mica-Interview mit Christian Wagner (Eiffelbaum Records)

Dieser Tage feierte Eiffelbaum Records sein 6-jähriges Bestehen. Das Label mit Sitz in Niederösterreich versucht, abseits des Begriffs Austropop, die Wiederbelebung der lange Zeit eher unter der öffentlichen Wahrnehmung stattfindenden österreichischen Dialektmusik. Es ist wieder „in“ in der eigenen Sprache zu singen und es kommt auch gut an. Warum dem so ist, verrät Christian Wagner, der Gründer und Betreiber des Labels, im Gespräch mit Michael Ternai.

Kannst du die Gründe erläutern, was dich dazu bewegt hat, Eiffelbaum Records überhaupt zu gründen?

Christian Wagner: Vielleicht vorab, ich selbst bin kein Musiker, habe aber seit Mitte der 90er Jahre schon Konzerte und andere Events veranstaltet. Im Zuge dieser Tätigkeiten hat sich bei mir irgendwann auch das Bedürfnis geregt, mehr für die Förderung junger Bands zu tun und ihnen ein professionelles Umfeld zu schaffen, welches ihnen ermöglichen soll, sich weiter zu  entwickeln. Zudem hatte ich, so um 2006, immer mehr auch das Gefühl, dass die Dialektmusik irgendwie im Kommen ist. Das Interesse am englischen Rock-Ding war doch schon im Abflauen begriffen. Dann sind eben die Christina Stürmer und der Hype um sie gekommen. Sie hat auf hochdeutsch gesungen und hatte damit auch großen Erfolg. Von da an war mir eigentlich klar, dass auch das Interesse an der Dialektmusik, die ja irgendwie auch eine Rückbesinnung auf die eigene Identität bedeutet, wieder eine größere werden wird. 2006 und 2007 gab es ja schon Bands, die im Dialekt gesungen haben so z.B. der Hubert von Goisern, und der ist bekanntlich ja ziemlich abgefeiert worden. 2008 habe ich mich dann auch dazu entschlossen, mich selbständig zu machen und fortan als Booker und Künstlermanager zu arbeiten. Mir ist dann auch schnell klar geworden, dass es auch eines Labels bedarf und so habe ich eben Eiffelbaum Records, das speziell auch Dialektmusik ausgerichtet war, gegründet.

Ist das Singen im Dialekt das einzig ausschlaggebende Kriterium für dich, eine Band in dein Label aufzunehmen, oder muss eine solche doch auch anderes mitbringen.

Christian Wagner: Natürlich sollte mir und auch vielleicht einer größeren Menge von Leuten die Musik der Band schon irgendwie gefallen. Aber das ist alleine jetzt nicht das entscheidende Kriterium. Was mir genauso wichtig ist, ist die persönliche Chemie zwischen der Band und mir. Irgendwie sehe ich mein Label schon auch als Familie und da ist ein beiderseitiges gutes und positives Gefühl schon entscheidend. Man merkt bei einem persönlichen Gespräch ja eh recht schnell, ob es passt oder nicht. Und bis jetzt hat in den meisten Fällen die Zusammenarbeit auch wirklich sehr gut funktioniert.
Das mit dem im Dialekt Singen ist auch so eine Sache. Der im Moment international erfolgreichste Act des Labels ist ja das Großmütterchen Hatz Salon Orkestar, und die Musik dieser Formation lässt sich jetzt nicht unbedingt der Dialektmusik zuordnen. Aber vom Denken her passen wir sehr gut zusammen. Die Kommunikation stimmt, wie auch das gegenseitige Geben und Nehmen, und ganz wichtig, die Vertrauensbasis ist gegeben. Das ist bei anderen Labels, die doch eine fixe stilistische Ausrichtung haben, vielleicht nicht so. In diesem Punkt bin ich vielleicht ein wenig offener. Mein Ziel ist ja, auch zu zeigen, dass es in der Dialektmusik keine Genregrenzen gibt. Es kann jede Art der Musik auf Dialekt gut klingen. Das sieht man zum Beispiel an Bands wie Rabouge, die eher hin zum Jazzigen und Bluesigen tendieren, und Fotzhobl, die sich mehr am Rock orientieren.

Wie erklärst du dir, dass die Dialektmusik wieder Interesse erweckt?

Zum einem glaube ich, dass viele Menschen von diesem starken globalisierten Denken weggekommen sind und angefangen haben, zu ihren eigenen Wurzeln zu stehen. Das hat aber überhaupt nichts mit einer faschistischen oder nationalistischen Einstellung zu tun, sondern vielmehr mit der Zurückfindung zur eigenen Identität. Ich glaube, dieses Bedürfnis haben im Moment viele. Zum anderen liegt es auch am Facettenreichtum eines Dialekts, d.h. an den kleinen Feinheiten, große Dinge auszudrücken. Ich glaube einfach nicht, dass jemand, der Englisch in der Oberstufe gelernt hat, sich jemals so fein ausdrücken kann, wie er es in seinem Dialekt tut. Die hochdeutsche Sprache bietet schon sehr viele Möglichkeiten und der Dialekt hat, meiner Meinung nach, noch mehr inhaltliche Feinheiten.
Das Bedürfnis der Musiker, dass ihre Texte und der Inhalt auch verstanden werden, ist gestiegen. Früher hat man auf Englisch irgendwelche komischen Floskeln von sich gegeben, weil diese eben cool geklungen haben, der Inhalt selbst war irgendwie nie so wichtig. Es  macht schon einen Unterschied, wenn ich den englischen Text im Kopf übersetzen muss oder wenn mir Text direkt in mein Herz reingeht. Es gibt einige Bands, die ich persönlich kenne, die haben wirklich von heute auf morgen beschlossen, vom Englisch auf Dialekt zu wechseln.

