mica-Interview mit Moritz Sauer

Am 12. und 13. November ging die im Rahmen des EU-geförderten Projekts DMET – Digital und vom mica-music austria initiierte Konferenz mit dem Titel “The fan, the music, and the net: Economic aspects of a passionate relationship in a digital world” über die Bühne. Eine der Vortragenden war Medienpädagoge, Journalist und Webdesigner Moritz Sauer. Im Gespräch mit Michael Ternai wagt er einen Blick auf zukünftige Entwicklungen im Musiksektor und die sich daraus ergebenden Chancen für Musiker/Innen.

Moritz Sauer ist Medienpädagoge, Journalist, Webdesigner und Liebhaber elektronischer Musik jeglicher Couleur. Seine Künstlerportraits, Thementexte und Fachartikel veröffentlicht er regelmäßig in den Magazinen und Zeitschriften c’t, keyboards, Internet Intern, De:Bug und Intro.

Glaubst du, dass es in etwa zehn Jahren noch CDs zu kaufen geben wird?

Ich glaube, dass Trägerformate, wie etwa die CD oder Vinyl rückläufig sind, und dass sich immer mehr Musikdatenträger als virtuelle Dateien manifestieren. Also dass Leute in Zukunft immer mehr mp3s kaufen. Vielleicht wird es auch bald höherwertige Dateien geben, wie etwa flacs. Und ich denke, dass die Verkäufe auch deswegen rückläufig sein werden, weil die Leute kontinuierlich neue mp3-Player kaufen werden, da auf diese Geräte ja deutlich mehr Musik darauf passt, oder weil sie eben keine CDs mehr mitschleppen müssen. Weil einfach der ganze Prozess des CD-Wechselns wegfällt usw. Ich denke, dass die CD in den nächsten fünf Jahren weiter massive Einbrüche im Verkauf zu verbuchen haben wird.

Auf der anderen Seite, wird es noch eine ganze Weile Leute geben, die CDs auf Vinyl kaufen, weil es ja immer noch Musikliebhaber und zahlreiche DJs geben wird. Aber auch in diesem Bereich kommt es vermutlich zu stark rückläufigen Verkaufszahlen, da es ja inzwischen digitale Software zu erwerben gibt, wie etwa Final Scratch oder Traktor, mit denen es für einen DJ leichter möglich ist, mp3s und digitale Daten zu mischen.

Wahrscheinlich wird es bei den CDs mit Sicherheit auch noch zahlreiche Einkäufer geben, die treu den Musikern Geld geben wollen oder zu Hause noch CD-Player stehen haben werden. Ich glaube im Besonderen in den Nischen, wie etwa Klassik und Jazz, die vor allem von Leuten gehört werden, die sehr viel Wert auf Qualität legen, wird es auch in Zukunft noch CD-Verkäufe geben.

Welche Möglichkeiten für Musiker/Innen entspringen nun aus dieser Entwicklung?

Ich denke, im allgemeinen werden Musikschaffenden mit Sicherheit neue Möglichkeiten eröffnet, anstelle einer CD oder einem Vinyl einfach mp3s zu verkaufen, weil schon alleine der Vertrieb deutlich vereinfacht wird. Das Internet und die dazugehörenden Datenleitungen übernehmen praktisch den Vertrieb. Dadurch können Musiker/Innen natürlich schneller kostenlos ihre mp3s zur Verfügung stellen. Es kommen aber auch immer mehr neue Services auf, die Musiker/Innen dazu nutzen können, einen eigenen mp3-Shop sehr preiswert, manchmal sogar umsonst zu erstellen, um mp3s auf ihrer Website, ihrer MySpace Site usw. selbst verkaufen können. Das Problem ist natürlich, wenn das jeder kann, wird dadurch der Kampf der Musiker/Innen um Aufmerksamkeit deutlich schwieriger, aber theoretisch ist das eine Möglichkeit Musik selber und sehr preiswert zu verkaufen und zu vertreiben. Vor der Erfindung des Internets gab es diese Möglichkeit natürlich noch nicht.

