„Ich denke, man darf sich auch schon einmal ein wenig dem Pop annähern […]“ – FRANZ ADRIAN WENZL (KREISKY) im mica-Interview

Das Jahr 2017 ging für die österreichische Band KREISKY mit dem viel umjubelten Ausflug ins Theaterfach überaus erfolgreich zu Ende. SIBYLLE BERGS Stück „Viel gut essen“, mit den vier Herren von KREISKY als Hauptdarstellern, fand bei Kritikerinnen und Kritikern genauso großen Anklang wie beim Publikum. Mit dem neuen Album „Blitz“ (Wohnzimmer Records/VÖ 16.3.) kehrt der Wiener Vierer nun wieder ins angestammte musikalische Terrain zurück. FRANZ ADRIAN WENZL sprach mit Michael Ternai über die Einfachheit der neuen Songs, das schnelle Vorgehen bei der Entstehung des Albums und darüber, warum die Band unpolitisch ist.

Vielleicht zu Beginn: Sie sind im vergangenen Jahr in Sibylle Bergs Theaterstück „Viel gut essen“ auf der Bühne gestanden. Wie waren Ihre Erfahrungen? Wie war es, mit Kreisky plötzlich in eine andere Rolle zu schlüpfen?

Franz Adrian Wenzl: Ganz anders, als wir es sonst gewohnt sind. Es war insgesamt eine sehr tolle Erfahrung. Wir haben sehr viel gelernt, und das auf ganz verschiedenen Ebenen. Wir freuen uns jeden Tag über die Entscheidung, dass wir bei diesem Projekt mitgemacht haben. Bisher gab es acht Aufführungen. Und fast immer waren diese ausverkauft. Auch die Reaktionen von Presse und Publikum waren eigentlich durchwegs positiv. Alles in allem kann man sagen, dass es eine wirklich coole Geschichte war.

Nun folgt mit dem neuen Album „Blitz” der nächste Streich. Was beim Durchhören auffällt, ist, dass es im Vergleich zu den alten Alben geradliniger und einfacher, um eine Spur weniger sperrig klingt.

Franz Adrian Wenzl: Der Umstand, dass das Album quasi gleichzeitig mit dem Theaterstück entstanden ist, hat uns die Möglichkeit eröffnet, auf diesem eine etwas andere Richtung einzuschlagen. Da wir im Theaterstück mit der Wutbürgerthematik eine eigentlich schwere Materie abgehandelt haben, zog es uns auf unserem Album in das musikalisch etwas Leichtere. Ich würde sagen, dass „Blitz“ für unsere Verhältnisse einen hedonistischen Touch hat. Ich denke, man darf sich auch schon einmal ein wenig dem Pop annähern und eine grelle und schnelle Platte machen.

War die Entscheidung für die musikalische Einfachheit also eine bewusste?

Franz Adrian Wenzl: Ja, es war schon eine bewusste Entscheidung. Uns war wichtig, dieses Mal eine gewisse Prägnanz hineinzubringen und die Ideen schnell auf den Punkt zu bringen. Wir haben die Sachen schnell geschrieben und auch schnell aufgenommen, weil wir auch die Energie durchgehend hoch halten wollten. So ein Ansatz verbietet halt ein allzu langes Tüfteln. Früher war es bei uns so, dass wir uns in den Proberaum gestellt haben und beim Schreiben der Songs sehr ins Detail gegangen sind. Das hat natürlich auch mehr Zeit in Anspruch genommen. Dementsprechend sind auch längere, fast schon halbopernartige Nummern entstanden, die aus mehreren Teilen bestanden [lacht]. Dieses Mal ist, wie gesagt, alles schnell passiert. Wir haben uns nicht wirklich lange damit aufgehalten, die Sachen von vorne bis hinten im Detail auszuarbeiten.
Früher hätte ich wahrscheinlich noch intensiver an der Stringenz der Texte gearbeitet. Dieses Mal habe ich mir nur gedacht: „Okay, die Sachen passen schon zusammen und funktionieren emotional. Und den Rest kittet die Musik zusammen.“

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Das hört sich nach einem recht unkomplizierten und spontanen Prozess an.

