„Ich mache nicht Musik, ich mache Kunst“ – ALICIA EDELWEISS im mica-Interview

ALICIA EDELWEISS ist Singer-Songwriterin, Multi-Instrumentalistin, Produzentin und Performerin. Mit „FURIE“ (Glitterhouse Records) erscheint im Mai ihr zweites Studioalbum, auf dem sie künstlerische Ansätze des Maximalismus miteinbindet und damit völlig neue Geschichten erzählt. Mit Akkordeon, Streichern, Synthesizern, Tiergeräuschen – und vor allem mit einer Stimme, die mehr ist als Gesang: Ausdruck, Haltung, Theater. ALICIA EDELWEISS hat mit Katharina Reiffenstuhl über Feminismus und Kunst gesprochen und unter anderem erzählt, warum sie beim Livespielen nicht auf die Zustimmung anderer Leute angewiesen ist.

Du hast dich bewusst dafür entschieden, deine Songs am Album ungewöhnlich lang zu halten. Warum?

Alicia Edelweiss: Ich habe die Lieder geschrieben und mich entschieden, sie nicht zu kürzen. Sie sind einfach so lang. Ich mache schon auch Radio-Edits, aber sonst lasse ich die Lieder so, wie sie sind, und versuche nicht allzu sehr in die Natur der Lieder einzugreifen.

Wenn du ab und zu auch Radio-Edits machst – ist dir das dann doch auch wichtig, die Möglichkeit zu haben, die Lieder über Massenmedien auszuspielen? 

Alicia Edelweiss: Ja, schon. Obwohl Radio nicht mehr so ein großes Ding ist, ist man schon ein bisschen abhängig. Auf Spotify-Pitching kann man leider nicht so ganz vertrauen. Außerdem ist es auch für die Playlists gut, wenn’s kürzer ist, glaube ich. Früher war ich ein bisschen naiv und habe geglaubt, dass es egal ist, was man macht – gute Musik kommt schon raus. (lacht) Jetzt bin ich da ein bisschen vernünftiger und verstehe, dass man gewisse Regeln beachten muss, damit es gehört wird.

Bild der Musikerin und Künstlerin Alicia Edelweiss
Alicia Edelweiss © Hanna Fasching

„FURIE“ ist ein starker Titel. Was steckt dahinter?

Alicia Edelweiss: Für mich ist das Wort wie die letzte Songzeile vom Album, als würde es einen Kreis schließen. Ich sehe das Wort mittlerweile auch sehr positiv, je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr ist es für mich ein Kompliment. Ich verbinde es mit kindlicher und auch ein wenig animalischer Energie, mit nicht-konditioniert-Sein. Sich mehr wie ein Tier verhalten: Wenn man halt wütend ist, ist man halt wütend.

Passend zum Coverfoto.

Alicia Edelweiss: Genau. Ich versuche aber gar nicht, am Cover furchteinflößend zu wirken. Sonst hätte ich ein anderes Foto genommen. (lacht) 

Ist es auch irgendwo ein Akt des Feminismus?

Alicia Edelweiss: Ja auf jeden Fall. 

Musik ist nach wie vor eine männerdominierte Branche. Wo muss man mit dem Feminismus ansetzen?

Alicia Edelweiss: Eigentlich habe ich das Gefühl, das Musikerinnen gerade eh voll hip sind. Wenn du eine Frau in der Band hast, bist du schon bisschen upgegradet, wenn du weißt, was ich meine. Auch, wenn man sich gerade die Grammys angeschaut hat, da waren CHARLI XCX, CHAPPELL ROAN und so weiter ganz vorn. Die andere Welt allerdings, die Welt der Booker, Labels, Produzenten und Mixing-Dudes ist schon sehr männlich dominiert.

„ALS FRAUEN MÜSSTEN WIR DARAN ANSETZEN, DASS WIR UNS MEHR ZUTRAUEN“

Was sind deine Erfahrungen damit?

Alicia Edelweiss: Ich habe tatsächlich auch schon mit Frauen schlechte Erfahrungen gemacht. (lacht) Aber gerade bei der Produktion wird man von Männern oft unterschätzt. Immer dieses “Du kennst dich nicht aus, ich bin da der Spezialist, vertrau’ mir”. Ich weiß halt nicht, wie diese Atmosphäre wäre, wenn ich ein Mann wäre, ob ich da dann immer ernst genommen werden würde. Es gibt sicherlich Typen, die auf alle herabblicken, die jünger sind oder weniger Erfahrung haben. Als Frauen müssten wir daran ansetzen, dass wir uns mehr zutrauen und vielleicht auch mehr selbst machen, denke ich. Ich persönlich merke, dass mein größtes Hindernis beim Album machen ist, dass ich mir immer zu wenig zutraue. Ich weiß eigentlich, dass ich ur viel draufhabe, und einfach machen müsste. Aber es ist immer diese Stimme da, “ich brauche wen, der mir dabei hilft”. Es gibt Leute wie SOAP&SKIN oder FARCE, die machen alles selber – das ist sehr cool. In die Richtung würde ich mich gern hinbewegen.

