Francis International Airport sind eine der ambitioniertesten heimischen Popbands, die die sprichwörtlichen „internationalen Standards“ musikalisch locker erfüllt. Nach dem zwischen Melancholie und Hymne schwankenden Album „In the Woods“ hat sich das in Wien lebende niederösterreichische Quintett auf dem neuen Album „Cache“ in Richtung Elektronik entwickelt, wobei die Einflüsse von Krautrock bis zu 80er-Synthesizern reichen und die Songs oft in exquisiten Stimmungen zerfließen. Sebastian Fasthuber hat die Brüder Zahradnicek – Sänger und Gitarrist Markus und Bassist David – zu ihrer Musik und zu ihren Perspektiven befragt.
„Cache“ ist euer drittes Album. Und es klingt wieder ziemlich radikal anders als sein Vorgänger.
Markus: Ich glaube, musikalisch ist die Veränderung gleich radikal wie zwischen erstem und zweitem Album. Vielleicht wirkte der Unterschied damals noch größer, weil das erste Album keine richtige Studioproduktion war, sondern eine Wohnzimmerproduktion. Die letzten beiden Alben sind Studioalben, aber, wie du sagst, doch ganz verschieden. Die Herangehensweise und auch die Soundästhetik, die herausgekommen ist, ist diesmal eine ganz andere.
Woran liegt das, dass ihr euch mit jedem Album neu erfindet?
Markus: Seit „In the Woods“ sind drei Jahre vergangen. Da entwickelt man sich als Musiker wie auch als Mensch irgendwo weiter. Es entstehen neue Interessen, man interessiert sich vielleicht auch für andere Aspekte des Musikmachens. Wir alle sind Persönlichkeiten, die an einer Entwicklung interessiert sind. Wiederholungen langweilen uns schnell.
Ihr greift sehr bewusst und offen auf diverse Einflüsse zurück. Decken sich eure Vorlieben denn so sehr?
Markus: Schon. Die musikalischen Überschneidungen finden nicht irgendwo an der Peripherie statt, sondern wir hören über weite Strecken dieselben Sachen zur selben Zeit. Wir kennen und auch schon alle wirklich, wirklich lang. Wir spielen nicht nur gemeinsam in einer Band, wir sind Freunde. Das liegt sicher auch daran, dass wir alle nicht aus Wien kommen, sondern aus derselben Gegend im Raum St. Pölten. Mani und Georg sind zwar erst später dazu gestoßen, aber wir kennen sie auch schon sehr lang. Die gemeinsame Herkunft schweißt uns zusammen.
David: Wir sind halt gemeinsam musikalisch sozialisiert worden.
Markus: Genau. Und wenn ich heute etwas Neues entdecke, dann sind meine Bandkollegen immer noch die ersten, denen ich das vorspiele. Ich höre mir ein Platte auch mindestens zwei Mal an, wenn mir aus der Band jemand einen Musiktipp gibt.
Beim letzten Album wurden oft Beach House und Grizzly Bear als Vergleiche bemüht. Diesmal geht es von Krautrock bis zu 80er-Synthesizern quer durch.
Markus: Diesmal ist es wirklich sehr breit gestreut. Bei diesem Album haben uns vor allem die 80er in allen ihren Facetten interessiert. Und irgendwann kam noch eine Phase dazu, wo wir extrem auf Krautrock und die Anfänge der elektronischen Musik abgefahren sind: Neu!, Can und so Sachen. Was uns besonders fasziniert, sind Verknüpfungen, auf die man nie kommen würde. In „Pitch Paired“ kommen wir innerhalb von vier Minuten von Phil Collins und „In the Air Tonight“ bis zu Kraftwerk. Hauptsache ist, es geht sich aus. Es muss nicht alles in die gängige Indie-Attitude reinpassen.
Was eure Alben verbindet, ist, dass ihr einen sehr atmosphärischen Zugang habt. Teils wird deine Stimme wie ein weiteres Instrument eingesetzt.
Markus: Das sehe ich genauso. Es unterscheidet sich eben von Stück zu Stück: Manche wollen rein Soundtrack sein, manche mehr Songs. Soundmäßig liegen zwischen „In the Woods“ und „Cache“ Welten. Aber wenn wir fünf miteinander Musik machen, kommt dabei etwas heraus, was sich durchaus vergleichen lässt. Am Songwriting erkennt man uns dann doch.
