mica-interview mit Florian Kmet

Ein elektrischer Songwriter für das 21. Jahrhundert In den letzten Jahren hat er sich als Mitspieler der Formationen Superlooper und Lokai einen Namen gemacht. Am 27.3. präsentiert Florian Kmet sein Solo Album “Electric Songs”, Ö1 Zeit-Ton sendet am 22.3. ein Portrait.  

SN: Auf deinem ersten Solo-Album präsentierst du dich als “Electronic Singer-Songwriter”, seit wann beschäftigst du dich mit dem Songformat?

FK: Schon während meiner Zeit in Amerika war das Songformat zentral. Ich habe dort in Rockbands gespielt, war dabei aber vor allem als Gitarrist tätig. Später habe ich dann Goethe Gedichte vertont, das ging auch in die Richtung Song. Dieses Projekt hat sich aus einem klassischen Solo mit einer Sopranistin heraus entwickelt. Wir haben vorwiegend neue Musik gespielt und mit der Zeit habe ich dann angefangen, auch immer mehr solo zu spielen und eigene Nummern einzubringen. Und dann gab’s eben, nachdem ich drei Jahre lang in einem englischsprachigen Land gelebt hatte, den Wunsch deutsche Texte zu verwenden. Da war Goethe gerade nahe liegend und aus der Vertonung der Goethe Gedichte heraus hat sich dann auch durch die Arbeit mit dem Live-Sampler dieses neue Solo entwickelt, für mich ist das quasi so eine elektrifizierte Form des Singer-Songwriters. Einige meiner Songs funktionieren ja in dem etwas klassischeren Singer Songwriter Schema, andere entstehen vielleicht mehr auf die Art und Weise wie auch elektronische Musik entstehen kann, sowohl in textlicher als auch in musikalischer Hinsicht.

SN: Also ich muss sagen, ich finde Goethe jetzt eigentlich gar nicht so nahe liegend, wieso war er es für dich?

FK: Das Naheverhältnis zu Goethe ist eigentlich durch meinen Bruder zustande gekommen. Vor acht oder vielleicht sogar schon zehn Jahren hat mein Bruder an der Goetheanistischen Studienstätte in Wien Mauer studiert. Das ist eine anthroposophische Kunstschule die eben, wie schon der Name sagt, ein großes Naheverhältnis zu Goethes Farben-, Formen- und Naturlehre hat. Das fand ich sehr interessant und ich hab dann die Goethe Gedichte nach jenen durchforstet, die mir zeitgemäß erschienen, wie z.B. “Harfenspieler”, die vier Mignon Gedichte oder “Nähe des Geliebten”. Die sind eigentlich sehr aktuell und die habe ich dann vertont, wobei ich natürlich auch nur die Goethe Gedichte verwendet habe, wo ich schnell das Gefühl hatte, dazu auch Musik finden zu können.

SN: Du hast es vorher bereits angesprochen, gleich nach der Matura bist du für drei Jahre nach New York gegangen, um dort Musik zu machen. Was hast du aus dieser Zeit für deine weitere musikalische Laufbahn mitgenommen?

FK: Was ich auf jeden Fall mitgenommen habe, ist das konzentrierte Arbeiten an einem Projekt. Die wenigsten Leute dort haben ja Zeit, das heißt du entwickelst mit relativ wenig Zeit und mit wenig Mitteln, aber dafür mit hohem Einsatz auch die ganzen Projekte. In jeder Hinsicht, sowohl musikalisch, als auch PR-technisch. Also dort macht man ja Sachen, die sich in Wien energetisch schwer ausgehen. Zum Beispiel waren wir immer von zwei bis fünf Uhr in der Früh plakatieren vor den Konzerten, das war ganz normal. Aber musikalisch hat sich’s dann ja in eine komplett andere Richtung entwickelt, wie ich nach Wien gekommen bin. Da war dann auf der einen Seite das Studium der klassischen Gitarre und auf der anderen Seite ganz abstrakte, improvisierte Musik. In Wien ist dann alles implodiert. Das war auch ein Grund, warum ich nach Österreich zurückgegangen bin, weil es sich in New York musikalisch eben ein bisschen erschöpft hatte mit den dortigen Projekten.

