Endbericht: „Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Musikarbeitsmarkt in Österreich“

Die Corona-Pandemie hat die österreichische Musikwirtschaft, wie nie zuvor nach dem 2. Weltkrieg, erschüttert. Insbesondere der Musikveranstaltungsbetrieb ist national und international in den letzten beiden Jahren so gut wie zum Erliegen gekommen. Dadurch ist die wichtigste Einkommensquelle für Musiker_innen – das Konzertieren im In- und Ausland – versiegt.

Die vom Institut für Kulturmanagement und Gender Studies (IKM) vom Februar 2020 bis März 2021 durchgeführte Online-Befragung, an der 1.777 in Österreich tätige Musikschaffende[1] teilgenommen haben, belegt das drastische Ausmaß der finanziellen Verluste der Befragten. Im Zeitraum vom 15.03.2020 bis 14.03.2021 haben 86% Einkommensverluste aus musikbezogenen Tätigkeiten erlitten. 31% jener, die in der Umfrage Auskunft über ihre Verluste gemacht haben, verloren mehr als € 10.000. Als Hauptgrund für die Einkommensverluste wurde von 91% der Befragten die Absage und Verschiebung von Konzerten in Österreich aber auch im Ausland genannt. Es ist vor allem die Kombination von Verlusten aus mehreren Tätigkeiten, die sehr hohe Einkommenseinbußen verursacht hat. Besonders viel haben die freischaffenden Musiker_innen, die die Hälfte der Befragten ausmachen, verloren. 45% der ausschließlich freischaffend Tätigen haben mehr als € 10.000 pro Jahr an Einkommen eingebüßt. Ein zusätzliches Anstellungsverhältnis dämpft zwar die Höhe der Verluste, dies ändert aber nichts daran, dass auch diese Gruppe zu einem hohen Anteil – 93% der Befragten – Einkommenseinbußen hat. Lediglich die ausschließlich im Musiksektor angestellten Musiker_innen sind weniger oft von Einkommenseinbußen betroffen und auch die Höhe der Verluste hält sich in Grenzen.

Hier kann der Bericht im PDF-Format heruntergeladen werden.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Musikarbeitsmarkt in Österreich

Eine Rolle für die Einbußen spielen vor allem die Variablen Alter und Geschlecht. So nimmt die Höhe der Verluste mit dem Alter zu. Während bei den 24- bis 34-Jährigen der Anteil der Befragten, die mehr als € 20.000 verloren haben, bei 7% liegt, steigt dieser bei den 35- bis 50-Jährigen auf 17% und bei den über 50-Jährigen auf 19% an. Ähnlich ist der Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Befragten. So haben 17% der Männer und 7% der Frauen mehr als € 20.000 verloren. Diese absoluten Einkommensverluste dürfen aber nicht dahingehend falsch interpretiert werden, dass jüngere Musiker_innen und Frauen wirtschaftlich weniger stark von der COVID-19-Pandemie betroffen wären. Die Analyse der relativen Einkommensverluste zeigt nämlich, dass jüngere Alterskohorten und weibliche Befragte vor der Pandemie bereits weniger verdient haben. Deshalb sind niedrigere absolute Einkommensverluste für diese Gruppe von Befragten sehr schmerzhaft und in manchen Fällen sogar massiver als bei denjenigen, die vor der Pandemie gut verdient haben und sich Vermögen aufbauen konnten.

Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Großteil der im österreichischen Musiksektor Tätigen finanziell schwer von der Corona-Pandemie betroffen ist. Die Analyse der relativen Einkommensverluste zeigt, dass im ersten Pandemie-Jahr 2020 rund 40% der künstlerisch-ausübenden Musiker_innen um eine Einkommenskategorie nach unten gerutscht sind. 27% sind um zwei Kategorien und 13% sogar um drei Kategorien nach unten gefallen. Insgesamt ist fast ein Viertel aller Befragten von zwei der beiden höchsten Einkommenskategorien (über € 9.000 pro Jahr) in eine der beiden untersten Kategorien (unter € 4.000 pro Jahr) gerutscht.

