Es gibt Musiker, die einfach wenig davon halten, sich ständig zu wiederholen, mit eingefahrenen Hörgewohnheiten brechen wollen, die sich immer wieder zu neuen Ufern aufmachen, um nicht Gefahr zu laufen, sich in der Beliebigkeit zu verlieren. Angetrieben von der Neugier und dem Ehrgeiz, Außergewöhnliches zu leisten, erschaffen sie eine Klangsprache, die, egal in welchem Genre zum Ausdruck gebracht, unverkennbar bleibt. Ulrich Drechsler gehört ohne Zweifel dieser Gattung von Künstlern an. Mit seiner neuen CD „Concinnity“ (Enja Records) betritt der Bassklarinettist einmal mehr ein ihm vorher fremd gewesenes Metier und unterstreicht damit erneut seine enorme Wandlungsfähigkeit. Gelegenheit, die neuen Stücke live zu erleben, gibt es am 30. Dezember im Wiener Porgy & Bess.
Ist es alleine die instrumentale Virtuosität, die einen Musiker ausmacht? Oder gehört doch noch weit mehr dazu, sich als eigenständiger Künstler zu positionieren. Vielleicht bedarf es dazu auch Mut, bereits beschrittene Wege zu verlassen, um sich für Neues frei zu machen. Blickt man auf Ulrich Drechlers bisheriges musikalisches Wirken, wird klar, dass hier ein Mann am Werken ist, der sich seine eigenen Freiräume schaffen will und für den der Begriff „Berührungsangst“ ein Fremdwort darstellt.
Was den Amadeus Music Award Gewinner aus dem Jahre 2005 vor allem auszeichnet, sind seine enorme Vielseitigkeit und eine fast nicht zu bändigende Experimentierfreude, was sich auch in der immensen Bandbreite seines musikalischen Verständnisses widerspiegelt. Mit dem Versuch das ohnehin schon sehr weite Klangspektrum des Jazz durch die Hinzunahme unterschiedlichster Elemente aus anderen Genres zu erweitern, leistet der Klarinettist in vielen Fällen eine Art Pionierarbeit.
Sein Erfolgsprojekt „Cafe Drechsler“ (2002) hüllte sich der in Wien lebende Musik in ein feines Lounge-Gewand, im Trio mit Oliver Steger und Hans Tanschek huldigte er 2004 auf der CD „The Monk In All Of Us“ den traditionellen Jazz, hoch melodisch und sehr relaxt zeigte sich Ulrich Drechsler gemeinsam mit dem norwegischen Ausnahmepianisten Tord Gustavsen auf „Humans And Places“ (2006) und in die Welt des Funk und HipHop verschlug es ihn auf „Fortune Cookies“ (2006) und „The Big Easy“ (2009). Trotz aller unterschiedlichen Ausrichtungen ist der Bassklarinettist stets in der Lage, der Musik seinen eigenen unverwechselbaren Stempel aufzudrücken.
Erwartungsgemäß präsentiert sich Ulrich Drechsler auch auf seiner neuen CD „Concinnity“ in einem neuen musikalischen Gewand. Im Quartett mit zwei Celli und einem Schlagzeug wendet sich der Bassklarinettist nun dem Bereich der Klassik zu. Die Idee, ein solches Projekt in Angriff zu nehmen, geisterte schon seit vielen Jahren in den Gedanken des Musikers herum. Alleine die Vorstellung wie es im Ganzen klingen sollte, brauchte in ihrer Entwicklung Zeit.
Insgesamt sind die Stücke sehr reduziert gehalten, entfalten aber gerade aus diesem Grund eine dichte, den Raum vollkommen ausfüllende Atmosphäre. Für den sehr warmen, gleichzeitig aber auch sehr energetischen und wuchtigen Grundsound verantwortlich zeigen sich Rina Kaçinari und Christof Unterberger. Während die aus dem Kosovo stammende Cellistin für die eher die dunklen, zum Teil rohen Töne sorgt, deckt ihr österreichischer Partner mit seinem eher hellen und zarten Spiel die sanften Passagen ab. Mit Jörg Mikula sitzt ein Mann hinter dem Schlagzeug, mit dem Ulrich Drechsler bereits seit Jahren in diversen Formationen zusammenspielt. Zusammengeführt werden all diese Elemente durch die von Ulrich Drechsler mit seiner Bassklarinette erschaffenen Melodien, welche diesmal enorm vielschichtig erklingen. Mal sanft, mal rau, mal zurückhaltend, mal im Vordergrund lässt das jazzige Spiel des in Wien lebenden Musikers die CD zu einem hochemotionalen Hörerlebnis werden.
„Concinnity“ ist ein Stück Musik geworden, mit dem sich Ulrich Drechsler einmal mehr als enorm wandlungsfähiger Künstler beweist. Es ist dem Bassklarinettisten, mit Hilfe seiner außergewöhnlichen Kollegen gelungen, erneut eine Facette seines ohnehin schon sehr weiten musikalischen Spektrums freizulegen, eine, die wie andere in der Vergangenheit schon, zu begeistern weiß. (mt)