Impuls Festival 2025: Neue Musik hautnah erlebbar

„We are back to normal“, mit diesen Worten eröffnete Ernst Kovacic, Mitbegründer von impuls, die 9. Ausgabe des Festivals für zeitgenössische Musik. Ganz im Sinne einer Akademie, die parallel und in Wechselwirkung stattfindet, wird zwei Wochen lang in einer Atmosphäre des anregenden Miteinanders gearbeitet, musiziert und voneinander gelernt – und das strahlt auf das impuls Festival über.

Parallel zu den Konzerten bereichern Vorträge, Diskussionen, Komponist:innengespräche und vieles mehr das Programm des impuls Festivals und der Akademie. Zeitgenössische Musik, von klassischer Moderne bis hin zu aktuellsten Produktionen, werden so in Theorie und Praxis, in Diskurs und Klang hautnah erlebbar. In Kooperation mit Austrian Music Export widmete sich das Festival in den ersten drei Tagen intensiv der zeitgenössischen österreichischen Musikszene. Den Auftakt des Austrian Focus machte das Ensemble NAMES, welches das impuls Festival am 17. Februar 2025 eröffnete.

Day 1: The space between us und points of no return

Ensemble NAMES

„The space between us“ lautete der treffende Titel des Eröffnungskonzerts des Ensembles NAMES. Neun Musikerinnen und Musiker aus sechs europäischen Ländern verknüpften in den Programmen des seit 2014 bestehenden Ensembles verschiedene Formen zeitgenössischer Kunst. Zur Eröffnung war es gefüllt mit aktuellen Werken von Thomas Grill, Clara Iannotta und einem Auftragswerk an Rojin Sharafi. „Wir arbeiten mit Freunden“, erklärten NAMES kürzlich in einem mica-Interview. Was nach Exklusivität klingt, birgt zugleich eine große Qualität in sich. Und diese Qualität und Nähe war an diesem Abend deutlich zu spüren.

Für das letzte Stück des Abends, „points of no return“ von Marco Döttlinger, verließen die Ensemblemitglieder ihre Instrumente und kamen am Bühnenrand mit Mini-Synthesizern zusammen und durchzogen den Ligeti-Saal des MUMUTH mit Visuals und meditierend wummerndem Sound. Spätestens ab diesem Moment wurden die Anwesenden zur eingeschworenen Gemeinschaft. Ein gelungener Auftakt für die folgenden Festivaltage!

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Day 2: Zwiegespräche mit Rückkopplung, ein fantastisches Solo und zwei famose Streichquartette

Samuel Toro-Pérez

Bis Samuel Toro-Pérez die erste Saite seiner E-Gitarre anschlug, vergingen schon einmal 15 Minuten. Bis dahin passierte jedoch schon sehr viel im Raum. Sein Konzert „Open Spaces. Tracing the Architecture of Time“ lud das Publikum des impuls Festivals zu einer intimen musikalischen Erkundung des physischen wie auch des imaginären Raums ein. Mit wechselnden Partner:innen – Elena Rykova (electronics) und Micha Seidenberg (live electronics) – auf der Bühne entstanden Zwiegespräche mit Rückkopplungen. Hier sind Passagen mit melodiösen Klängen, die wie Unterwasserklänge vermischt mit elektronischen Signalen anmuten. Dort werden die Fußpedale bestätigt und subtil mit Verstärkung gearbeitet, bis der Sound fast in den Noise abdriftet. Und so arbeiten die Beteiligten stets feinfühlig daran, dass das Feedback hörbar wird, und doch immer subtil bleibt.