Das setzt aber natürlich voraus, dass die Musiker/Innen das Marketing selber in die Hand nehmen. Oder denkst du, dass etwa Plattenfirmen diese Funktion schließlich übernehmen. Die Songs einfach nur noch ins Netz stellen, bewerben und sich dadurch die Produktionskosten ersparen.

Schon bei der in der letzten Woche stattfindenden Konferenz meinte ein Vortragender, dass es dieser Begriff der Plattenfirma, wie wir ihn heute verstehen, in Zukunft immer weniger verwendet wird. Plattenfirmen werden immer mehr Musikfirmen sein. Ein Punkt der bei der Konferenz ebenfalls erwähnt wurde, sind die 360 Grad Verträge, in denen sich Musiker/Innen rundum verkaufen und ihre gesamten Rechte für den CD-Verkauf, für den mp3-Verkauf oder für Konzerte an die Musikfirmen abtreten. Da beteiligen sich die Musikfirmen natürlich. Ich glaube aber nicht, dass die Musikfirmen dadurch bei den Produktionskosten so viel Geld einsparen, um den Künstlern/Innen zu helfen, viel mehr mp3s zu verkaufen.

 

 

Du hast ja vorher erwähnt, dass du in der vergangenen Woche ebenfalls an der DMET- Konferenz in Wien als Vortragender teilgenommen hast. Wie waren generell deine Eindrücke von dieser Veranstaltung?

Solche Konferenzen sind ja immer dann schön, wenn man als Vortragender nicht nur Wissen weitergeben kann, sondern auch von den anderen Vortragenden bzw. vom Publikum spannende Rückmeldungen erhält. Und ich muss auch ehrlich sagen, dass ich eine ganze Menge dort gelernt habe – vor allem, da ich ja hauptsächlich im Internet zu Hause bin, von solch alten Recken, wie Peter Jenner, zu hören, dass viele Mechanismen, die es vor zwanzig Jahren gab, wie etwa einen Hype um eine Band zu generieren,  heute noch genauso ihre Anwendung findet. Oder, dass etwa Mundpropaganda oder dem richtigen DJ etwas zustecken immer noch vorteilhaft sein kann. Oder, dass man als Künstler/In mit seinen Sachen heutzutage nicht davon ausgehen kann, dass Veröffentlichungen über das Internet sicherer oder ehrlicher wären. Da sollten Künstler/Innen man vielleicht ein bisschen mehr aufpassen.

Und was mir natürlich auch eine Menge Spaß gemacht hat, war es, mit den Leuten zu diskutieren zu können. Eine solche Konferenz ist ja, wenn spannende und interessante Gäste zugegen sind, eine ideale Plattform für Wissens- und Informationsaustausch. Was ich ebenfalls sehr schön fand, war die Tatsache, dass es eben eine internationale Konferenz war, dass genauso Leute aus England anwesend waren, wie Leute aus Amerika, aus Deutschland, aus Österreich und sogar aus Polen.

Wie erklärt man einem Laien die Vorteile der digitalen Vermarktung der eigenen Musik im Netz. Mit welchen Vor- und Nachteilen haben Musiker/Innen  oder Bands zu rechnen, sollten sie sich für diese Möglichkeit ihre Musik unter die Leute zu bringen, entscheiden?

Meiner Meinung nach fängt es bereits auf der eigenen Festplatte an. Das Wichtigste ist es, bereits an dieser Stelle so gutes Material zu haben, dass man sich selbst vermarkten kann. Das heißt, dass man Bilder hat, die irgendwie gut aussehen, spannend und in interessanten Posen oder Orten geschossen sind, dass man daneben interessante Beschreibungstexte hat, aus denen die wichtigsten Fakten über eine/n Musiker/In und dessen Musik zu erfahren sind, die ja in weiterer Folge dazu dienen, Journalisten/Innen oder Fans über einen selbst zu informieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, die Musik so aufzubereiten, dass es für jeden möglich ist, sich die mp3s anzuhören. Zusammengefasst sollte ein jeder/ jede bereits eine Menge Musik und Daten auf der eigenen Festplatte vorbereitet haben. Das ist so zu sagen der erste Schritt. Wenn man das alles organisiert hat und vor allem in einer guten Qualität aufbereitet hat, kann man eigentlich schon an dieser Stelle sehr wirkungsvolles Marketing betreiben. Das alles fängt ja schon bei den Emails, die heutzutage ja schon jede/r schicken kann, an. Emails stellen in ihrer heutigen Form ja ein mächtiges und nützliches Werkzeug dar. So etwa ermöglicht es, schnell auf Anfragen diverser Journalisten und Fans zu reagieren oder in unkomplizierter Form Verbindung mit Konzertveranstaltern oder Presse zu treten.

