Seit Oktober 2023 bringt die Stadtbühne Imst internationale und lokale Künstler:innen aus Musik, Theater, Kabarett und Literatur in die Tiroler Bezirkshauptstadt. Vereinsobmann und Hauptverantwortlicher für den Bereich Musik ist Roman Polak. Im Interview spricht er über Visionen, Herausforderungen und den hohen Stellenwert ehrenamtlicher Kulturarbeit.
Wie entstand die Idee zur Stadtbühne?
Roman Polak: Im Grunde aus einer Misere des örtlichen Theatervereins Humiste. Martin Flür, Obfraustellvertreter von Humiste, hat mich 2021 angesprochen, dass es mit den Pachtverhältnissen beim Theaterverein nicht so weitergehen könne. Schnell war für uns klar, dass Imst nicht nur einen geeigneten Raum für Theater braucht, sondern generell ein ganzjähriges niederschwelliges Kulturangebot mit Qualitätsanspruch. Es war offensichtlich, dass Bedarf herrschte. Was auch klar war: Es würde niemand daherkommen und das für uns lösen. Wir mussten die Sache selbst angehen. Der große Zuspruch für das Projekt aus der Gemeinde hat uns sehr bestätigt.
Was waren dann die wichtigsten Schritte bis zur Eröffnung?
Roman Polak: Zunächst die Suche nach einer geeigneten Örtlichkeit. Mit der ehemaligen Produktionsstätte der Firma Gottstein haben wir letztlich einen super Treffer gelandet. Aber bevor wir in die Umsetzungsphase gekommen sind, hat uns die Bürokratie und speziell die Auseinandersetzung mit dem Förderwesen stark in Anspruch genommen. Wir haben zwar unternehmerische Erfahrung – ich habe eine Agentur für Unternehmenskommunikation – aber bei den Kulturförderungen gibt es sehr viele spezifische Prozesse und Fallstricke. Letztlich haben wir es geschafft, auch dank großer Mithilfe und Förderung der Stadtgemeinde Imst und des Regionalmanagements. Das Vertrauen für das Projekt seitens der Regionalpolitik war entscheidend, dass auch Land und Bund Gelder zur Verfügung stellten. Dann folgte der Umbau der Örtlichkeit zum Veranstaltungszentrum für etwa eine halbe Million Euro – die Inflation hat es bei weitem teurer gemacht, als wir im Businessplan hatten.
Wie viele Menschen arbeiten an der Stadtbühne mit?
Roman Polak: Im Vorstandsteam sind neben Martin Flür und mir auch unsere Ehefrauen Karin Mark-Flür und Angelika Polak-Pollhammer. Unsere Kinder helfen auch tatkräftig mit. Dazu kommen etwa 65 Ehrenamtliche, ohne die es nicht gehen würde. Es gibt viele Aufgaben, vom Bardienst über die Instandhaltung bis zur Reinigung. Diese Leute – vorwiegend aus unserem persönlichen Freundes- und Bekanntenkreis – sind mit viel Herzblut dabei. Uns alle eint die Vision bzw. Erkenntnis, dass wir im Tiroler Oberland dringend so einen kulturellen Nahversorger brauchen. Ich selbst bin für die Sparte Musik hauptverantwortlich.
Schaut man sich eure Terminübersicht an, wird schnell klar, dass es hier einen bunten Mix an Konzerten gibt. Wie trefft ihr die Auswahl?
Roman Polak: Von den rund 100 Veranstaltungen 2024 – unserem ersten vollen Jahr – hatten wir neben Theater, Kabarett und Poetry Slams an die 60 Konzerte. Wir sind stilistisch breit aufgestellt, wichtig ist uns Qualität und Abwechslung. Wir wollen auch regelmäßig internationale Künstler:innen nach Imst bringen. Genremäßig bewegen wir uns zwischen Pop, Rock, Jazz, Hiphop, Rock, Metal sowie klassischer und elektronischer Musik. Für Schlager und Volksmusik gibt es andere Bühnen. Etwa zehn Abende organisierte 2024 der ArtClub Imst, im klassischen Bereich macht der Konzertverein Imst hin und wieder Veranstaltungen bei uns. Wir sind also sehr offen für die Zusammenarbeit mit anderen Kulturinitiativen.