WIEN MODERN 2024: when we play - andother stage (Kulturhaus Brotfabrik, 22.11.2024)
WIEN MODERN 2024: when we play – andother stage (Kulturhaus Brotfabrik, 22.11.2024) (c) eSel.at – Joanna Pianka

Judith Fliedl

„She is an old lady of more than 200 years, that has played crazy pieces“ – so stellte die Violinistin Judith Fliedl dem Publikum ihre Geige vor. Für das vermutlich verrückteste Stück, das ihre Geige bisher zu Gehör gebracht hat, muss die Violinistin nach der „Bourrée bourrée“ von Bernhard Gander, den Bogen wechseln, bevor sie impulsiv damit die Saiten in Schwingung versetzt. Und so wurde die Interpretation von Clemens Gadenstätters „from moves“ zu einer Performance der reinsten Körperbeherrschung. Judith Fliedl und ihre Geige sind eines. Es folgten „de terrae finae” von Georg Friedrich Haas und „Hauch“ von Rebecca Saunders. Die Beziehung zum Publikum spielt für Judith Fliedl, die im Rahmen eines künstlerischen Doktorats an der Kunstuniversität Graz als Research Assistant forscht, in ihrer Aufführungspraxis eine große Rolle. Bruno Strobl sowie Gerd Kühr werden je ein Stück für sie und ihre Forschungsvorhaben schreiben. Von dieser Violinistin wird noch viel zu hören sein.

Judith Fliedl
Judith Fliedl (c) Maria Frodl

Chaos String Quartet

Das Chaos String Quartet wurde bereits mit internationalen Preisen bedacht – warum, wurdebei ihrem eindrücklichen Konzert mit Werken von Anton Webern, György Ligeti, Roman Haubenstock-Ramati, Francesaca Verunelli, György Kurtág und Josef Matthias Hause deutlich spürbar, wenn sie damit die Quartett-Geschichte von mehr als einem Jahrhundert fein austariert überspannen. Oftmals reicht der historische Bogen bei ihren Auftritten noch weiter, wenn sie etwa Quartettliteratur von Franz Schubert mit freier Improvisation verbinden. Und so wäre es nicht das Chaos String Quartet, wenn es nicht auch Ungewohntes wagen würde. Und so versetzten sie das Publikum ob ihres erstklassigen und energiegeladenen Spiels oftmals in Staunen.

Chaos String Quartet
Chaos String Quartet (c) Sven-Kristian Wolf

Ensemble LUX

Das Ensemble LUX, das für seine außerordentliche Virtuosität gepriesen wird, richtete seinen Fokus auf den ersten Blick auf neuere Kammermusik, wie etwa Streichquartette von Olga Neuwirth und Beat Furrer andenken ließen. Doch insbesondere die 15 frischen Miniaturen von Komponist und Violinist Thomas Wally bezogen sich auch auf frühere Kompositionen, die so einen weiteren Blick öffneten – der Schlusspunkt mit Olga Neuwirths „Settori“ spannte den Bogen zum Beginn, den das Quartett mit Neuwirths „Akroate Hadal“ bereits eindrücklich als Anfangspunkt gesetzt hatte. Großer Applaus!

Day 3: von visualisiertem Sound über 12 Saxofone, einem Streichquartett in Dunkelheit bis zum menschlichen Körper

Daniel Lercher: LISA 5, Videostill
Daniel Lercher: LISA 5, Videostill © Daniel Lercher

Daniel Lercher „LISA 5“

Daniel Lercher visualisiert den Sound. Die Weltpremiere von „LISA 5“ begannt mit einem rotierenden weißen Lichtkreis auf schwarzer Leinwand, der sich durch die Manipulation elektroakustischer Signale in immer komplexe, sich stets wandelnde grafische Figuren, verwandelt. Dazu nutzt Lercher die 100 Jahre alte Technologie des Oszilloskops. „Wir haben das Hören verlernt“, konstatierte Lercher in einem mica-Porträt. Mittels Klangkunst müssten wir es uns zur Aufgabe machen, das Hören wieder zu erlernen.

Vielleicht muss man auch ein bisschen nerdy sein, um sich in die reduzierten Grafikprojektionen und den elektronischen Sound zu verlieben. Die Show, hinter der offensichtlich reichlich Know-how steckt, hinterlässt jedenfalls großen Eindruck. Nach dem Konzert wandte sich Daniel Lercher an das Publikum und beantwortete Fragen – wer sich näher für die Technologie hinter „LISA 5“ interessiert, ist gut beraten, Lissajous-Figuren nachzuschlagen.

