KEITH HARRIS, Manager von Stevie Wonder, dem späten Lynden David Hall und ehemaliger General Manager von Motown, schilderte seine ganz persönliche Vision eines künftigen Musik-Managements.
Schon aus einem ganz persönlichen Grund heraus hofft Harris, dass Management eine Zukunft hat: Sein ältester Sohn hat sich für das Musik-Management entschlossen. Unter anderem managt er den in Österreich lebenden Künstler SOHN. Natürlich habe die Industrie Probleme, das sei nicht wegzudiskutieren. Dennoch gäbe es Gründe, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken, so der lang gediente Manager.
Doch zuallererst wolle er festhalten, dass er seinen Vortrag in drei Kategorien einteilen möchte. A) Dinge, die sich noch nicht geändert haben. B) Dinge, die sich geändert haben. Und C) Dinge, die sich ändern sollen.
Ad A) Dinge, die sich nicht geändert haben.
Harris, der seit 1974 als Manager tätig ist, sagt, dass es damals wie heute als allererstes darauf ankomme, einen guten Artist zu finden. Ausschlaggebend dafür seien Talent, Charisma und Arbeits-Ethos. Talent müsse man erkennen. Für ihn persönlich bedeutet Talent auch immer eine gewisse Einzigartigkeit. Leute, die etwas anders machen und dadurch ein Publikum erreichen. Denn gut zu sein allein reiche nicht mehr. Das Um und Auf sei auch, Resonanz zu finden.
Charisma sei noch schwerer zu definieren. Letztlich gehe es um die klassische Rolle des Rattenfängers, der es schafft, ein Publikum mitzureißen. Gerade gestern sei er auf dem Konzert von Scott Matthews gewesen. Die Musik von Matthews finde er persönlich nicht einzigartig. Schon allein die Tatsache, dass viele Cover-Versionen im Repertoire sind, spreche gegen eine solche. Aber niemand, der gestern bei diesem Konzert gewesen sei, könne ernsthaft bestreiten, dass dieser Mann über Charisma verfüge. Vom ersten Moment des Konzertes an habe Matthews sein Publikum im Griff gehabt, habe es einen ganzen Abend durch die Darbietungen geführt und letztlich begeistert. Das verstehe er unter Charisma.
Und – last but not least – sei eine gewisser Arbeits-Ethos, eine Einsatzbereitschaft, vonnöten, wenn man es als Artist zu etwas bringen will. Die Chance, dass gute Musik verloren geht, sei einfach zu groß. Denn die Masse an angebotener Musik sei heute einfach größer denn je. Um das zu veranschaulichen nennt Harris eine Zahl: 6.500 Tonträger erscheinen pro Woche. Das sei eine Größe, in denen man sich zuerst einmal zurechtfinden müsse.
Ad B) Dinge, die sich geändert haben.
„Früher ging man mit einer Demo-Aufnahme zu einem Platten-Label. Mit ein bisschen Glück konnte man die Leute dort bewegen, ein Album raus zu bringen.“ Das, so Harris, gäbe es in dieser Form nicht mehr. Junge Leute müssten kein Demo, sondern ein Publikum bringen. Die Aufgabe eines Managers liege deshalb vor allem darin, eine Fan-Base zu organisieren, die hinter dem Artist steht und ihn unterstützt.
Es überrasche ihn immer wieder, wie viele Bands es immer noch gäbe, die über keinen ordentlichen Web-Auftritt verfügen. Das sei nicht nur eine Präsentations-Plattform, sondern auch ein Shopping-Fenster, das genutzt werden will. Auch überrascht sei er immer wieder vom Umstand, dass Künstler ihre Musik verschenken. Sie zu machen, habe doch auch etwas gekostet. Die Leute dafür zu zahlen, dass sie sich deine Musik anhören, sage schon etwas über die Qualität der Musik aus. Ein „Gratis-Download“ sei ja schon dann nicht mehr „gratis“, wenn man seine E-Mail-Adresse bekannt geben muss, um an ihn zu kommen. Schon dann sei eine Entgeltlichkeit gegeben. Und genau das – zumindest an einen Kontakt zu kommen, den man künftig mit Informationen versorgen könne – sei auch das Mindeste, was man für seine Musik verlangen sollte, so Harris. Sonst sei sie nicht nur wertlos, sondern sogar defizitär.