Der ArtClub ist seit Jahrzehnten in Imst tätig und veranstaltet das renommierte TschirgArt-Festival. Wie läuft hier die Zusammenarbeit?
Roman Polak: Es ist eine Win-Win-Situation. Beim diesjährigen TschirgArt nutzt der ArtClub die Stadtbühne für Konzerte, für die die Glenthof-Halle zu groß wäre. Dadurch sind heuer unter anderem die grandiosen Shake Stew und Henrik Freischlader bei uns zu sehen. Der ArtClub ist für die Imster Kulturszene von zentraler Bedeutung, auf eine gewisse Weise hat er meine Jugend gerettet. (lacht)
Daher auch das große Interesse für die Förderung der lokalen Szene?
Roman Polak: In jungen Jahren habe ich als Bassist selbst viel musiziert, auch einer meiner Söhne spielt jetzt in einer Band. Die lokale Szene ist uns allen ein großes Anliegen. Wir haben unter anderem die Session-Reihe OpenStage ins Leben gerufen, die richtig gut angenommen wird. Wir machen das einmal pro Trimester und es kommen viele sehr talentierte Leute, die glücklich sind, dass sie diesen Ort haben. Da haben wir ein Format etabliert, aus dem auch Bandprojekte wachsen können.
Seid ihr generell zufrieden mit den Besucherzahlen?
Roman Polak: Ich denke wir schöpfen das Potenzial bereits relativ gut aus – ein bisschen mehr geht natürlich immer. Das Haupteinzugsgebiet sind die Bezirke Imst und Landeck, aber es kommen auch immer wieder Leute aus der Region Telfs oder sogar Innsbruck. Wir sind natürlich keine Studentenstadt, aber an den Besucherzahlen sieht man schon, dass es so etwas wie die Stadtbühne gebraucht hat.
Was waren bisherige Highlights?
Roman Polak: Es waren alle Konzerte auf ihre individuelle Weise sehr cool. Und die Künstler:innen waren teilweise total überrascht und dankbar. Nicht zuletzt weil der Raum eine gute Energie erzeugt, auch weil sich Bühne und Publikum hier so nah sind. Der Applaus brandet richtig laut auf und die Begeisterung ist direkt spürbar für die Leute auf der Bühne. Wirklich herausragend war etwa die experimentelle Jazzband Brekky Boy aus Australien. Ich habe die Jungs beim Jazzfestival Saalfeldern angesprochen und gefragt, ob sie bei uns spielen wollen. Beim Konzert hatte ich den Eindruck, dass das Publikum total baff war, dass so eine coole Truppe in Imst gastiert. Ein großes Highlight war natürlich auch Manu Delago, der hat schon eine unglaubliche Kreativität. Viel Spaß gemacht hat auch der Kabarettist und DJ David Scheid.
Wie werdet ihr eurem Qualitätsanspruch bei der Akustik gerecht?
Roman Polak: Wir haben den Raum natürlich von tontechnisch anpassen müssen, das hat schon einiges an Zeit und Geld gekostet. Und wir haben in den letzten Monaten auch nachjustiert, da man erst nach und nach draufkommt, was man noch verbessern kann. Wir haben stilistisch von Metal bis Fado alles da und im Bereich Tontechnik gibt es kein ‚one size fits all‘ Prinzip. Deshalb haben wir Kompromisse finden müssen in der Ausstattung. Ich denke, dass wir beim Soundsystem aber schon relativ weit sind, was die Qualität angeht. Für akustische Musik sind wir wirklich ideal ausgestattet, für basslastige Sachen ist es schwieriger. Aber da wollen wir laufend weiter investieren.
Was gibt es sonst für Herausforderungen im Livebetrieb?
