HELMUT HABERL ist in einem musikalischen Umfeld aufgewachsen: ausgehend von klassischer Musik und dem üblichen Klavierunterricht beginnt er sich autodidaktisch mit der Gitarre zu beschäftigen. Seit den 1990er-Jahren spielt er in verschiedenen Formationen und hat eben unter dem Bandnamen DOC DOOLEY, CLER & SU das Album „The World Outside My Window“ veröffentlicht. Jürgen Plank hat mit HELMUT HABERL über Americana, Blues, Townes van Zandt und die Veränderung von Traditionen gesprochen.
Gibt es ein Erlebnis, das dich mit dem Blues in Berührung gebracht hat?
Helmut Haberl: Als ich 15 oder 16 Jahre alt war, war ich bei einem Konzert von Oskar Klein. Klein hat gemeinsam mit “Philadelphia”Jerry Ricks in Steyr gespielt, wo ich aufgewachsen bin. Jerry Rickswar ein Schüler von Mississippi John Hurt und dieser Fingerpicking Blues hat mich fasziniert. Oskar Klein war ein Jazztrompeter und Gitarrist, der in der Band von Fatty George gespielt hat. Klein und Ricks haben damals in Steyr im Duo gespielt und so bin ich auf das Fingerpicking gekommen. Und ich habe mich fortan für die klassische Bluesmusik interessiert, bis zurück zu Robert Johnson.
Americana und Blues ist ein weites Feld, mit verschiedensten Spielarten, bis hin zu Alternative Country. Was interessiert dich als Musiker?
Helmut Haberl: Mich interessiert am meisten das, was rootsmäßig ist. Nicht überproduzierte, glatte Musik, sondern sparsam instrumentierte Musik, die in Richtung Songwriting geht. Meine Helden sind John Prine und Townes van Zandt. Es geht darum, eine Geschichte zu erzählen und um die Bedeutung von Liedern. Darum, dass es einem Menschen wichtig war, mit einem Lied eine Aussage zu treffen.
„Bei Townes van Zandt sind Musik und Leben eine Einheit“
Townes van Zandt ist eine besondere Figur, er war ein Vorreiter von Alternative Country, hatte aber ein schwieriges Leben inklusive Depressionen. Warum findest du ihn gut?
Helmut Haberl: Bei Townes van Zandt sind Musik und Leben eine Einheit. Er hat eine irrsinnige Authentizität und sparsame Mittel und tolle Songs mit unglaublichen Texten. Auch mit argen Texten, wenn man da an sein allererstes Lied denkt: „Waiting around to die“. Van Zandt hat sich für zwei Tage in sein Zimmer zurückgezogen und ist dann mit diesem Song herausgekommen.
Damit ganz konkret zu deiner aktuellen CD-Veröffentlichung „The World Outside My Window“, wer sind deine beiden MitmusikerInnen?
Helmut Haberl: Mit Susanne „Su“ Grof-Korbel mache ich schon sehr lange Musik, in verschiedensten Formationen. Sie ist eine wunderbare Sängerin, wie man ja hört. Sie spielt unter anderem auch Drehleier, auf einer Veröffentlichung unter dem Namen Doc Dooley und Friends. Auf der neuen CD ist auch Max Hauer, genannt Cler, dabei. Er hat schon bei Clara Luzia in der Band gespielt und ist ein fantastischer Multiinstrumentalist. Es ist ein Geschenk mit ihm zu spielen, er hat auch die Musiktechnik drauf. Die CD ist fast ausschließlich im Home-Recording entstanden. Die Lieder haben sich im Laufe der letzten 10 bis 12 Jahre angesammelt und die Aufnahmen haben wir in den letzten 5 bis 6 Jahren gemacht.
„Einige Lieder sind auch in Zeiten von Lockdowns entstanden“
Lieder aus dem Feld Americana, Blues und Bluegrass erzählen oft vom Alltag, von der Arbeit zum Beispiel. Welche Inspirationen bzw. Themen haben die Lieder, die du schreibst?
Helmut Haberl: Das sind verschiedene Themen. Vor Corona bin ich privat und beruflich viel gereist, einige Songs sind auf Reisen entstanden. Einige Lieder sind auch in Zeiten von Lockdowns entstanden. Das bekommt man anhand der Texte eh mit, das ist dann ein Lied wie „Shelter in place“. Der Albumtitel „The world outside my window“ spielt auf die Situation an, auf das eigene Zimmer beschränkt zu sein und sich ein wenig eingesperrt zu fühlen. Der Titel ist eine Zeile aus dem Lied „Still the grass is greener“ und das ist eine Moll-Version von „Key to the highway“.Das ist ein klassischer Bluessong, ein Traditional, den hat zum Beispiel Big Bill Broonzy gespielt. Ich habe da einen Refrain dazu gegeben und spiele den Song in Moll.
Wie kam es zu deiner Version von „Key to the highway“?