Die Songs kommen zum Großteil von dir – aber nicht mehr ausschließlich, oder?
Markus: Das hat sich bei dem Album ziemlich geändert. Zwei Songs sind von Georg, die singt auch er. Vor allem ist diesmal sehr viel durch digitale Kommunikation entstanden. Da muss ich etwas ausholen: Wenn bei uns die Arbeit an einem neuen Album beginnt, dann fragen wir uns zuerst, wo wir ästhetisch hinwollen. Wir brauchen eine Richtung. Das war diesmal: Elektronik. Im Proberaum sind wir allerdings nicht da hingekommen, wo wir hinwollten. Also haben wir begonnen, zu Hause zu arbeiten. Durchaus jeder für sich im eigenen Heimstudio, manchmal aber auch gemeinsam. Wir haben an Ideen, Sounds und kleinen Schnipseln gearbeitet, die hin und her geschickt wurden. Erst langsam haben sich daraus Songs entwickelt.
David: Deshalb auch der Titel „Cache“. „In the Woods“ war eine komplette Live-Performance, wo wir zu fünft im Studio gespielt haben. Die neuen Songs hätten wir so nie aufnehmen können. Das war ein reines Overdub-Verfahren. Wir haben im Studio zwei Regieräume aufgebaut gehabt. In Raum A sind Drums für Track X aufgenommen worden, im anderen Raum Synths.
Markus: Energie ist bei uns im Studio immer ein Riesenthema. Diesmal konnten wir die Energie nicht erzeugen, indem wir gemeinsam gespielt haben, wir mussten sie über andere Kanäle erzeugen. Geholfen hat, dass wir viele Ursprungsideen vom Homerecording beibehalten haben. Da hast du eine Idee und nimmst sie spontan schnell auf. Oft haben solche Aufnahmen, auch wenn sie nicht perfekt klingen, eine Stimmung und Atmosphäre, die du im Studio unmöglich rekonstruieren kannst. Deshalb haben wir die Homerecording-Ideen behalten und über diese Schablonen drübergearbeitet. Das Album ist ein kompletter Bastard aus Homerecording und HiFi-Studiorecording.
Beim letzten Album habt ihr euch verschulden müssen. Wie habt ihr diese Aufnahme finanziert?
Markus: Wir haben diesmal schon ein gewisses Budget zur Verfügung gehabt. Bei „In the Woods“ hatten wir noch gar keine Kohle. Insofern hatten wir ein bisschen mehr Spielraum.
Ihr seid aus dörflichen Verhältnissen in Niederösterreich nach Wien gekommen. Müsstet Ihr jetzt nicht rausziehen in die Welt, um noch weiter zu kommen? Stoßt ihr in Österreich nicht langsam an eine Grenze?
Markus: Diese Grenze spüren wir definitiv, daraus muss man keinen Hehl machen. Aber es ist auch kein Thema für uns als Band, gemeinsam in eine andere Stadt zu ziehen. Wir haben einfach unser komplettes soziales Umfeld hier. So viele Nachteile Wien und Österreicher für Musiker auch haben mögen, leben wir doch gerne hier. Und in diesem digitalen Zeitalter sollte es doch eigentlich egal sein, wo eine Band herkommt. Sollte, ist es aber leider nicht.
Wo wollt ihr noch hin als Band?
Markus: Künstlerisch sind wir, obwohl wir sehr selbstkritisch sind, schon recht zufrieden mit uns, wirtschaftlich weniger. Ein Album zu veröffentlichen, ist eine komische Sache. Du schickst etwas hinaus in die Welt und hast keine Ahnung, was damit passieren wird. Vielleicht machen wir mit dem Album einen Verlust, vielleicht einen kleinen Gewinn.
Wovon lebt ihr? Von Jobs, oder seid ihr noch Studenten?
Markus: Unterschiedlich. Ein paar studieren noch, ich arbeite, habe aber meinen Job kündigen müssen, um Zeit für diese Albumproduktion zu haben.
David: Der Arbeitsaufwand ist mit diesem Album viel größer geworden. Die Band ist eigentlich längst ein Full-Time-Job für uns alle. Aber dieser Full-Time-Job zahlt sich kohletechnisch noch nicht aus. Das Ziel ist in der Hinsicht natürlich eine gewisse finanzielle Sicherheit. Irgendwann würd ich gern von der Musik leben können.