Roman Polak: Die größte ist die, dass man gefühlt laufend da sein muss. Es gibt immer was zu tun. Bestuhlung, Beleuchtung, Belüftung etwa – das sind Dinge, die bekommt man nur im Livebetrieb mit. Es ist also so gut wie immer jemand von uns im Haus, aber wir sind ein eingespieltes Team und haben zum Glück viele Helferinnen und Helfer.
Wie sieht es mit der Kapazität aus?
Roman Polak: Bestuhlt haben wir gut 180 Plätze, unbestuhlt zirka 350. Und wir waren tatsächlich schon häufiger ausverkauft.
Eure Eintrittspreise sind vergleichsweise günstig…
Roman Polak: Wir haben ein ähnliches Preisniveau wie das Treibhaus, aber wir bekommen immer wieder den Hinweis, dass wir ‚zu günstig‘ sind. Die Ticketpreise sind jedenfalls so angesetzt, dass Kultur für alle leistbar bleibt. Wir versuchen eine gute Balance zu finden, um den Betrieb mit dem verdienten Geld aufrechterhalten zu können. Persönlichen Profit daraus zu schlagen, ist nicht unser Ziel. Übrigens sind wir auch Mitglied beim Kulturpass Tirol. Dieser ermöglicht Menschen, die es sich finanziell nicht leisten können, Besuche in Kultureinrichtungen.
Was würdest du jemandem sagen, der eine Kulturinitiative wie die Stadtbühne aufbauen möchte?
Roman Polak: Es ist eine große Herausforderung, für die man persönlich die nötigen Kapazitäten haben sollte – und auch ein Team, das eine klare gemeinsame Zielsetzung hat. Zudem braucht es viel Hartnäckigkeit, Frustrationstoleranz und Weitsicht – vor allem in der ersten Phase. Die Kunst besteht darin, im Team die Vision immer weiter zu pflegen. Bei uns hat sich das sehr gut gefügt, jeder von uns bringt auch gewisse Kompetenzen mit. Wir sind alle da, weil wir gerne da sind. Keiner muss sich profilieren und niemand ist der große Zampano.
Was ist für dich die größte Motivation, das neben deinem Beruf zu machen?
Roman Polak: Ich habe eine große Freude daran, die Region mit diesem Kulturangebot zu beleben. Eine lebendige Kulturszene ist ein nicht zu unterschätzender Faktor für den Verbleib vor allem junger Leute in der Provinz. Die Zufriedenheit, die dabei entsteht, hier etwas beizutragen, übersteigt die Anstrengungen bei weitem. Ein großes Vorbild ist auch das Alte Kino in Landeck, Matthias Schauer und sein Team machen dort seit vielen Jahren sehr wichtige Arbeit. Mittlerweile bin ich zur Einsicht gelangt, dass ich persönlich mit dieser Form von Kulturarbeit mehr für die Allgemeinheit tun kann, als in einer politischen Funktion.
Du hast gesagt, 2024 gab es etwa 100 Abende mit Programm in der Stadtbühne. Wird das auch heuer so sein?
Roman Polak: Viel mehr geht sich nicht aus, wir sind für das Jahr 2025 auch schon so gut wie ausgebucht. Es gäbe natürlich noch mehr Leute, die tolle Projekte machen, aber wir können leider nicht alle abbilden. Die Warteliste ist lang. Die Theatergruppe Humiste leistet auch enorm viel Arbeit, sie ist wesentlicher Teil unserer Vielfalt. Aktuell ist das Stück „Die Pfarrhauskomödie“ bei uns zu sehen. An etwa zwei Drittel der Abende geht es aber wieder musikalisch zu.
Nach welchen Kriterien stellst du das Konzertprogramm zusammen?
Roman Polak: Das ist eine reizvolle Aufgabe, an die ich – auch aus meiner persönlichen Neigung heraus – mit einem offenen Mindset herangehe. Ich mag fast jede Musik: Rock, Reggae, Jazz, Folk, experimentelle Sachen – da hab ich bei weitem noch nicht alles aufgezählt. Man muss sich Gedanken machen, welche Stilrichtungen man schon auf der Bühne gehabt hat. Es geht um eine gewisse Ausgewogenheit, zudem sollten sowohl lokale als auch internationale Künstler:innen spielen. Es ist ein Jonglieren mit sehr vielen Bällen, das maßgebliche ist der Qualitätsanspruch.