Franz Adrian Wenzl: Wir wollten einfach ausprobieren, wie es ist, einmal nicht in ein teures Studio zu gehen. Wir haben uns in einen mikrofonierten Keller gestellt und einfach geschaut, was passiert. Wir hatten zunächst eine Testsession. Dann, Mitte 2016, haben wir drei Tage lang einfach nur Nummern geschrieben. Nach diesen drei Tagen haben wir die Basis für elf Nummern – also die Texte, die Struktur und die Musik – grob zusammengehabt. Am vierten Tag sind wir dann hergegangen und haben geschaut, welche Nummern funktionieren und aufgenommen werden können, was soundmäßig zusammenpasst und so weiter. Wir haben die einzelnen Songs einfach abgearbeitet und mit den einen und anderen Veränderungen aufgenommen. Das war schon ein fruchtbringender Prozess.

„Ich glaube, man würde kaum Glücksgefühle empfinden, wenn man immer dasselbe machen würde […]“

Stellt sich beim Abschluss eines vermeintlich einfacheren Albums eigentlich dasselbe Glücksgefühl ein wie bei einem Album, an dem man unendlich viel an den Details getüftelt hat? 

Franz Adrian Wenzl: Ja, absolut. Die Detailarbeit ist dann ja natürlich auch noch gekommen. Aber es war schon so, dass wir dieses Mal am Ende der Session doch andere Songs zusammenhatten als sonst. Ich glaube, man würde kaum Glücksgefühle empfinden, wenn man immer dasselbe machen würde, wenn man in eine Art Mühle reinkommen würde. Das Wichtige ist, dass man sich immer wieder streckt. Darum ist es gut möglich, dass die nächste Platte wieder anders klingen wird. Wobei es natürlich nicht so sein soll, dass man krampfhaft probiert, etwa Neues zu machen. Man soll schon immer darauf achten, die eigenen Stärken nicht aus den Augen zu verlieren.

Ihre Texte sind immer sehr bissig und können auch so richtig gemein sein. Wie viel von Ihnen selbst steckt in den Figuren, die sie besingen?

Franz Adrian Wenzl: Natürlich ist in den Texten schon ein wenig von mir drinnen beziehungsweise kann ich mich ganz gut in diese Figuren hineinfühlen. Es ist schon so, dass es da schon ein Stück weit um mich geht und nicht um andere. Ich finde in diesem Querulantentum steckt auch sehr viel Komik. Es ist für mich sehr witzig zu beobachten, wie viel Emotion Leute für nichts aufbringen können.
Dennoch, bei Kreisky geht es primär um die Musik. Wir sind keine Textverbreiterungsanstalt. In gewisser Weise bedingt bei uns die Musik diese Art von Texten. Unsere Nummern gehen in eine recht zackige, rockige Richtung. Und da muss man als Sänger beziehungsweise Texter auch andocken. Die Emotion, die die Musik transportiert, soll sich auch in den Texten widerspiegeln. Daher geht es eben schärfer und emotionaler zur Sache. Natürlich darf dabei der Humor nicht fehlen.

Bild Kreisky
Kreisky (c) Ingo Pertramer

„Aber klar, wenn man sich auf die Bühne stellt und einen Text singt, dann sollte dieser schon in irgendeiner Form Relevanz haben.“

Ist Kreisky eine politische Band? Die Figuren, die Sie in Ihren Texten besingen, sind oftmals ja nicht weit von dem entfernt, was man heutzutage unter dem Begriff „Wutbürger“ versteht.