Dann gibt es natürlich auch noch die Websites. Ich rate jedem/jeder Künstler/In, dass er/sie eine eigene Website hat. Man kann sich zwar auch bei MySpace oder bei anderen Communities eine Seite anlegen, nur dort ist man auf jeden Fall immer auf den guten Willen der Betreiber angewiesen. Auf der eigenen Website kann man dagegen selber Werbung für sich schalten, oder diese auch abschalten, was man zum Beispiel bei MySpace nicht kann. Oder man probiert einfach nur neue Dinge aus. In solch einem Fall muss man zumindest technische Möglichkeiten und Kenntnisse haben, sonst wird es eventuell doch ein wenig schwieriger. Wenn man diese Voraussetzungen nicht erfüllen kann, ist eine Community-Seite, wie eben Myspace, natürlich ganz hilfreich, weil dort eben Werkzeuge angeboten werden, die einem den Alltag als Musiker/In erleichtern. Das ist natürlich jetzt alles natürlich nicht profan, das muss man alles lernen.

Auf der anderen Seite gibt es eben auch Musiker/Innen, die sich vorwiegend auf ihre eigene Kunst konzentrieren wollen. In diesem Fall müsste man sich überlegen, ob man entweder Geld ausgeben möchte oder ob man vielleicht eine/n Bekannte oder auch einen Bandmanager hat, der diese Rolle übernimmt. Und dann müsste man sich einen spezialisierten Menschen heranholen, der für einen im Internet viel Werbung macht. Man darf ja natürlich nicht vergessen, dass die Werbung, wie auch in der “normalen Welt”, sehr wichtig sein kann, dazu gehört neben Plakatieren und Flyer austeilen, eben auch das Internet.

 

 

Wenn du dir die Entwicklung der letzten Jahre betrachtest, hast du da das Gefühl, dass Musiker/Innen die gewisse Scheu vor dem Medium Internet, die am Beginn doch stark ausgeprägt war, ablegen?

Genaue Untersuchungen liegen mir in diesem Fall nicht vor. Man muss sich als Musiker/In aber bewusst sein, dass es eigentlich unmöglich zu verhindern ist, dass Musik, die beliebt ist, irgendwann einmal im Netz und auf Tauschbörsen landet oder über Festplatten verteilt wird. Mittlerweile kann man sicher auch schon mp3s von einem Handy zum anderen schicken. Das kann man als Musiker/In nicht verhindern.

Dieses schnelle Kopieren schmälert in Folge natürlich auch die Einnahmen aus den Musikverkäufen an sich. Aus diesem Grund sollte man sich als Musiker/In vorwiegend darauf konzentrieren Konzerte zu spielen. Vielleicht wird sich in Zukunft ja so eine Art Mischmodell als erfolgreich erweisen, dass man eben sagt: ” wir verschenken von unserem neuen Album zwei oder drei mp3s, die auch jeder kopieren darf”, damit man sozusagen auf der einen Seite ins Gespräch kommt und die Leute auch ein gutes Gewissen haben. Die restlichen Stücke muss der Fan dann eben auf Vinyl, Cd oder in mp3 Online-Shops, wie iTunes kaufen. So ähnlich könnte ich es mit vorstellen.

Daraus schließe ich, dass du einer Aktion, wie sie etwa Radiohead mit ihrer letzten Platte durchgezogen haben, viel Positives abgewinnen kannst?

