Soundlogos oder die spannende Welt der akustischen Markenführung

Jeder der an die Deutsche Telekom denkt, der hat ein Musterbeispiel dessen, was man als Soundlogo bezeichnet im Ohr. Wie man Marken ihren Klang verleiht und unter welchen Bedingungen dies geschieht war Thema der MUSIC BUSINESS LOUNGE mit Soundlogo-Pionier JOHN GROVES und Hollywood-Anwältin JUDITH MERIANS im Wiener MuTh.

Die diesjährige Ausgabe der Music Business Lounge unter dem langen, fast schon barock zu bezeichnenden Titel „Sound Branding – A Trojan Horse in Our Brains? Sound Branding and the Marketplace: Aesthetics, Psychology, Economics, Legal Aspects” im Atelier des MuTh brachte eine Auseinandersetzung mit einem Thema, das, so ein Konsens der Keynote, wie auch der Podiumsdiskussion, nach wie vor von der Industrie im Rahmen ihrer Marketing-Aktionen unterschätzt wird. Jede Marke braucht ein visuelles Logo, ja eine visuelle Corporate Identity, aber dass auch ein Sound Branding heute eine Notwendigkeit darstellt, das bedarf nach wie vor der Vermittlung. Das lässt sich gerade ab Erfolg des Soundlogos, wie des der Deutschen Telekom zeigen. Dieses wenige Sekunden dauernde Logo ist, auch dank der Verwendung als Handy-Klingelton, nicht mehr aus der breiten Öffentlichkeit wegzudenken. Grund genug für das Zentrum für Zeitgenössische Musik der Donau-Universität Krems im Rahmen der Gastaufenthalte zweier Experten auf diesem Gebiet ein Panel mit vorhergehender Keynote im Rahmen ihrer Music Business Lounge zu veranstalten.

Die DiskutantInnen

Die beiden Diskussionspartner und der Moderator des Abends seien kurz vorgestellt:

Judith Merians (c) Pressefoto
Judith Merians (c) Pressefoto

Die Hollywood-Juristin Dr. Judith Merians blickt auf beinahe drei überaus erfolgreiche Jahrzehnte als Anwältin und Business Exekutive im internationalen Filmgeschäft zurück. Für Regent Entertainment International ist sie nicht nur als Rechtsexpertin tätig, sondern führt auch Verhandlungen für die Bereiche Vertrieb, Koproduktionen und Finanzen. Neben mehr als 300 Independent-Filmproduktionen, an denen sie maßgeblich beteiligt war, gehören zu den Stationen ihrer Karriere die Hollywood-Firmen Warner Bros., Paramount Pictures Corporationen und ABC Motion Pictures. Neben diesen Tätigkeiten ist Merians auch eine regelmäßige Lehrkraft an der University of California Los Angeles (dort lehrt sie Business of the Film Industry) und an so renommierten Filmschulen wie dem Gerassimow-Institut für Kinomatographie in Moskau oder der Tokyo Film School. Auch bei den Filmfestspielen Cannes war sie sechs Jahre lang als Konferenzvortragende tätig. Ihr Portfolio wird ergänzt durch ihre Tätigkeit als Autorin von Fachartikeln.

John Groves ist der Mann, der Marken ihren Klang verleiht. Sein grandioser Erfolg mit dem Werbehit „Sippin on Bacardi Rum“ brachte ihm den Spitznamen „Mister Bacardi“ ein und machte ihn zu dem Pionier der Werbemusikproduktion. Ohne den in Hamburg lebenden und arbeitenden Komponisten wären die Soundlogos für Coca-Cola, Teekanne oder Melitta nicht so bekannt, wie sie es heute sind. Seine Orchesterwerke für Unternehmen wie Berliner Kindl oder Audi Quattro schufen ebenso charakteristische Klangprofile, wie seine Arbeiten für die Rundfunkanstalten WDR und NDR, denen Groves deren gesamte Soundidentität gab. Zu den Kunden seines 1983 gegründeten Unternehmens GROVES Sound Communications gehören außerdem so klingende Namen wie BMW, Mercedes, Austrian Airlines, VISA, Bahlsen oder Sony. Auch verdankt der Eurovision Song Contest John Groves seinen akustischen Markenauftritt. Sein profundes Wissen gab und gibt der Komponist und Geschäftsmann in Meisterklassen, Workshops und im universitären Bereich weiter. Zudem ist er Autor von Fachartikeln und Fachbüchern und als Präsident des Composers-Club zählt er zu den wichtigsten Medienmusikfunktionären Deutschlands.