Kannst du uns zum Abschluss noch ein paar Bands nennen, die 2025 bei euch auftreten werden?
Roman Polak: Mit den Steaming Satellites kommt am 19. März ein Aushängeschild der österreichischen Indie-Szene, am 6. April spielt Afel Bocoum – langjähriger Weggefährte des afrikanischen Stars Ali Farka Touré – mit seiner Band. Immer ein Highlight im Oberland ist Von Seiten der Gemeinde, zu sehen am 24. Mai. Dazu kommen grandiose Acts wie Marie Spaemann & Christian Bakanic, Spilif und Mother’s Cake im Herbst.
Bands und Agenturen haben die Stadtbühne Imst jetzt also am Radar?
Roman Polak: Das ist ein Prozess, aber es wird. Dass wir Künstlerinnen und Künstler von diesem Format da haben, erzeugt natürlich Aufmerksamkeit bei den Managements. Die sehen, dass es da jetzt noch was gibt im Tiroler Oberland.
Wie siehst du die aktuelle Lage der Musikszene abseits des Mainstream in Österreich und in Tirol im speziellen? Stichwort Auftrittsmöglichkeiten, Aufmerksamkeit und Co.
Roman Polak: Ich war mehrmals in Schottland, Irland und England unterwegs. Was dort trotz dem Schließen vieler Locations nach wie vor an Auftrittsmöglichkeiten vorhanden ist, beeindruckt einen aus Österreich stammenden Musikfan schon. Davon kann man hierzulande nur träumen. Auch in der Schweiz gibt es ein viel breiteres Angebot für lokale Künstler:innen. Das hat sich immer schon in einem umfassenderen Radio Airplay für Schweizer Musikschaffende niedergeschlagen. In Österreich hat der heutige Staatsopern-Direktor Bogdan Roščić mit der Umwandlung von Ö3 in ein reines Formatradio für beliebigen internationalen Pop maßgeblich zum Verlust der identitätsstiftenden Rolle der heimischen Musiklandschaft beigetragen. Die heimische Musikszene hat das massiv zurückgeworfen. Erfreulicherweise konnten sich dennoch großartige heimische MusikerInnen etablieren. Man denke da nur an Soap&Skin, Cari Cari oder Bilderbuch. Besonders freut mich, dass die morbide Wiener Liedermacher-Tradition in Gestalt von Protagonisten wie Ernst Molden oder dem Nino aus Wien noch eine treue Zuhörerschaft findet.
Was könnte die Politik tun, um die Bedingungen für freischaffende heimische Künstler:innen und Kulturinitativen zu verbessern?
Roman Polak: Künstlerinnen und Künstler schaffen Nahrungsmittel für die Seele. Die Kulturveranstalter sind die Greißler und kleinen Händler, bei denen die Menschen in den Genuss dieser kräftigenden Kost kommen. Auch Künstler:innen und Veranstalter:innen sind durch die Inflation massiv unter Druck geraten. Eine Indexanpassung der Fördermittel gerade für die freie Szene wäre daher dringend notwendig. Viele Initiativen versuchen den realen Wertverlust der Zuwendungen unter Aufbietung unbezahlter und ehrenamtlicher Arbeit auszugleichen. Diese Anstrengungen erschöpfen sich aber irgendwann. Zudem sollten Initiativen im peripheren Raum aufgewertet werden. Die Kultur-Fördermittel kommen im hohen Maße dem urbanen Raum zugute. Der Abwanderung aus dem ländlichen Raum begegnet man dadurch jedoch nicht. Kultur hat das Potenzial die Menschen in der Provinz zu halten.
Simon Hackspiel
++++
Links:
Stadtbühne Imst
Stadtbühne Imst (Facebook)
Stadtbühne Imst (Instagram)