SN: Du hast zuerst von den beiden unterschiedlichen Zugängen gesprochen, die du im Entstehungsprozess deiner Songs verfolgst, kannst du das bitte noch ein bisschen näher ausführen?

FK: Bei manchen meiner Songs gibt es einen Text, der eine direkt nachvollziehbare Geschichte erzählt. In diesen Fällen ist der Text meist vorher da und die Musik entsteht im Anschluss. Bei jenen Songs, die unter Anführungszeichen elektronisch funktionieren, ist es oft so, dass der Text zeitgleich mit der Musik entsteht, oder auch danach.

SN: Eine Geschichte, die sehr hervorsticht, ist die in deinem Song “Stalker”, nicht zuletzt wohl auch, weil hier ein Mann von einer Frau verfolgt wird und nicht, wie es ja in der Regel der Fall ist, eine Frau von einem Mann. Wie bist du auf diese Geschichte gekommen?

FK: Dieser Song ist ja vor der Erlassung des Anti-Stalking Gesetzes entstanden. Ich habe einfach über die Jahre hinweg immer wieder schon von solchen Geschichten gehört und fand dieses Phänomen interessant, das völlig Überzeichnete und Extreme. Also da gibt es ja wirklich die wildesten und unglaublichsten Geschichten und solche Geschichten interessieren mich für meine Texte. Das der Verfolgte ein Mann ist gibt dem ganzen vielleicht noch eine surrealere Note.

SN: Wo findest du die Geschichten für deine Songs? Manchmal geht es in deinen Songs ja auch ziemlich brutal zu, wie etwa in “Ruskia”, wo ein Mann einer Frau, die gerade viel Geld von der Bank abgehoben hat, in ihre Wohnung folgt, sie dort ausraubt und dann niederschlägt.

FK: Ich male mir gerne Geschichten aus und ich rede gerne mit Leuten über das, was sie erleben. Einige Texte entstehen auch aus Träumen. Auch in Träumen geht es ja oft brutal zu. Und man ist natürlich auch von heftigen Geschichten umgeben, etwa wenn man reist. Auch auf meinen Reisen, auf den Konzertreisen und auf den privaten Reisen, schaue ich mir sehr gerne die Leute an und wie sie leben. Bei “Greek” muss man aber zum Beispiel schon auch selber suchen, um zu einer Story zu kommen. Da gibt es ja wirklich nur Wortfetzen, einzelne Sätze haben eine Bedeutung und wenn man will, dann kann man auch eine Geschichte aus dem Song herauslesen, aber diese ist eben schon sehr abstrahiert.

SN: Das ist wohl auch ein Beispiel für einen Song, bei dem der Text parallel zur Musik entstanden ist, oder?

FK: Genau.

SN: In wie weit tragen deine Songs autobiographische Züge, bist du selber der Hauptdarsteller in deinen Geschichten?

FK: Am interessantesten finde ich es wenn sich die Hörerin oder der Hörer denkt: Ist er das jetzt? Oder ist er es nicht? Ober bin ich es selber? Oder ist es der Nachbar?

SN: Ein Musikformation in der du ebenfalls Mitglied bist ist Superlooper, das gemeinsame Projekt mit Ludwig Bekic und Alexander J. Eberhard. In den letzten Monaten ist es um Superlooper recht still geworden, warum?

FK: Wir haben einige Jahre live ausschließlich frei improvisiert gearbeitet und sind dabei drauf gekommen, dass wir mit komponierter Musik energetischer arbeiten können. Deswegen gibt es jetzt auch schon eine relativ lange Konzertpause. Im Moment arbeiten wir an einem Konzept-Album, wobei ich im Moment nur so viel sagen kann, dass wir dem Besitzer bzw. der Besitzerin dieser CD eigentlich eine Installation für die Wohnung zur Verfügung stellen wollen. Es wird ein bisschen so sein, wie wenn man gleichzeitig zwei unterschiedliche Radiosender hört. Ich mach das manchmal. Dabei steht ein Radio um Badezimmer und eines im Wohnzimmer. Das ergibt dann immer vor allem in den Übergangsphasen zwischen den Räumen sehr interessante Überschneidungen oder Mischungen.

SN: Und wie sieht nun konkret eure neue Arbeitsweise aus?