Das Podium wurde ergänzt durch Moderator Miguel Kertsman, der Komponist ist Lehrgangsleiter des Master of Arts-Programms am Zentrum für zeitgenössische Musik, dessen Curriculum er entwickelt hat.

Sound Branding als trojanisches Pferd in unseren Gehirnen

John Groves begann seine Keynote, die er mit einer multimedialen Präsentation unterstrich, mit einer näheren Bestimmung des Terminus Sound Branding. Grundsätzlich ist hierbei zu bemerken, dass sich ganz im Allgemeinen weder in der Fachliteratur noch im unternehmerischen Kontext für den deutschen Terminus der akustischen Markenidentität kein einheitlicher Begriff durchgesetzt hat. Groves bevorzugt den in unternehmerischen Kontexten gebräuchlichen Terminus Sound Branding, während wissenschaftlich geschulte Personen wohl eher von Audio Branding sprechen würden. Statt einer langen wissenschaftlichen Begriffsbestimmung brachte Groves seine Definition auf die knappe, wie richtige Formel: Your sound. Everywhere. Es ginge darum, eine target situation zu schaffen, was heißt: jeder soll das Produkt oder die Marke mit dem Klang, der nur wenig Zeit in Anspruch nimmt, identifizieren können. Ein Markenbewusstsein beim Verbraucher gilt als das oberste Ziel, ähnlich wie dies auch bei einem visuellen Logo der Fall sei.

Im Falle des Sound Branding bewegt sich die Thematik in einer Dichotomie oder Spannung zwischen zwei Polen. Der Natur auf der einen Seite und der Pflege oder Erziehung auf der anderen Seite. Der Mensch reagiert von Natur aus auf Klänge. Seine „natürliche“ Anlage zwingt ihn dazu; es ist der Rest seiner instinktiven Natur. Groves illustrierte diesen Zusammenhang mit dem Verweis auf eine Situation des Menschen, wenn er sich alleine in einem dunklen Wald befindet. Ein Geräusch im Gebüsch löst automatisch einen Reflex aus, ob es sich dabei um einen Tiger oder einfach nur eine Katze handelt. Der Laut dieses Tieres sorgt dann für den Fluchtreflex oder eben nur den Ärger darüber, dass einen die Katze des Nachbarn erschreckt habe. Mit dieser natürlichen Funktion arbeiten auch Soundlogos, indem circa zwei Sekunden mit einer Bedeutung gefüllt werden. Dabei werden zwei weitere Funktionen des Menschen ausgenützt. Zum einen die, dass der Gehörsinn bereits eines Babies zwischen heiteren und ersten Klängen oder Musik unterscheiden kann und zum anderen, dass es eine Art natürlich eingepflanztes Verständnis – über diesen Punkt könnte aber fürstlich gestritten werden – für die westliche Musik bei Menschen aus diesem Kulturraum gibt. Dies führt weiter zum Punkt der Pflege im Sinne des Erzieherischen. Der Mensch soll nach den Theorien des Sound Branding in einer Form geformt werden, wie es die berühmten pavlowschen Hunde wurden. Ein Jingle oder Soundlogo soll bei der KundIn einen Reflex auslösen, der sofort das Produkt oder die Marke assoziiert.

