Mit der Trance Musik des Zar Kults vom Persischen Golf, mit Kurdistan und Khorasan und mit den damit zusammenhängenden Rändern und Nachbarschaften Persiens wird sich das Festival 4020 im Frühjahr 2015 beschäftigen. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei der Musik der Sufis, aber auch zeitgenössischen Positionen junger Musikschaffender dort und in der europäischen Diaspora gewidmet.
Sehnsucht, als „Farbe des Himmels“ Thema des Festivals, kann in der baby lonischen Vielfalt der Sprachen und in der Musik höchst unterschiedlich klingen und verstanden werden. Immer aber hat es damit zu tun, dass sich Sehnsucht an etwas richtet, von dem wir getrennt sind und das wir zugleich als uns zugehörig und schmerzlich nahe erleben: ein Ort, eine Erinnerung, ein Mensch, den wir lieben. Ein Gegenüber, das wir als verlorenen Teil von uns selbst empfinden.
Diesem Eigenen im Fernen spürt das Festival nach. Der aus dem südpersischen Bandar Abbas stammende Perkussionist Alireza Mollahosseini ist Artist in Residence des Festivals. Als musikalischer Partner des iranischen Kamanché-Virtuosen Kayhan Kalhor, mit dem er schon 2013 in Linz umjubelt wurde, zählt er zu den Rising Stars in der internationalen Perkussionisten-Szene.
Neben einem Solo Recital am Eröffnungsabend wird Mollahosseini diesmal in mehreren Konzerten und Formationen zu hören sein. So bei den Auftritten der beiden Zar Musiker Baba Gholam Margiri („Snake Catcher“) und Baba Khalou Ghanbar, deren suggestive Rezitationen ihre Wurzeln in den schwarzafrikanischen Sklavenkulturen der südpersischen Provinz Hormozgan und der arabischen Halbinsel haben. Und in „Eshtiagh“, einem kollektiven Musikprojekt, das orientalische Musiker, Sänger und Songwriter in der österreichischen Diaspora, aus dem Iran, der Türkei und Palästina zusammenführen wird. Stimmen, die die Sehnsucht nach einem Raum hörbar machen sollen, in dem viele Ethnien, Sprachen und Religionen friedlich miteinander leben.
Dazu zählen neben der Sängerin Özlem Bulut auch die Klarinettistin Mona Matbou Riahi, Marwan Abado am Oud, der klassischen arabischen Laute und Kavé Kalhornia am Divan. Mit Ali Akbar Moradi ist eine Legende der kurdischen Musik zum ersten Mal in Österreich zu hören. Moradi ist ein Meister des Tanbours, einem der ältesten orientalischen Saiteninstrumente, das auf eine 5000 Jahre alte Geschichten verweisen kann.
Er ist untrennbar mit den Gesängen der Ahle Hagh, einer religiösen Minderheit im westiranisch-irakischen Grenzgebiet verbunden und wird von ihnen als heiliges Instrument verehrt. Ali Akbar Moradi war, wie im übrigen alle vom Festival eingeladenen Artists und Composers in Residence, maßgeblich an der Entstehung des Programms beteiligt. Als Mentor des kurdischen Ensembles „Dairak Khatoun“, das aus fünf jungen Musikerinnen besteht, hat er alle ihre Proben begleitet und gemeinsam mit ihnen das Repertoire ihres Auftritts erarbeitet.
Neben dem Fokus auf außereuropäische Musikwelten ist es dem Festival 4020 immer ein besonderes Anliegen, den Blick auch auf eigene zeitgenössische künstlerische Positionen und kulturelle Befindlichkeiten zu schärfen. Ein Ziel, das zum einen durch inhaltliche Verschränkungen im Programm selbst hörbar gemacht werden soll, zum anderen, indem Composers und Artists in Residence eingeladen werden, sich mit dem Festival Thema kreativ auseinander zu setzen. So die in Berlin lebende türkische Komponistin Zeynep Gedizlioglu, die zuletzt bei „Wien Modern“ und in der „Ouverture spirituelle“ der Salzburger Festspiele große Beachtung fand, oder die in Budapest wie in Wien gleichermaßen beheimatete Judit Varga, die 2014 den Österreichischen Filmpreis für ihre Filmmusik zu „Deine Schönheit ist nichts wert“ des türkischen Regisseurs Hüseyin Tabak erhielt.
Zwei weitere Composers in Residence kommen aus dem Iran: Mehrdad Pakbaz und Idin Samimi Mofakham haben im Auftrag des Festivals Stücke komponiert, die hier ihre Uraufführung erleben werden. Eine Besonderheit des Festivals 4020 ist dabei, dass all diese Kompositionen von jungen Linzer und oberösterreichischen Musikern gemeinsam mit den Composers in Residence in einem intensiven Probenprozess erarbeitet werden.
Darüber hinaus sind die internationalen Gäste in eine Reihe von Workshops und Podien eingebunden, die ihr künstlerisches Selbstverständnis und die Hintergründe ihrer kreativen Arbeit näher beleuchten sollen.
Das Festival 4020 versteht sich damit auch als Förder-, Vernetzungs- und Vermittlungsinitiative und als Impulsgeber für die heimische Musikszene. Aus dem unmittelbaren regionalen Umfeld stammt Lia Pale, die charismatische Sängerin aus Wels, die mit einer außergewöhnlichen Interpretation von Schuberts „Winterreise” rasant bekannt geworden ist. Sie gibt beim Festival 4020 ihr Solo-Debüt: eine intime Performance, entstanden aus einer intensiven Auseinandersetzung mit Texten von Rainer Maria Rilke und Heinrich Heine.
Die Farbe des Himmels, Leitmotiv des Festivals, ist als Metapher für das Gefühl der Sehnsucht aber immer auch in einer sehr persönlichen Lesart zu verstehen. Sehnsucht ist schlechthin das Thema der Romantik und grundiert das Gewebe vieler kammermusikalischer Kompositionen und Lieder Franz Schuberts. Ein Bezug, der von beiden Seiten des west-östlichen Divans immer wieder musikalisch beschworen und aufs Neue geknüpft wird.
Mit Schubert und seinem armenischen und aserbeidschanischen Gegenüber Tigran Mansurian und Frangis Ali-Sade schließt sich dann im Nachklang der Kreis: meisterlich zu Gehör gebracht vom Trio Weinmeister, auch sie in dieser Formation erstmals in Linz zu Gast.
Foto: Peter Leisch