Spectrum Saxophonquartett

Zwölf Saxofone standen für den Auftritt des Spectrum Saxophonquartetts bereit und gleißen bereits im Bühnenlicht, als Florian Bauer, Daniel Dundus, Severin Neubauer und Stephanie Schoiswohl die Bühne betraten. Los ging es mit geballter Kraft bei einer Komposition von Gerald Preinfalk, bei dem die vier Bläser:innen auch studiert haben. Dass es das 2020 gegründete Quartett auch mit leisen Tönen aufnehmen kann, zeigten die Musiker:innen bei dem Stück „Mägen“ von Yulan Yu, einer einstigen Studienkollegin. Friedrich Cerhas „Ondate“ erfordert mehrere Instrumentenwechsel, daher rühren auch die insgesamt zwölf verwendeten Instrumente. Das Saxofonquartett von Friedrich Haas besticht wiederum durch besonders langgezogene Bögen auch unter der Verwendung der tiefen Töne. Die Auswahl der Stücke, lässt die Vielseitigkeit des Quartetts erahnen, den Kraftakt des Konzerts meistern die vier Musiker:innen mit spielender Bravour – ein Großteil der Werke ist auch auf ihrer Debut-CD zu hören.

Kandinsky Quartet

Zupf- und Zischlaute, Überraschungsmomente – all das beherrscht das perfekt eingespielte Kandinsky Quartet. Für „A Failed Entertainment“ von Clara Ianotta waren die Streicher:innen mit Klingeln als zusätzliche Instrumente ebenso wie mit immenser Spielfreude ausgestattet. Um dem Wunsch von Georg Friedrich Haas nach vollkommener Dunkelheit für sein Streichquartett Nr. 10 gerecht zu werden, lud die Violinistin Hannah Kandinsky das Publikum ein, die Augen zu schließen. Das Saallicht ging aus, nur die Notausgangsschilder leuchteten und das Kandinsky Quartet spielte das rund 40-minütige Stück auswendig. Wie wäre dies im Dunkel sonst anders möglich gewesen?

Bild Schallfeld Ensemble
Schallfeld Ensemble (c) Maria Frodl

Schallfeld Ensemble

Für sein erstes Konzert der Saison „KORPUS I“ schnürte das in Graz beheimatete Schallfeld Ensemble die Wundertüte auf. Mit Claudio Panariellos „To learn the obscene art of suffering pain“ führte Schallfeld die Anwesenden in ein Programm ein, das dem Körper gewidmet ist. Dabei integriert das Ensemble, das seit seiner Gründung eng mit impuls verbunden ist, Werke von Carola Bauckholt und Misato Mochizuki, die beide regelmäßig an der impuls Academy unterrichten.

Sehr effektvoll gestaltete sich die Arbeit „don’t leave the room“ von Alexander Khubeev. In dieser musikalischen Intervention wird der Körper mehrfach als sprachliches Medium eingesetzt: ein Performer interpretiert in Gebärdensprache Joseph Brodskys Gedicht „Don’t leave the room“, der Text läuft parallel im groß projizierten Live-Video im Hintergrund mit und lässt auf humorvolle Weise die Unwegbarkeiten spachlicher Übersetzungen zutage treten, wenn die Doppeldeutigkeit von Zeichen Verwirrung stiftet. Die Interpret:innen zogen alle Register. Das Ensemble erntete Bravo-Rufe und tosenden Applaus im Saal.

Judith Fliedl, Daniel Lercher Samuel Toro Perez, ensemble LUX, Chaos String Quartet und Spectrum Saxophonquartett wurden für das Programm „New Sound of Austrian Music (NASOM)“ des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten ausgewählt.

Ruth Ranacher

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impuls: Festival-Artists im Fokus
NAMES Ensemble
Samnuel Toro Pérez
Judith Fliedl
Chaos String Quartet
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Daniel Lercher
Spectrum Saxophonquartett
Kandinsky Quartet
Schallfeld Ensemble