Frage.

Man wird ja heute regelrecht überflutet von Neuigkeiten und Meldungen. Neue Releases hier, neue Releases da, hier eine Geschichten, dort eine Geschichte. Was es da inzwischen nicht schon alles gibt. “Deutschland sucht den Superstar” und die vielen anderen gleichen Formate, oder in Österreich “Starmania”. Jeder möchte heute ein Star sein. Andy Warhol hat in den 70er Jahren einmal gesagt: „Es wird für jeden einmal in der Zukunft fünfzehn Minuten Ruhm geben“. Er hat schon damals gesehen, wo das alles einmal hinführen wird.

Leider sehe ich diese Tendenz auch bei den heutigen Musikern. Ich sage nicht, dass sie schlechter sind als früher. Ich würde eher das Gegenteil behaupten. Durch das Internet kann man natürlich auf enorm viel Information zurückgreifen. Wir hatten damals gar nicht die Möglichkeiten, an diese in solch einem Ausmaß heranzukommen. Wir mussten irgendwelche Bücher lesen, studieren gehen, Unterricht nehmen oder eben viel Spielen, was mein Weg war. Ich war nie derjenige, der sich hingehockt und die Bücher studiert hat. Klar habe ich auch irgendwann Notenlesen lernen müssen. Aber letztendlich war mir das Spielen einfach wichtig. Da ist mein Herz daran gehangen. Alles andere kam so und so natürlich.

Um nochmals zu dieser unglaublichen Masse von Produktionen und Veröffentlichungen zurückzukommen. Das Schlimme ist, dass sich heutzutage jeder Produzent nennt. Jeder der das Programm Cubase oder Ähnliches zu Hause hat, kann sich zusätzlich ein paar Boxen und ein Audiointerface um 100 Euro dazukaufen und hat damit schon ein kleines Studio. Und letztendlich ist die Qualität dieser Produktionen auch gar nicht einmal so schlecht. Bloß, dieses Knowledge, welches ich mir über Jahrzehnte hart erarbeitet habe, bekommt man auf diesem Weg nicht. Und viele wissen auch gar nicht mehr, dass es so etwas gibt.

Wenn ich nur David Guetta höre und, was weiß ich, diese urschlechten Rap Geschichten, die aus Deutschland kommen und bei denen ich einfach ein jedes Mal abkotzen könnte, dann muss ich micht schon wundern. Ich habe mich ja eine ganze Weile in diesem Rap- HipHop-Umfeld bewegt, weil ich mit dem DJ Tomek eine Zeit lang unterwegs war. Und ich musste mitbekommen, dass selbst der keine Ahnung vom wirklichen Musizieren hatte. Und der war in den 90er Jahren so richtig berühmt.

Was man an deinen Album sofort hört, ist diese wirklich erstklassige und sehr druckvolle Produktion. So einen bekommt heute nicht immer geboten.

Das ist ja auch eine Kohlefrage. So einen Sound kriegst du mit dem Cubase alleine nicht hin. Ich habe da schon ein paar Geräte, die absoluter Topstandard sind. Was aber nichts damit zu tun hat, dass der Sound dann gleich stimmt. Du musst mit den Geräten auch umgehen können. Es ist ein Tool, wie jedes andere auch. Ich gebe dir die beste Gitarre, deswegen spielst du sie aber nicht am besten. Du musst mit diesen Geräten wie mit einem Instrument umgehen lernen. Und das ist ein ständiger Kampf, ein ständiges Erneuern von Wissen. Man lernt bei jeder Produktion dazu. Es gibt keine Produktion, bei der ich sage: „Das ist Standard“. Es gibt keinen Standard. Es ist jedes Mal etwas Neues. Es gibt jedes Mal ein neues Problem, das es zu lösen gilt. Aufnahmetechnisch, im Mix usw.

Bei meiner Produktion habe ich extrem darauf geachtet einen eigenen Sound zu kreieren. Ich wollte es enorm warm und weit haben. Deswegen habe ich das Material auch nach Amerika zum Mastern geschickt, weil genau das können die Leute dort drüben wirklich. Ich bin selber auch noch einmal drüber gegangen, weil das Ergebnis für mich dann doch zu amerikanisch war. Aber allzu viel habe ich nicht verändert. Nur ein bisschen, um meinen Touch noch ein wenig reinzubringen.

Aber wer hat heutzutage die Möglichkeit wirklich, so wie ich ins Studio zu gehen. Wenn du das machst, kostet dich der Tag zumindest 300 Euro. Wenn ich alleine rechne, was ich an Tagen in dieses Projekt investiert habe, dann bin ich bei 50.000 Euro. Wer kann sich das heute noch leisten. Nicht einmal eine Plattenfirma, außer du heißt Whitney Housten und bist gestorben.

Aber gibt es nicht doch die Ausnahmen. Auch hierzulande. Wenn ich nur an Elektro Guzzi und Patrick Pulsinger denke? Die haben ja auch wirklich lange an ihrem Debüt gefeilt, und ich denke, nicht so viel Geld zur Verfügung gehabt. Wahrscheinlich hätten sie nach deiner Rechnung mehrere Millionen gebraucht.