Helmut Haberl: Das Lied ist so entstanden: Erik Trauner hat auf Facebook einen Corona-Song gepostet. Basierend auf „Key to the highway“, aber mit einem Text, den er selbst geschrieben hat. Trauner hat mit seinem Posting dazu eingeladen, weitere Versionen des Liedes aufzunehmen. Da habe ich auch eine Version gemacht und Leute wie Jürgen Posch haben mitgemacht. Insgesamt wurden rund 10 bis 15 Videos hochgeladen. Ich habe dann meinen eigenen Text geschrieben und gefunden, dass man das Stück nicht in Dur spielen kann. Und ich habe eine Bridge eingebaut, insofern hat Erik Trauner mich hier inspiriert.
Im Blues gibt es auch die Herangehensweise der Neuinterpretation von Traditionals, mitunter mit neuem Text, Traditionen werden also weitergeschrieben bzw. weiterentwickelt. Siehst du dich somit auch so verortet?
Helmut Haberl: Es ist schon so, dass ich das versuche. Wobei das heutzutage mit dem Copyright ein Problem ist. Man kann ja nicht ein Lied aufnehmen und als sein eigenes ausgeben, wenn man kein Copyright darauf hat.
„Es war mir wichtig Resonatorgitarren zu verwenden“
Auf der CD sind verschiedenste Instrumente im Einsatz, von Akkordeon, Lapsteel und Resonatorgitarren bis zur Bass-Ukulele. Um welchen Klang habt ihr euch bemüht?
Helmut Haberl: Ich habe mich schon bemüht, einen eigenen Klang für das Album zu kreieren, aber das entwickelt sich auch, weil die Lieder oft über mehrere Jahre hindurch aufgenommen worden sind. So ist es passiert, dass Aufnahmen zum Beispiel ein Jahr lang liegen geblieben sind, manches hat mir dann noch gefallen, anderes nicht und dann habe ich wieder Spuren gestrichen und neu aufgenommen, bis es für mich stimmig war. Es war mir wichtig Resonatorgitarren zu verwenden.
Gibt es eine besondere Geschichte zu einem der Lieder auf der CD?
Helmut Haberl: Das erste Lied „Hey Mr. Hoopoe“ bezieht sich auf einen Vogel, den Wiedehopf. Ich war mal in Kroatien und neben dem Haus, in dem ich gewohnt habe, stand ein verfallenes Haus. In dem hat ein Wiedehopf genistet. Dieses Stück ist musikalisch meine größte Annäherung an einen Popsong und textlich erkennt man erst beim Refrain, dass es um einen Vogel geht.
Was ist denn die Idee hinter dem Stück „Isonzo Delta Blues“. Ist das ein europäisches Pendant zum Mississippi-Delta-Blues?
Helmut Haberl: Das geht auf eine Reise zurück und eine Stimmung, die ich am Isonzo-Fluss erlebt habe. Das Delta des Isonzo ist natürlich nicht vergleichbar mit dem Donau- oder dem Mississippi-Delta. Aber es ist schon ein ausgedehntes Delta-Gebiet und das Lied spielt auf den Delta-Blues des Mississippi an. Der Isonzo fließt in der Nähe von Grado in die Adria. In der Isonzo-Region gab es einen Stellungskrieg zwischen Österreich und Italien im Ersten Weltkrieg, aber das ist für dieses Lied bestenfalls eine Hintergrundfolie und kommt inhaltlich nicht vor.
Von Isonzo auf die berühmte einsame Insel: Welche Blues- bzw. Americana-Platten würdest du dorthin mitnehmen?
Helmut Haberl: Das ist gar nicht so leicht. Auf der einsamen Insel müsste natürlich etwas von Neil Young dabei sein, das ist klar. Auch ein Live-Album von Townes van Zandt, da spielt er alleine mit der Gitarre, seine Studio-Alben sind, finde ich, teilweise schlecht produziert. Da sind Instrumente dabei, die er nicht braucht. Authentisch ist er für mich live. Steve Earle ist dabei und Lucinda Williams, neuere Sachen von ihr, die eher reduziert und rau sind.
Abseits von Doc Dooley spielst du in der Band Herbstzucker. Was macht ihr da?
Helmut Haberl: Herbstzucker ist eine Rockband, mit zwei E-Gitarren, Bass und Schlagzeug. Da sind Susanna und ich dabei und wir beide schreiben die Songs. Sie schreibt tolle Lieder, hauptsächlich in deutscher Sprache, ich schreibe mehr in englischer Sprache, aber von mir gibt es auch deutsche Texte. Vom Repertoire gibt es aber keine Überschneidungen mit Doc Dooley. Mit Herbstzucker haben wir zum Beispiel den Artmann-Text „Winter“ vertont, den auch Willi Resetarits mit Stubnblues mal interpretiert hat. Insgesamt sind die Lieder von Herbstzucker lauter und druckvoller.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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