Du bist ja als ein Verfechter der Musikquote ein großer Kritiker des ORF. Welche sind deine Kritikpunkte?

Christian Wagner: Also einer meiner Kritikpunkte ist, dass die Quote, wie sie derzeit geregelt ist, einen schon sehr ominösen Charakter hat. Denn irgendwie wird alles, woran Österreicher in irgendeiner Form  beteiligt sind, hinzugezählt. Unter anderem auch alle Werbe-Jingles, die im Radio irgendwie zwischendurch laufen. Das kann es doch nicht sein. Da passt es von hinten und vorne nicht. Es würde vielmehr Sinn machen, sich an den die AKM-Statistiken zu orientieren und die als Grundlage für eine gerechte Quote herzunehmen. Dadurch hätte man auch einen Vergleich zu anderen Ländern.  Eine solche Quote gegen das Europäische Recht durchzusetzen ist natürlich schwer,  deswegen braucht es eben auch von politischer Seite einen höheren Druck.
Darüber hinaus wäre es wichtig, der Bevölkerung einmal bewusst zu machen, wie geringwertig österreichische Musik von den Radiobetreibern angesehen wird. Ich denke, dann könnte einiges in Bewegung geraten. Bis jetzt hat man es aber einfach nicht geschafft, eine solche Kampagne richtig hinzubekommen, auch weil sich vieles oft nach einem Gejammer anhört. Ich denke, man kann als österreichischer Musiker durchaus auch selbstbewusster auftreten. Man muss die Musik aus Österreich einfach auch als Chance betrachten und damit argumentieren, dass man mit einer richtig geregelten Quote eventuell auch einen ganzen Wirtschaftsbereich wiederbeleben könnte.

Eine zweite Sache ist, dass einfach keine aktuellen österreichischen Sachen gespielt werden. Es ist immer noch ein Wolfgang Ambros, den man zu hören bekommt. Und deswegen findet aktueller Content auch kaum Platz in den Programmen. Seine Lieder sind in den 70er Jahren, also vor mittlerweile fast vier Dekaden, zu einer Zeit, in der der Austropop modern war, entstanden. Und noch heute ziehen die Leute und Medien, im Radio und Fernsehen, in den unterschiedlichsten Formen und Formaten, über die Sendung „Seitenblicke“ und ähnliches, ihren Nutzen alleine aus dieser Epoche der österreichischen Musikgeschichte. Damit ist der Weg für neuen Content quasi verstellt.
Aber wie wird es in 10 Jahren sein, wenn sie alle, von Ambros bis Fendrich, vielleicht nicht mehr da sein werden? Dann wird es für diese Formate plötzlich keinen österreichischen Inhalt mehr geben, weil eben niemand Neuem der Platz geboten worden ist, sich bekannt zu machen. Dann greift man vermutlich nur noch auf Starmania- oder Die große Chance- Gewinner zurück, nach denen nach einem Jahr kein Hahn mehr kräht.  Es sollte, meiner Meinung nach, auch das Eigeninteresse der österreichischen Radios und Medien sein, für Content zu sorgen, dass auch in 20 Jahren interessant sein kann. Es kann nicht sein, dass wir immer noch vom Falco, Ambros oder Fendrich reden. Was wird danach sein? Ö3 hat ja einst den „Austro Pop“ mit aufgebaut, warum kann er nicht genauso neue österreichische Acts, egal ob diese nun auf Englisch oder Deutsch singen, aufbauen? Schon alleine aus dem Eigeninteresse heraus.

Dennoch, trotz aller schwierigen Umstände, scheint sich doch einiges entwickelt zu haben.

Christian Wagner: Auf jeden Fall. Wenn ich mir nur anschaue, wie sich die Situation vor sechs Jahren, als ich mit dem Label begonnen habe, zu heute verändert hat, kann man schon sagen, dass sich wirklich sehr viel zum Positiven hin getan hat. Die Zahl der Dialektmusiker ist deutlich gestiegen, und auch das Interesse an der Musik selbst ist eine höhere als noch davor. Ich bin auch optimistisch, dass die Entwicklung auch weiterhin nach oben zeigt, weil ich fest davon überzeugt bin, dass das Potential noch bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Aber wie gesagt, es bedarf da schon auch der Unterstützung von anderen Seiten. Ich hoffe, dass sich etwa die Medienlandschaft wieder auf ihre Pflichten zurück besinnt und Musik aus Österreich fördert. Ein guter Anfang ist das neue Musikformat auf Puls4, das den Fokus auf die österreichische Musik legt.  Dort wird es sicher auch einmal eine Auswertung bzw. eine Marktbefragung geben, die vielleicht aussagt, dass das Interesse an neuer heimischer Musik da ist, was wiederum den ORF vielleicht in Zugzwang bringen wird, mehr von dieser zu spielen.

Und wie geht es mit deinem Label weiter? Was erwartest du dir für die Zukunft?

Christian Wagner: Ich denke, dass in den kommenden Jahren eine zunehmende Professionalisierung stattfinden wird, sei es auf meine eigene Tätigkeit bezogen, wie auch auf die Bands, die mit mir arbeiten. Auch bin ich mir sicher, dass die eine oder andere Band auch bekannter wird, was natürlich nicht von heute auf morgen passieren wird. Aber das Potential und die Qualität sehe ich doch bei einigen meiner Acts. Vorrausetzung dafür ist, dass eben niemandem am Weg  die Luft ausgeht.

 

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