Es ist daher wenig überraschend, dass vor allem jene Befragten, die sehr viel an Einkommen verloren haben, mit den finanziellen Unterstützungsmaßnahmen der öffentlichen Hand und anderer Institutionen unzufrieden sind. Vor allem wird die Höhe der finanziellen Unterstützung von 23% der Befragten als wenig bis gar nicht zufriedenstellend bezeichnet. Darin wurden auch die einzelnen Fördermaßnahmen von den Befragten bewertet. Am besten schneiden dabei die Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstler_innen (92% eher zufrieden bis sehr zufrieden), der Lockdown-Bonus für selbständige Künstler_innen, der COVID-19-Fonds beim KSVF und die coronabezogenen Stipendien der Kommunen und Länder (89% Zufriedenheit) ab. Der auch von Musiker_innen intensiv genutzte Härtefallfonds der WKO weist eine Zufriedenheitsrate von 81% auf, wohingegen die Herabsetzung und Stundung laufender Fixkosten, der Fixkostenzuschuss für selbständige Künstler_innen und der Lockdown-Umsatzersatz die niedrigsten Zufriedenheitswerte aufweisen. Insgesamt zeigt sich, dass Unterstützungsmaßnahmen für Musiker_innen in Österreich sehr vielfältig sind und durchaus auch von den Betroffenen geschätzt werden, es aber auch nach dem zweiten Pandemiejahr immer noch Förderlücken gibt.

Neben den finanziellen Unterstützungen, die als kurzfristige Hilfsmaßnahmen enorm wichtig sind, braucht es darüber hinaus aber ein zwischen den Gebietskörperschaften akkordiertes Konzept, wie und unter welchen Umständen ein kontinuierlicher Musikveranstaltungsbetrieb sichergestellt werden kann. Die Haupteinnahmequelle für die in Österreich tätigen Musiker_innen sind vor allem die Live-Musikdarbietungen, egal ob auf Musikfestivals, in Stadienkonzerten, in Opern- und Konzerthäusern oder in lokalen Musikclubs. Es muss sichergestellt werden, dass Musikveranstaltungen mit entsprechenden Sicherheitskonzepten wieder stattfinden können, um die Einkommenssituation der betroffenen Musiker_innen zu verbessern und zu stabilisieren. Darüber hinaus braucht es ein zumindest für den EU-Raum abgestimmtes Konzept, um die für die Musiker_innen-Einkommen so wichtigen länderübergreifenden Auftritte wieder zu ermöglichen.

Da die weltweite Pandemie ins dritte Jahr geht und die damit verbundenen Restriktionen immer noch gelten, muss davon ausgegangen werden, dass sich die wirtschaftliche Lage der Musikschaffenden in Österreich seit dem Erhebungszeitraum weiter massiv verschlechtert hat und die Betroffenen immer stärker in ihrer Existenz gefährdet sind. Bitte bedenken Sie beim Lesen der im Bericht aufbereiteten Statistiken und Grafiken, dass sich hinter jedem Datenpunkt eine menschliche Existenz verbirgt, die durch die massiven Einkommensverluste bedroht ist. Die aus der Umfrage gewonnene Datenlage zeigt, dass die meisten Musikschaffenden in Österreich bereits vor der Pandemie in prekären Arbeitsverhältnissen tätig waren, die durch die behördlichen Maßnahmen und Lockdowns weiter verschlechtert wurden. Es liegt daher auch in der Verantwortung der Republik Österreich und all seiner Gebietskörperschaften diese für das Land so wichtige Berufsgruppe nicht nur finanziell zu unterstützen, sondern auch die Voraussetzungen für einen funktionierenden Musikveranstaltungsbetrieb wiederherzustellen.

Bericht: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Musikarbeitsmarkt in Österreich


Peter Tschmuck ist Professor am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst.

Der Artikel ist auf der Seite der Musikwirtschaftsforschung erschienen.


Endnoten

[1] Musikschaffende wird als Sammelbegriff für ausübende Musiker_innen, Komponist_innen & Arrangeur_innen, musikpädagogisch Unterrichtende, Musikerzieher_innen, Musikvermittler_innen, Tontechniker_innen, Musiktherapeut_innen sowie für in der Musikwirtschaft Tätige verwendet. Sie alle leisten einen Beitrag dazu, dass Musik geschaffen, verbreitet und vermittelt wird.