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Wenn du das auf dein jetziges Album ummünzt – wie viel hast du denn selber gemacht? Da darf man sich ruhig mal selbst loben.

Alicia Edelweiss: Ich habe die Vocals zu ein paar Liedern selbst aufgenommen. Die Produktion habe ich mit Wolfgang Lehmann gemeinsam gemacht, da weiß ich nie, wie viel Prozent wer gemacht hat, aber ich sehe mich auf jeden Fall auch als Produzentin. Ansonsten habe ich einfach die künstlerische Leitung übernommen und die Verantwortung getragen. Gegen Ende hin habe ich immer mehr selber gemacht, auch aus finanziellen Gründen. Es gab kaum Budget für das Album und der Wolfgang hatte auch nicht unbegrenzt Zeit. Dann war das fast gut, dass ich gezwungen war, einiges selber zu machen, und habe viel selbst editiert und produziert. 

Du selbst beschreibst dein Album als „maximalistisch“. Normalerweise preisen immer alle den Minimalismus an.

Alicia Edelweiss: Während Corona bin ich total in Marie Kondo reingekippt, die Aufräumexpertin. Sie bezeichnet sich nicht mal selbst als Minimalistin, aber sie hat eben diesen Bezug dazu. Ich habe dann total viel ausgemistet und habe gesagt “Ich werde jetzt Minimalistin!”. Irgendwann bin ich draufgekommen, dass ich keine Minimalistin bin. (lacht) Ich mag Gegenstände einfach gern, auch mein Gewand oder meine Kostüme. Beim vorigen Album war ich zum Beispiel aus meiner Sicht sehr minimalistisch, glaube ich. Viele rein akustische Sachen, wenige Overdubs. Jetzt wollte ich das Gegenteil machen. Es ist wie ein Spielplatz, wo ich alles machen kann, was ich will. Die Lieder hätten minimalistisch auch einfach nicht funktioniert, das ist so der Punkt. Ich hatte das Gefühl, sie funktionieren nicht so reduziert und brauchen mehr. 

Das heißt, du hattest zwischen den beiden Alben einen kleinen musikalischen Umschwung?

Alicia Edelweiß: Ja, das letzte Album war schon der erste Schritt, denke ich. Das baut alles aufeinander auf. 

Neben Musik machst du mittlerweile auch viel Performance, was du ja auch seit letztem Jahr studierst. Siehst du das als Ergänzung oder als Ausgleich?

Alicia Edelweiss: Als Ergänzung. Ich glaube, alles, was ich mache, versuche ich miteinander zu verschmelzen. Ich studiere Performance auch wegen der Musik. Nur Musik zu spielen finde ich ein bisschen langweilig.

Bild der Musikerin und Künstlerin Alicia Edelweiss
Alicia Edelweiss © Hanna Fasching

„ES MUSS EINEM EGAL SEIN, AUCH WENN NIEMAND ZUHÖREN WÜRDE“

Du hast viel musikalische Erfahrung im Süden Europas gesammelt und warst einige Zeit als Straßenmusikerin unterwegs. Wie hat dich diese Zeit geprägt?

Alicia Edelweiss: Sehr. Es war der Anfang von allem. Ich habe sicherlich eine dickere Haut dadurch, wenn ich auf der Bühne bin, weil ich es einfach gewohnt bin, dass man mich auch mal ignoriert. Ich habe jetzt ein paar Support-Shows für ENDLESS WELLNESS in Deutschland gespielt. Die Konzerte waren ur toll, aber bei zweien war auch so ein bisschen Gerede im Hintergrund. Da kommt dieses Konzept von der Straße so ein bisschen ins Spiel: Es muss einem egal sein, auch wenn niemand zuhören würde. Ich mache das und spiele für mich, ich will nicht zu sehr auf die Leute und ihre Zustimmung achten. 

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Hast du auf dem Album einen persönlichen Lieblingstrack?

Alicia Edelweiss: Ich glaube, es ist “Behind the Gates”. Da bin ich sehr stolz auf das Arrangement. Es ist eines der poppigeren Lieder und repräsentiert für mich das Album einfach sehr stark. 

In deiner Instagram-Biografie steht „Don’t call me a musician it’s insulting” – warum das?

Alicia Edelweiss: Ja, ich weiß nicht warum, ich finde es immer ein bisschen beleidigend, als Musikerin bezeichnet zu werden. Ich sehe das irgendwie so, ich mache nicht Musik, ich mache Kunst. Musik machen können viele Leute, dafür muss man auch gar nicht originell sein. Da sehe ich mich lieber als Künstlerin.

Danke dir für das Interview!

Katharina Reiffenstuhl

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Live:
26.04.25 – Linz | Stadtwerkstatt
29.04.25 – Salzburg | ARGEkultur
03.05.25 – Villach | Kulturhofkeller
08.05.25 – Graz | Postgarage
10.05.25 – Wien | Wiener Konzerthaus
14.06.25 – Haag/NÖ | Verein ENT
05.07.25 – Krems | Walking Concert
17.07.25 – Rankweil | Gemeindebühne
03.-10.08.25 – Villach | Pop Opera HAMLET
17.10.25 – Ebensee | Kino Ebensee

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Links:
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Glitterhouse Records