Franz Adrian Wenzl: Also wir sind sicher keine politische Band. Wenn ich jemand wäre, der etwas politisch bewegen wollte, würde ich mir nicht den Umweg über einen Proberaum wählen oder Konzerte vor maximal ein paar Hundert Leuten spielen. Würde ich das wollen, dann würde ich wahrscheinlich eher journalistische Artikel verfassen oder mich gleich einer Partei anschließen. Es geht bei uns ums Musikmachen. Die Texte sollte man da nicht überbewerten. Aber klar, wenn man sich auf die Bühne stellt und einen Text singt, dann sollte dieser schon in irgendeiner Form Relevanz haben. Wie sind die Menschen, wovon sind sie enttäuscht, worüber ärgern sie sich, was beglückt sie? Das sind Fragen, die jetzt nicht unbedingt mit Trump oder der tagesaktuellen Politik zu tun haben.

Als Sie begonnen haben, was waren die großen Einflüsse? Und in welche Richtung haben Sie sich aus Ihrer Perspektive entwickelt?

Franz Adrian Wenzl: Einflüsse zu benennen ist ganz schwierig. Als wir angefangen haben, sind wir vielleicht auf zwei, drei Bands gekommen, die jeder von uns mehr oder weniger okay gefunden hat. Ich glaube, das waren Nick Cave und die Flaming Lips. Aber sonst hatten wir doch sehr verschiedene Geschmäcker. Was aber recht spannend und auch fruchtbar war, weil wir alle eine andere Sicht auf unsere Lieder entwickelten. Für den einen war zum Beispiel eine Nummer eine Popnummer, für den anderen war sie etwas ganz anderes. Was uns vielleicht mehr geeint hat, war die etwas negative Sicht auf den deutschsprachigen Rock, der in der Mitte der Nullerjahre angesagt war. Der war oftmals getragen von einer sehr gefühlseligen Art. Diesem weich gewaschenen Indie-Rock wollten wir etwas entgegenhalten.
In welche Richtung wir uns entwickelt haben? Wir haben uns auf jeden Fall ein paar Jahre zugespitzt. Das erste Album hat noch ziemlich viel offengelassen und ist stilistisch vermutlich dem neuen am ähnlichsten, weil es doch auch etwas poppiger und leichter war. Mit der Zeit haben wir dann gemerkt, dass uns auch die etwas härtere Richtung taugt. Dementsprechend haben dann unsere darauffolgenden Alben geklungen.
Ich würde jetzt aber nicht sagen, dass wir uns mit dem neuen Album quasi wieder einen neuen Weg eröffnet haben oder einen logischen nächsten Entwicklungsschritt gegangen sind. Ich denke, wir haben über die Jahre hinweg unser eigenes Vokabular entwickelt, mit dem man sehr viel machen kann. Auf der einen Seite ein Theaterstück, das zwar Kreisky ist, aber in einem gänzlich anderen Kontext, auf der anderen ein Album, das etwas leichter und schnittiger ist. So gesehen kann eine neue Platte auch wieder ganz anders werden, aber eben in unserem Vokabular. Wer weiß. Ich merke gerade, dass ich wieder Lust auf ganz lange Nummern bekomme [lacht].

Wie sehen die nächsten Schritte aus? Halten Sie nach neuen Projekten Ausschau? 

Franz Adrian Wenzl: Nein, nicht unbedingt, im Moment haben wir genug zu tun. Wir drehen zwei Videos und proben für eine Tour. Wir werden in diesem Jahr überhaupt so viel spielen wie wahrscheinlich noch nie zuvor. Wir sind gerade auch am Überlegen, ob wir das Theaterstück vielleicht aufnehmen können bzw. in welcher Form wir das Theaterstück herausbringen können. Aber es kann natürlich immer wieder etwas daherkommen. Wir werden sehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

Kreisky live
12.04.18 Graz, PPC
13.04.18 Innsbruck, PMK
14.04.18 Linz, Stadtwerkstatt
19.04.18 Wien, WUK
07.05.18 München, Milla
09.05.18 Hamburg, Häkken
10.05.18 Berlin, Berghain Kantine
11.05.18 Köln, Subway
12.05.18 Stuttgart, Merlin

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Wohnzimmer Records