Das kann man leider nicht mehr so sehen. Früher hätte ich für so eine Produktion 150.000 Mark von der Plattenfirma bekommen. Und das wäre nicht einmal gut bezahlt gewesen. Und dann hätten die auch noch Gas gegeben und ein Video gedreht, eine Tour organisiert und Promo gemacht. Die hätten kurz einmal eine Million investiert. Vielleicht nicht gerade in die Art von Musik, die ich jetzt mache, aber in der kommerzielleren Kategorie durchaus schon. Heutzutage kriegt man nichts mehr. Ich habe keinen müden Cent für die Produktion bekommen.

Aber dennoch hast du dich dazu entschlossen, eine CD zu machen. Was es immer schon ein Traum von dir, selber unter deinem Namen etwas zu machen?

Nein, eigentlich nicht. Ich wollte eigentlich immer eher im Backround stehen. Dieses „in der ersten Reihe stehen“ war, obwohl ich glaube, dass ich das auch ganz gut kann, nie wirklich mein Ding. Rummel hat man schon genug, wenn man spielt. Ich gehe ja auch gerne nach einem Konzert raus zu den Leuten und unterhalte mich mit ihnen. Was aber, wenn du im Rampenlicht stehst, nicht so einfach ist. Ich brauche irgendwie meine Ruhe. Ich bin eher Einzelgänger. Ob das nun gut oder schlecht ist, sein einmal dahingestellt. Ich produziere auch immer alleine. Ich brauche da niemanden dabei und spiele die ganzen Instrumente auch selber ein. So wie eben auch auf der CD.

Warum ich dann doch jetzt eine eigene CD gemacht habe? Ich habe einmal aus Langeweile oder aus Bock einfach einmal eine Nummer nur mit Bass  gemacht. Ich wollte einmal mit einem Looper herum experimentieren, wie es etwa bei Victor Wooten gesehen habe. Der hat sich durch diesen Looper quasi selbst zu einer ganzen Band gemacht. Ich habe mir gedacht, das probiere ich jetzt auch einmal und schaue, was dabei herauskommt. Ja und bald habe ich dann auch meinen ersten Song fertig gehabt. Den habe ich auf MySpace gestellt und habe unglaublich positive Resonanzen bekommen. Auch von ganz angesagten Musikern. Es sei geil, frisch und nicht so alltäglich. Ich glaube, die Leute schätzen, dass ich meinen eigenen Style habe. Klar bin ich von dem und dem bis zu einem gewissen Grad beeinflusst, aber diese Lines, die ich spiele, spielt keiner außer mir.

Eigentlich hat mich letztlich meine Freundin dahingehend ziemlich bestärkt. Ihr hat das, was ich da fabriziert habe, enorm gut gefallen. Und sie hat gemeint, ich solle doch weitermachen und eine ganze CD produzieren. Obwohl ich anfangs noch eher skeptisch war, habe ich mich dann doch überreden lassen. Jedes Mal, wenn ich dann neben meiner Produzententätigkeit Zeit gefunden habe und einen Einfall hatte, habe ich aufgenommen und in weiterer Folge dem Material immer weitergearbeitet. Auf diese Weise sind in diesen drei Jahren dann insgesamt 30 bis 35 Songideen entstanden.

Anfang letzten Jahres habe ich den Beschluss gefasst, das Ding einfach fertig zu machen. Und das ist mir auch innerhalb von sechs Wochen gelungen. Ich habe gemischt, arrangiert und die Leute, mit denen ich zusammenarbeiten wollte und die sich auch noch dazu sofort, ohne einen Cent zu verlangen, bereit erklärt haben, mitzumachen, über das Internet klargemacht. Was ich natürlich als großes Kompliment aufgefasst habe. Wann schon hat man die Gelegenheit mit so herausragenden Leuten zusammenzuarbeiten.

Ja und dann waren die Songs fertig. Ich habe das ganze Material zum Mastern nach Los Angeles geschickt. Gleichzeitig habe ich mich aber auch gefragt, was ich denn nun mit dem ganzen Ding mache. Ich habe es dann an einen Bekannten von einem Plattenlabel geschickt, der dann sofort auch wirklich zugesagt hat.  Und dann hat es nochmals ein halbes Jahr gedauert, bis die CD schließlich tatsächlich  fertig war.

Und wie sehen die nächsten Schritte aus?

Was jetzt ansteht, ist eben das Ding unter die Leute zu bringen. Und das ist natürlich nicht wirklich ein leichtes Unterfangen. Als Musiker musst du heutzutage in die verschiedensten Rollen schlüpfen. Auf Facebook habe ich eine Aussage von einem ganz berühmten Schlagzeuger, Dave Weckl, eine Aussage gelesen, in der dieser meint: „ The musicians job today is being artist, being webmaster, being manager, being record company, being photographer, being graphic designer, being promoter, being everything.“ Das musst du ja erst einmal zeitmäßig hinkriegen. Und irgendetwas leidet immer darunter. Bei mir ist es im Moment mein Spiel. Ich komme einfach nicht zum Üben. Weil ich das Ding jetzt einmal verbreiten muss. Wobei es mir nicht ums Geld geht. Ich mache es, weil ich es will. Die CD ist eine Herzensangelegenheit, sie ist mein Baby. Jeder einzelne Song auf diesem Ding, ist wie ein Kind von mir, auf das ich sehr stolz bin.

Danke für das Gespräch.

 

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