ZWISCHEN ÜBERFORDERUNG UND EINKLANG

Wenn es um zeitgenössische Musik des 20. und 21. Jahrhunderts geht, ist das britische Arditti Quartet eine Koryphäe für präzise Ausführungen von Klangkomplexen. Das Festival Wien Modern ernannte das Ensemble zu seinem Beauftragten, um mit drei klangreichen Werken die zeitgenössische, komplexe Musikwelt im Wiener Konzerthaus zu erklären. Im Bühnengespräch beteuerten die Künstler ihre Absicht, beim Publikum kein Angstgefühl auslösen zu wollen, sondern viel lieber ihre Leidenschaft zur Musik zu demonstrieren, ohne dabei die Komplexität an sich großartig zu thematisieren. Das Programm der Komponisten Brian Ferneyhough, Elliott Carter und Clemens Gadenstätter erzeugte stellenweise ein gewisses Unbehagen durch die Fülle der Eindrücke, doch zeigte sich der gesamte Hörgenuss aufgrund des Zusammenspiels der Musiker beeindruckend harmonisch. Es vollzog sich ohne große Gesten und vermittelte trotz der konkurrierenden Stimmen ein geschlossenes Bild der Verschmelzung von Tonfolgen. Mit höchster Präzision wurde eine Vielfalt des künstlerischen Ausdrucks an den Instrumenten demonstriert, wodurch grenzüberschreitend vielfältige, fast schrille und artifizielle Klänge hervorgebracht wurden. Grenzüberschreitend dürfte es auch für einen Teil der Zuhörenden gewesen sein: Das sehr anspruchsvolle Programm forderte mit der Dauer der Stücke die Aufmerksamkeitsspanne und Lust am Zuhören. Ein knapperes Programm wäre dem Titel „A Simple Guide to Complexity“ – also eine einfache Einführung in die „New Complexity“, die sich durch eine Fülle an Überlagerungen von Rhythmen und Tonhöhen auszeichnet – wohl eher gerecht geworden. All jene, deren Ausdauer doch bis zum Ende des Abends hielt, schätzten den Auftritt mit reichlich Applaus. Zusammenfassend bot sich dem Publikum ein Paradebeispiel von Kunstfertigkeit, das jedoch in sich kompakter und somit simpler hätte sein können.

Magdalena Mittermayr

Diese Kritik über das Konzert mit dem Titel „A Simple Guide to Complexity 2“ mit dem Arditti Quartet im Rahmen von Wien Modern am 28. November 2022 im Wiener Konzerthaus entstand als Teil einer Lehrveranstaltung von Monika Voithofer am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.