Ad C) Dinge, die sich ändern sollten.
Letztlich, so Harris, seien Management-Verträge immer Service-Verträge gewesen. Der Manager serviciert seinen Künstler im besten Sinne und bekommt Geld dafür. Scherzhaft umreißt Harris die Rolle des Managers folgendermaßen: „Das ist jemand, der verantwortlich gemacht wird, wenn es nicht läuft.“
In Zukunft werde es mehr darum gehen müssen, längerfristige Verträge zu schließen. Der Manager sei heute nämlich jemand, der eine Firma bzw. eine Marke aufbauen müsse. Das aber dauere in aller Regel länger als ein, zwei Jahre. Man müsse eher in mindestens 5-jährigen Abschnitten denken. Der Artist sei der Mehrheits-Shareholder dieser Firma, der Manager der MInderheits-Shareholder. Und wenn die Marke einmal aufgebaut sei, stelle sich aus der Sicht des Managers die Frage, wieso nicht weiter dafür gezahlt werden sollte, dass aus der Marke Geld gemacht wird. Der Trend gehe demnach in Richtung Long-Term-Agreement & Joint-Venture zwischen Artist und Management.
Harris fordert abschließend ein Umdenken, was die Bereitschaft des Publikums anbelangt, sich auf neue Formate einzulassen. Die Branche drehe sich oft zu sehr um sich selbst, sei zu weit voraus. Genauso wenig wie die Leute seinerzeit für die Formate DAT oder Mini-Disc bereit gewesen seien, seien sie im Grunde genommen heute für Streaming bereit. Die Mehrheit der Leute fange gerade einmal mit Downloads an. Mangelnde Connectivity sei ein Thema, das sich nicht einfach wegleugnen lässt. Man müsse den Leuten oft mehr Zeit geben, als es der Branche lieb ist.
Die offene Diskussion wird eröffnet: „Wer zahlt die Reise zu einem Festival wie Waves?“, will jemand aus dem Publikum wissen. Wenn dieses Festival dem Artist etwas bringe, weil der Manager hier Kontakte zu Festivals und dergleichen knüpft, sollte es der Artist zahlen. So Harris. Das aber sei Sache der Konversation. Management sei letztlich eine Kunst der Kommunikation, und die Wichtigkeit der guten Konversation zwischen Artist und Managerist nicht zu unterschätzen.
Was einen guten Manager ausmache, will ein anderer wissen. „Ehrlichkeit“, antwortet Harris. „Wenn die Steine ins Rollen kommen, ist es wichtig, jemanden an seiner Seite zu haben, der einem die Wahrheit sagt.“ Oft sei das aus der Sicht des Künstlers nur schwer zu verstehen, wenn alle „Freunde“ einem ständig sagen, wie toll das, was man mache, doch sei. Aber die würden das ja oft nur gut finden, weil sie eben Freunde sind. Zur Ehrlichkeit gesellen sich noch Organisation und Stamina. Denn man müsse als Manager immer einen Plan haben. Und Durchhaltevermögen sei ebenfalls unbedingt erforderlich: 95% der Reaktionen auf Anfragen bestünden ja aus Ablehnung. So wie er selbst als Manager von Stevie Wonder etwa 95% der rein kommenden Angebote ablehnen müsse, müsse er als Manager eines unbekannteren Künstlers mit 95% Ablehnung klar kommen. Da müsse man sich schon eine einigermaßen dicke Haut dafür zulegen.
Markus Deisenberger
Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.
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