Markus: Andererseits haben wir nicht die Härte, künstlerisch zurückzustecken, um dadurch vielleicht mehr Erfolg zu haben. Wir hätten auf ein sichereres Pferd setzen und in der Art von „In the Woods“ weitermachen können. Vielleicht vergraulen wir mit dem neuen Material ein paar Fans, aber uns ist der künstlerische Aspekt und unsere Weiterentwicklung als Band einfach wichtiger.
Mit Siluh als Label und angeschlossener Booking-Agentur verfügt ihr über gute Strukturen. Die Voraussetzungen stimmen doch?
Markus: Ja, wir haben ganz gute Voraussetzungen. Unser Umfeld hat Hand und Fuß.
David: International muss man sich seinen Platz halt mühsam erkämpfen. Wir haben in Deutschland, Schweiz und Benelux jetzt einmal einen Fuß in der Tür. Da wollen wir möglichst noch weiter kommen und an Bekanntheitsgrad gewinnen. Wirtschaftlich und auch emotional schön fände ich es, wenn mehr Leute dazu bereit wären, für die Musik ehrlich Kohle zu bezahlen.
Ihr habt schon auf einigen renommierten internationalen Festivals gespielt. Das liest sich in der Bandbiografie toll, aber ist es auch so glamourös?
Markus: Es kommt darauf an. Primavera hat schon einen gewissen Glamour. Das war eine coole Erfahrung mit VIP-Bereich am Strand. Showcase-Festivals sind was Anderes. Die machen sich gut in der Beschreibung, aber der Spaßfaktor geht gegen null.
David: Du hast da ein Set von einer halben Stunde und eine Aufbauzeit zur Verfügung, die halb so lang ist. Du musst aber, weil viele wichtige Leute aus der Branche im Publikum sind, so gut sein, als hättest du eine realistische Vorbereitungszeit zur Verfügung. Du musst also unter den schlechtesten Bedingungen das beste Ergebnis erreichen.
Markus: Das macht keinen Spaß. Wobei man noch dazu sagen muss, dass bei solchen Auftritten die Entlohnung…
David: Welche Entlohnung?
Markus: … sehr gering ist, weil einem suggeriert wird, dass es sich um eine Promoveranstaltung handelt.
Was bedeutet euch generell das Livespielen und der Kontakt zum Publikum? Eure Musik ist doch eigentlich sehr introspektiv und sucht nicht unbedingt den Kontakt zum Hörer.
Markus: Wir sind sicher nicht die Band, die mit der ersten Reihe Publikum abklatscht. Ich fühle mich auch ehrlich gesagt überhaupt nicht als Entertainer.
David: Ein Live-Gig ist für uns dann leiwand, wenn wir merken, dass die Leute wirklich zuhören. In diese Richtung zielt unsere Musik, darauf muss sich ein Publikum aber zuerst einmal einlassen.
Markus: Wir präsentieren live unsere Musik und nicht unsere extravaganten Persönlichkeiten oder unser exzessives Rock’n’Roll-Dasein. Ich glaube, das war es, was den Gerhard Stöger am letzten Album gestört hat.
Er hat das „maulfaule, selbstkritische und über die Maßen bescheidene Auftreten“ von euch kritisiert.
Markus: Ja, aber wir können und wollen uns nicht verstellen. Es gibt Leute, bei denen gehen die Musik und ein ganz starker oder extremer Charakter Hand in Hand. Bei uns ist das überhaupt nicht der Fall. Man hört in der Branche auch oft: Die Geschichte dahinter ist wichtiger als die Musik, man braucht einen Aufhänger, der eine Platte verkaufen hilft. Aber das passt alles nicht zu uns. Mir fallen auch in Interviews einfach keine derben Sprüche ein. Die fallen mir erst ein, wenn die Interviews vorbei sind. (lacht)
Wie wäre es mit ein bisschen Künstlerpose?
Markus: Wenn’s drum geht, artsy zu sein, sind wir eh ganz gut dabei. Aber oberflächliches Gepose wird mir schnell zu viel.
Foto FIA: Gebhart de Koekkoek