Mit ihrem neuen Album “Blick auf die Alpen” (Wohnzimmer Records/Buback) stellen sich Kreisky – bewußt oder unbewußt – in einen Kontext, den schon Joseph Roth in “Die Kapuzinergruft” wie folgt formuliert hat: “Das Wesen Österreichs ist nicht Zentrum, sondern Peripherie. Österreich ist nicht in den Alpen zu finden.”
So findet sich bei Kreisky nun nicht nur ein scharfer, zuweilen hasserfüllter, jedoch nie zynischer Blick auf besagte Gebirgsformationen und deren Bewohner_nnen. Denn: “Alpen gibt es überall, so Kreisky-Sänger Franz Adrian Wenzl kryptisch. Mit Geografie braucht man ihm dabei jedoch gleich gar nicht kommen. Schon gar nicht mit realen. Die Figuren von denen er auf “Blick auf die Alpen” singt, sind in ihren Rollen so festgefahren wie universell. Sie sind gegen etwas, weil jemand anders dafür ist. Gegen die Eltern in den Teenager-Dramen “Weinkrämpfe” und “Wir machen uns Sorgen um dich”, gegen unerträgliche Besserwisser-innen in “Wir Unterhaltenen” und “Die Wildnis” oder im Titelsong, sowie gegen die anderen per se im breit angelegten “Rinderhälften”.
Alles arme Geschöpfe, die sich ihrer Fehler zwar vielleicht auch halbbewußt sind, die jedoch nicht erkennen, dass es gerade jene Verhältnisse sind in denen sie leben (und die sie gleichzeitig am Leben erhalten), die für all die Fehler im zwischenmenschlichen und gesamtgesellschaftlichen Umgang miteinander verantwortlich sind. Immer hält sie jemand davon ab, so zu sein, wie sie eigentlich sein könnten, wollten, sollten. „Wobei, selber schuld“, giftet Wenzl, ohne sich dabei selber heraus zu nehmen. Kreisky begeben sich dabei in eine Weltsicht und Weltdekonstruktion, die nicht zufälligerweise auch an das Frühwerk von Fassbinder mit dem systemimanenten Scheitern seiner verzweifelten und zu keinem Ausbruch fähigen tragischen (und dabei auch nicht immer sympathischen) Figuren erinnert.
Das Wiener skug-Magazin formulierte dieses Kreisky-Spezifikum einmal so: “Kreisky holen sich ihre Lizenz zum Unglücklichsein aus der Erkenntnis eines ganz anderen Dilemmas. Was, wenn Dagegensein immer nur als Wunsch nach einem verwehrten Dabeisein manifest wird? Wenn also die paradoxe Dialektik eines ‘Include me out’ bzw. ‘Exclude me in’ noch gar nicht als Frage und Problem am Ereignishorizont aufgetaucht ist.”
Dabei ist “Blick auf die Alpen”, trotz oder gerade wegen aller freigelegten und rausgesungenen Makel, eine beinahe fast mitfühlende Platte geworden. Den Industrie-Lovesong “Pipelines” oder die Prokrastinierer-Hymne “Selbe Stadt, anderer Planet“, zu denen die Band zwei hinreißende Videos gedreht hat (diesmal jedoch ohne Katzen, jedoch mit Hühnern), kann man jederzeit zur Herzensbildung heranziehen. Auch wenn das Album betont unversöhnlich endet: “Die Erde ist ein Todesstern, und wer auf ihr lebt, muss sterben.” Dazu Meuchelmördergitarren, die wissen, dass sie selber auch schon mal bessere Zeiten erlebt haben.
Kreisky zelebrieren die ihnen von überall her zugeschriebene “Miesepetrigkeit” als große Darstellungskunst jenseits blödelnder Ironisierungen und jenen Pathosgefilden, wo offen ausgetragene Herzens- und Seelenzustände als Kunst missverstanden werden. Auch Kreiskys “Noise-Rock” erscheint so eher als Blechschaden, denn als Versuch us-amerikanische Vorläufer nachzustellen. Dazu Kreisky-Sänger Franz Adrain Wenzl: “Mit Kreisky verwenden wir elitäre Elemente der klassischen Rock-Avantgarde, die entsprechenden Codes und den dazugehörigen Habitus, und versuchen das so zu brechen, dass das für ein breiteres Publikum interessant ist. Zum anderen finde ich, dass interessante Kunst immer mehr sein muss als die Summe tausender Probestunden und peniblen Arbeitens. Irgendwas muss da drinstecken, das über unser Leben hinausreicht.”
Oder anders gesagt: “Kreisky sind gleichzeitig extrem aufwühlend und entspannend … sperrige und krachige Klänge, die selbst von Rockmusik inzwischen längst enttäuschte und abgewendete Hörer vom Hocker hauen können.” (Junge Welt)
Produziert wurde “Blick auf die Alpen” übrigens von Kreisky und Oliver „Ollmann“ Brunbauer (Gustav, BulBul, Elektro Guzzi), aufgenommen wurde über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren im Studio der Wiener Symphoniker (!) im Konzerthaus Wien, die Abmischung fand schließlich im Feedback Studio 2 statt und Gemastert hat Chris Potter im Electric Mastering Studio London, der auch schon Arbeiten von den Arctic Monkeys, Franz Ferdinand, Duffy oder Gossip feinpolierte. „Blick auf die Alpen“ erscheint als Kooperation der Labels Wohnzimmer und Buback als CD, Vinyl und Download.
Termine:
15.03. Arge, Salzburg
27.03. Weekender, Innsbruck
29.03. Kono, Ebensee
03.04. Kino im Kesselsaal, Krems
04.04. Cselleymühle, Oslip
05.04. Posthof, Linz
12.04. Willage, Zwettl
24.04. Arena, Wien
25.04. Röda, Steyr
Fotos Kreisky: Ingo Petramer
http://www.kreisky.net