FK: Wir haben immer wieder Sessions gemacht, bei denen wir zum Teil improvisiert und zum Teil auch nach Noten gespielt haben. Zum Teil hat es auch einfach nur ein paar mündliche Anweisungen oder Vorstellungen gegeben. Im Moment werden diese Aufnahmen von jedem der drei Superlooper-Mitglieder bearbeitet. Zusätzlich treffen wir uns, tauschen uns aus und geben einander Feedback. Danach geht es dann immer in die nächste Runde. Es findet also quasi gerade ein Rekonstruieren von Superlooper statt.

SN: Ein weiteres zentrales Projekt von dir ist das Duo Lokai gemeinsam mit Stefan Nemeth. Wie ist diese Zusammenarbeit entstanden?

FK: Am Anfang war einfach das Interesse da, Gitarre und Elektronik miteinander zu verbinden und hier neue persönliche Wege zu gehen. Ich habe vorher auch noch nie mit einem Elektroniker zusammengearbeitet. Und Stefan selber kommt ja auch von der Gitarre her, insofern gab es auch da Überschneidungspunkte.

SN: 2005 ist bei dem Label Mosz eure CD “7 Million” erschienen. Was hat sich in der Zwischenzeit bei Lokai getan?

FK: Für “7 Million” wurde noch viel am Computer gebaut. Jetzt versuchen wir mehr live zu arbeiten, und auch schon in einem frühen Stadium mehr mit Struktur aufzunehmen. Unsere Aufnahmemöglichkeiten haben sich in der Zwischenzeit stark verbessert. Auf “7 Million” gibt es auch noch einige Stücke, in denen sehr viel gleichzeitig passiert, in denen viel elektronische Klänge übereinander geschichtet sind. Jetzt tendieren wir mehr zu klarer identifizierbaren Sounds und Klangsequenzen, die auch eindeutiger zuordenbar sind. Wir arbeiten fokusierter und auch reduzierter. Es gibt schon einige neue Stücke, die demnächst auf einer dreiteiligen Vinyl EP Edition veröffentlicht werden sollen.

SN: Am 29. März wird Lokai im Echoraum auf dieb13 treffen, auch hier zeichnet sich also eine Entwicklung ab…

FK: Ja, hier gibt es eine Erweiterung. Bei dem Festival “ni co nu ni” in Luxemburg wir Bernhard Breuer Schlagzeug spielen und im Echoraum wird es eine Kooperation mit dem Turntablisten dieb13 geben. Wir überlegen auch live einen Visualist bzw. eine Visualistin in die Band miteinzubeziehen. Das wird vielleicht schon bei dem Konzert im Juli im Paradiso in Amsterdam passieren. Diese Erweiterungen des Duos sind gerade sehr spannend.

SN: Deine “Electric Songs” wirst du jedenfalls solo präsentieren, wieso hast du dich dazu entschlossen in diesem Fall alleine zu arbeiten?

FK: Ich genieße sehr mit Band zu arbeiten, das hat irrsinnig viele Vorteile, denn das gemeinsame Arbeiten befruchtet natürlich, sowohl im musikalischen also auch im sozialen Sinn. Auf der anderen Seite ist es beim Solo sehr bereichernd einfach alle Entscheidungen treffen zu können und das bis zur letzten Sekunde. Ich kann live die Reihenfolge verändern, ich kann die improvisatorischen Aspekte ausbauen, ich kann etwas völlig frei spielen. Diese Freiheit des Stils, die ich mir da herausnehmen kann ist mir einfach schon sehr wichtig, auch wenn das jetzt vielleicht nicht direkt verkaufsfördernd ist, weil man meine Musik dadurch im Regal halt schwieriger einordnen kann. Aber es ist mir eben sehr wichtig, selbst zu entscheiden und eigentlich den musikalischen Stil der Geschichte, die ich erzählen will, unterzuordnen.

Florian Kmet im Zeit-Ton Portrait: 22.3.2007, 23.05 Uhr

CD: Florian Kmet, Electric Songs, konkord 019

Die nächsten Veranstaltungen von Florian Kmet:
(aus seiner email-Aussendung herauskopiert, wobei das erste Solo-Konzert im MAK die offizielle CD-Release Party ist)

KMET “electric songs” bei Konkord/Hoanzl

 

 

Florian Kmet