Musik ist in diesem Zusammenhang als die Mathematik der Emotionen zu begreifen, wie John Groves dies nennt. Sie hat auf Emotionen und Gedanken einen Einfluss in Form eines Triggers im Sinne von Anspannung und Entspannung und löst Assoziationen aus. Diese beiden Punkte haben sowohl einen physiologischen Reaktionsaspekt als auch einen Effekt auf das Verhalten. Das Beispiel des pavlowschen Hundes kann dies illustrieren helfen: Als die Hunde die Glocke hörten, reagierten sie, auch wenn kein Futter kam, indem ihnen das Wasser im Maul zusammen lief.

Bild John Groves
John Groves (c) Pressefoto

Der letzten Frage, welcher sich Groves in seiner Keynote zuwandte, betraf die Beschaffenheit des wirksamen Soundlogos. Es hat fünf Voraussetzungen zu erfüllen: (1) es muss distinkt sein, (2) es muss jederzeit erinnerbar sein (Groves umschrieb dies mit einem Recognise value), (3) es muss flexibel sein, (4) es muss konzise sein und zuletzt (5) es muss zur Marke passen. Vor allem die Flexibilität konnte Groves durch ein Praxisbeispiel illustrieren. Er arbeitete anschaulich die Differenz aus technischer Perspektive zwischen einem Klang im Fernsehen und denselben bei der Telefonanlage in Form einer Tonbandansage heraus. Es ist darauf zu achten, so Groves, dass auch eine Veränderung der Technik im besten Falle keine Veränderung des Klangs eines Soundlogos hervorrufe. Erst dann sei es als gelungen zu bezeichnen.

Vom Mangel an guten Soundlogos über deren Ästhetik bis hin zur rechtlichen Situation

Die folgende Diskussion drehte sich vor allen Dingen um die Frage, warum bis heute Unternehmen so wenig Acht auf die Implementierung und Verwendung von Soundlogos geben. Ausgehenden von den zahlreichen Beispielen die Groves in seiner Keynote stellt sich diese Frage dringlicher als man denken könnte. Es scheint, so die Einigkeit auf dem Podium und im Saal immer noch Visualiät vor der Oralität zu gelten.

Auf die Frage hin wie lange es denn dauern würde ein gutes, ja ein gelungenes Soundlogo zu entwerfen, ließ Groves die Entstehungsbedingungen eines solchen vom Auftrag bis zur Implementierung Revue passieren, um damit deutlich zu machen, dass es je nach Auftrag zu einer großen Varianz kommen würde. Ein Soundlogo könne sowohl über Nacht geboren werden als auch einen langen Prozess durchwandern bis zu seiner Marktreife.

Hierauf wurden zwei weitere Schwierigkeiten der Soundlogos aus ästhetischer, wie auch rechtlicher Sicht diskutiert. Ihre Vergleichbarkeit, wie auch deren Bekanntheitsgrad im Sinne von deren Awareness, was man im Deutschen mit deren Gewahrsein nur ungenügend bezeichnen kann. Auch hieraus ergibt sich eine gewisse Dialektik, die darin befestigt liegt, dass Soundlogos individuell, aber dennoch für die potentiellen KundInnen erkennbar sein sollen. Dabei verwies Groves auf den für ihn wichtigen Parameter, und sein Erfolg könnte ihm Recht geben, der melodiebasierten Soundlogos, die er für seine Kundschaft angerfertigt hat.

Besonders eindrücklich erwies sich die Diskussion der rechtlichen Aspekte bei denen Judith Merians und John Groves das amerikanische Copyright gegen das europäische abwogen. Aus verschiedenen Positionen betrachtet, blickten die beiden DiskutantInnen gemeinsam mit Moderator Kertsman auf verschiedenen Modellfälle aus der freien Wirtschaft, die sie anschaulich mit eigenen Erfahrungen illustrierten. In dieser angeregten Atmosphäre ging dann der Abend über in ein gemeinsames Get-together bei Brot und Wein, bei dem noch weitere Modellfälle und Praxiserfahrungen diskutiert wurden.

Simon Haasis

Links:
Donau-Universität Krems
MuTh