Auf jeden Fall war das eine sehr interessante Aktion. Wobei man natürlich dazu sagen muss, dass Radiohead nicht die ersten waren, die gesagt haben: ” Hier, du kannst unsere Lieder herunterladen und darfst selbst bestimmen, wie viel du dafür bezahlst.” Da gibt es etwa das Netlabel Magnatune, die, so glaube ich,  auch auf der DMET Konferenz zu Gast war, Magnatune betreibt bereits seit Jahren ein solches Konzept. Von Radiohead war es natürlich ein sehr cleverer Schachzug, weil sie zum einen bereits eine bekannte Band sind, und es vor ihnen noch niemanden dieser Größe gegeben hat, der so etwas so publik gemacht und so ein enormes Werbeecho produzieren konnte. Gerade durch diesen Schachzug konnten sie auch auf zahlreichen Webseiten und Print-Magazinen sehr viel Werbung generieren. Schon alleine das war es wert, diese Aktion überhaupt zu starten.

Radiohead wissen ja selber, sobald ihre Musik digitalisiert ist, ist diese auch kopierbar und sie versuchen eben auf diesem Weg so viel Aufmerksamkeit zu erreichen, um auch dementsprechend mehr Platten zu verkaufen. Mit Sicherheit sind da einige Leute mehr neugierig geworden und wollten die Musik der Band hören. Manchen wird gefallen haben, was sie da gehört haben und es wird ganz sicher auch nicht wenige geben, die ganz gutes Geld dafür bezahlt haben.

Das funktioniert aber, dann eher wahrscheinlich bei eher bereits bekannten Musiker/Innen und Bands?

Das kann durchaus auch bei kleineren Bands funktionieren. Dies aber natürlich in einem kleineren Rahmen. Dennoch ist es so, dass von solchen Aktionen vorwiegend Musiker/Innen profitieren, die schon einen gewissen Bekanntheitsgrad haben. Alleine aufgrund der vermehrten Berichterstattung in den Medien. Was ich aber nicht glaube ist, dass diese Aktion, die Radiohead im vergangenen Jahr durchgezogen hat, sich nochmals in dieser Form wiederholen lässt und es beim nächsten Album genauso klappt. In diesem Fall wird wohl keiner mehr darüber berichten, weil ein jeder sagen wird: “Ach, das kennen wir ja schon alle.”

Eine ähnliche Geschichte gab es vor ungefähr zwei Jahren mit Talib Kweli, der sogar sein ganzes Album verschenkt hat. Er hat es zwei Wochen lang mit der Möglichkeit, es kostenlos downzuloaden, online gestellt. Daraufhin ist in den diversen Webblogs wie wild darüber berichtet worden. Nach ungefähr zwei Wochen hat Kweli das Album schließlich vom Server genommen und die Leute haben trotzdem darüber berichtet. Wahrscheinlich haben in Folge auch einige, die nicht mehr in den kostenlosen Genuss gekommen sind, das Album auch gekauft. Radiohead waren also nicht wirklich die Ersten.

Wenn du dir die jetzige Entwicklung vor Augen führst, glaubst du, dass die Möglichkeiten der digitalen Vermarktung auch überall gleich genutzt wird? Ob vielleicht die USA in diesem Bereich bereits weiter ist?

So genau kann ich dazu nicht viel sagen. Aus dem Bauch heraus würde ich aber behaupten, dass es da keine allzu großen Unterschiede gibt. Die Amerikaner, sprich Apple, haben es natürlich als aller erstes geschafft, vier große Majorfirmen unter einen Hut zu bringen, aber die digitale Distribution, ist in Europa genauso fortgeschritten wie in den USA.
Und ich denke, dass sich gerade Musiker/Innen aus z.B. den Phillipinen oder aus Venezuela,  wo es ja überhaupt keine Vinylpresswerke oder CD-Produktionspresswerke gibt, über diese neuen Technologien freuen, da sich die Möglichkeit erhalten, auf diesem Weg ihre Musik auch nach Europa oder in die USA zu bringen. Zum Beispiel weiß ich von Bekannten, die haben hier für Deutschland schon vor zwei Jahren das Bemusterungsprogramm für Radiostationen geschrieben, wo Promoter aus Musikfirmen gezielt Leute mit mp3s bemustern konnten.

Das Interview führte Michael Ternai.