Obwohl der Niedergang des Marktes evident ist, lässt sich mit Verkäufen und Streaming immer noch Geld verdienen. Aber wie sieht es mit den Chancen tatsächlich aus?
Es diskutierten:
Doris Mitterbacher aka Mieze Medusa (Musikerin, AT)
Vladimir Philippov (Heaven11, RU)
Robert Singerman (Brasil Music Exchange, US)
Kristin Thomson (Future of Music Coalition, US)
Es moderierte:
John Robb (Musiker/Autor, UK)
Der Satz „Damals war alles viel leichter!“ sei nichts weiter als ein Klischee, meint Moderator John Robb einleitend. Es sei für Leute, die Musik machen, immer ein Kampf gewesen. Nur wie der Kampf geführt wird, habe sich eben grundlegend geändert.
Kristin Thomson, die auf ihrem Label in nur acht Jahren stolze 77 Alben veröffentlicht hat, hält eingangs fest, dass bei Konzerten in ihrem musikalischen Umfeld heute immer noch CDs und allerhand Merchandising-Artikel verkauft würden. Darüber hinaus gebe es aber unzählige andere Möglichkeiten, Musik entgeltlich unter die Leute zu bringen. Sogar Lyrics würden heute gehandelt. Es gehe aus Sicht der Künstler auch nicht ausschließlich darum, möglichst viel Geld zu machen, sondern darum, Kosten zu kontrollieren. Wenn das gelingt, bestünde auch heute noch die Möglichkeit, nach einer bescheidenen Tour mit Geld nach Hause zu kommen. John Robb stimmt dem zu.
Singerman, der in seiner musikalischen Historie schon mit Bands und Künstlern wie REM und Fela Kuti zusammen gearbeitet hat, vertritt die Auffassung, die Möglichkeiten seien für den Artist grundsätzlich größer geworden. Aber in jeder Umbruchphase – und in einer solchen befinde man sich nun einmal – gebe es Schwierigkeiten, die es zu meistern gilt.
Schwierigkeiten meistern! Aber wie?
Laut Singerman gebe es von Crowdfunding bis Geo-Lokalisierung Möglichkeiten für den Artist von heute bzw. sein Management, um genau zu wissen, wo die Fans zu Hause sind, was einen unschätzbaren Vorteil bedeute. Aber auch Livingroom-Shows, Social Media-Aktivitäten und spezielle Shows und Goodies würden eine Intensivierung der Künstler-Fan-Beziehung ermöglichen. Das sei ungemein wichtig. Das Radio hingegen sei nur dann relevant, wenn auch signifikante Promo-Budgets zur Verfügung stünden. Über Lyrics-Programme ließen sich heute Songs auch international verstehen. Überhaupt gehe es mehr und mehr darum, sich weltweit zu präsentieren. Und dabei sei entscheidend, in den Chats und Foren, in denen sich die Leute bewegen, vorzukommen. Die Möglichkeiten dafür wüchsen Woche für Woche.
Sehen sich damit nicht genau all jene bestätigt, die sagen, alles sei komplizierter geworden? Singerman kontert, dass die wirklich bekannten Bands immer schon Leute um sich gehabt hätten, die sich genau darum kümmern. Letztlich sei es immer schon um Team-Building gegangen, wenn man erfolgreich sein will. Er sei zuversichtlich, was die Möglichkeiten anbelangt, mit Musik Geld zu verdienen.
Doris Mitterbacher kommt auf die Wichtigkeit staatlicher Förderung zu sprechen. Auch die Subkultur müsse einen Weg finden, an das bereitgestellte Fördergeld zu kommen. Wer aus Wien kommt, erhalte doch kaum Geld, sagt sie, außer er macht Klassik. Aber das entbinde einen nicht von der Pflicht, sich immer wieder um dieses Geld zu bewerben – und sei es nur, um zu zeigen, dass man da ist und Anspruch darauf erhebt. „Man muss immer wieder fragen. Sonst bekommt man nichts.“
Das richtige Publikum finden – eine Mission Impossible?
Philippov stimmt zu. Nur dürfe man sich nicht verbiegen, um an dieses Geld zu kommen. Die Musik müsse immer zuerst kommen. Er kenne leider viele Bands, die, um an Geld zu kommen, vom Weg abgekommen seien. Das Publikum sei überfüttert und versinke in der Masse an Musik, nach der ein Jahr nach Release kein Hahn mehr krähe. Umso wichtiger sei es, wie man dem Publikum gegenüber tritt. Das entscheide über Erfolg und Misserfolg, weil es so unfassbar schwer geworden ist, der guten Musik habhaft zu werden. Das richtige Publikum zu finden, grenze an eine Mission Impossible.
Robb stimmt dem zu. Es gäbe schließlich 100.000 Bands, die Indie-Rock spielen. Genau deshalb gehe es darum, eine enge Community zu bilden, ist sich Thomson sicher. Bandcamp etwa sei eine Plattform, die es dem Artist ermögliche, seine eigenen Preise festzusetzen. Vor zehn Jahren wäre derlei noch undenkbar gewesen. Darüber hinaus seien die Möglichkeiten, sich mit seinen Fans kurzzuschließen, schier unbegrenzt. Facebook, Preisausschreiben, exklusive T-Shirts. Das alles befeuere das Exklusivitäts-Streben und die Sammler-Mentalität der Fans.
Singerman betont noch einmal den großen Vorteil, zu wissen, wo die eigenen Fans leben. Und wenn man über die Regierung und deren Aufgaben wie z. B. das Förderwesen etc. spreche, müsse man auch über die Verantwortlichkeit der Internet-Service-Provider für Urheberrechtsverletzungen sprechen. Wenn das geregelt wäre, wäre viel mehr Geld im Umlauf.
Philippov betont schließlich die Wichtigkeit von Meta-Daten für eine akkurate Abrechnung der Tantiemen. Viele Musiker wüssten gar nicht, wie viel Geld ihnen durch die Lappen geht, weil ihre Tonträger über keine entsprechende Daten-Signatur verfügen. Auch eine einheitliche Datenbank wäre wünschenswert. Er bzw. sein Unternehmen habe ein Tool entwickelt, dass den Urhebern bei der Registrierung helfen kann. Jeder könne sich einloggen. Persönlich glaubt Philippov an den Siegeszug der License On Demand-Systeme. Dadurch könne sichergestellt werden, dass innerhalb einer Sekunde erkannt wird, welcher Song gerade hoch geladen wird, um den entsprechenden Lizenzantrag zu stellen. Kein zusätzlicher Administrationsaufwand wie etwa bei Spotify sei nötig. Die 300 Leute, die dort für komplexe Lizenzierungen abgestellt seien, könne man sich ganz einfach sparen.
Welches Team braucht man?
Aus dem Publikum möchte jemand – zurückkommend auf das bereits angesprochene Team-Building – wissen, welches Team denn nun unerlässlich sei, wenn man als Musiker erfolgreich sein will.
Thomson meint, es gehe um die richtige Rollenaufteilung und Entwicklung der Rollen. Auf jeden Fall brauche man einen Booking Agent, seinen Job sollte man nur unter bestimmten Umständen selbst machen. Aus eigener Erfahrung wisse sie, dass es einen enormen Unterschied mache, wenn das jemand Außenstehender erledigt. Außerdem brauche man jemanden, der sich mit Social Media auskennt und diese entsprechend füttert.
Singerman ist der Auffassung, dass es viele gebe, die im Team sein wollten. Es gehe nur darum, sie zu aktivieren. Dabei denke er an Dienste wie Heaven 11 des anwesenden Philppov oder Bandcamp.
Robb ergänzt, dass im Grunde genommen doch jeder einmal beginne, derlei Dinge selbst zu erledigen, um dann mit der Zeit mehr und mehr davon an Leute abzugeben, die auf gewisse Bereiche spezialisiert sind und diese deshalb besser erledige als man selbst.
Markus Deisenberger
Fotos: Maria Hammer
Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.
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