mica-Interview mit Philipp Harnisch

Philipp Harnisch im Gespräch mit mica über seine sehr erstaunliche, neue Platte ‘Songs about Birds and Horses’, was das mit Kühe melken auf dem Baurnhof zu tun hat, über Zeit in der Musik ganz allgemein und die Fanfreundschaft zwischen dem 1.FC Nürnberg und Rapid Wien. Von Thomas Herr…

‘Songs about Birds and Horses’ … Was hat es mit dem Titel des Albums auf sich? Was sind Stücke über Vögel und Pferde?

Philipp Harnisch: (Lacht) In dem Fall ist es eigentlich fast andersrum entstanden. Der Albumtitel kam erst nachdem die ganzen Kompositionen geschriebenen worden sind. Es gibt auf der Platte das Stück ‘Steel Horses’ und es gibt die beiden Kompositionen ‘Backyard Birds’ und Coda(Birdsong). Und da ist mir danach aufgefallen, dass Horses und Birds in den Titeln vorkommen und dann erst hab ich mir gedacht: ‘Okay, ganz klar, das sind Stücke über Pferde und Vögel.’ … Was ja eigentlich völlig absurd ist. Mehr gibt’s dazu eigentlich auch gar nicht groß zu sagen. Ich fand den Kontrast ganz schön. Man würde ja jetzt nicht unbedingt Vögel und Pferde zu einer Art von Tieren zählen. Und das passt dann auch ganz gut zur Musik.

Es hat schon etwas sehr Lyrisches im Titel.

Philipp Harnisch: Eben. Wobei ich darauf wahrscheinlich nur indirekt Wert gelegt habe. Aber umso schöner, wenn das dann auch passt. Ich bin generell immer ein großer Fan wenn etwas als Gesamtpaket rüberkommt, also auch wenn etwas als Gesamtpaket sehr schlicht rüberkommt. Einfaches Cover, die wichtigsten Informationen und keine hochtheatralischen Album- oder Songtitel. Die Musik soll eigentlich auch einfache Musik sein. Ich glaube darin sehe ich den Zusammenhang.

Die Musik auf deiner Platte lässt sich und lässt den Sounds sehr viel Zeit. Wie schreibst Du deine Stücke? Was sind die musikalischen Quellen für das, was jetzt im Endeffekt klingt?

Philipp Harnisch: Das ist eine sehr gute Frage, weil für mich mit die wichtigste Message in meiner Musik die Zeit selbst ist. Wenn ich an eine neue Komposition herangehe, kann das auf sehr unterschiedliche Weise geschehen. Ich habe schon viele Stücke geschrieben, die von der Melodie – also in meinem Fall vom Saxophon – ausgehen. Interessanterweise bin ich jetzt bei dieser CD vom Klavier ausgegangen und habe alle Stücke am Klavier komponiert. Deswegen steht das Klavier in der Aufnahme auch sehr im Vordergrund. Das Saxophon ist dagegen so etwas wie eine zweite Farbe. Und trotzdem bin ich der Regisseur, weil ich eigentlich alle Nummern geschrieben habe. Genau diese Ästhetik mag ich. Mir gefällt es, wenn ich selbst zurücktreten kann und den drei Jungs, die einfach unglaublich toll spielen, einen Anstoss liefern kann. Und ich füge dem Ganzen dann als Bandleader – obwohl ich den Ausdruck nicht so sehr mag – noch eine Farbe hinzu, ohne aufdringlich zu werden. Das ist auch die Ästhetik, die ich im Laufe meines Studiums und meines bisherigen künstlerischen Schaffens entwickelt habe und das ist im Jazz häufig leider gerade nicht der Fall. Jeden Ton, jeden Akkord und sei es nur ein normaler Dreiklang – was für den Jazz ja schon ungewöhnlich ist – für sich stehen lassen. So spielen als könnte jeder Ton – egal ob im Solo, in der Melodie oder der Begleitung – der wichtigste und vielleicht auch der letzte sein. Das ist das, was mir so gefällt. Daher auch die Antwort auf die Frage, woran ich mich orientiert habe: Musiker, die sich dabei Zeit lassen, jedem einzelnen Ton auch wirklich Zeit zu geben. Dafür ist es auch wichtig davon wegzugehen, dass jeder ein Solo spielt oder dass es immer ein typisches Jazz Tune mit 32 Takten sein muss. Das ist mir überhaupt nicht wichtig. Ich würde meine Musik auch nicht notwendigerweise als Jazz bezeichnen, sondern eher als Jetzt-Zeit-Musik. Es geht wirklich nur um die Komposition, die Melodie und was dann damit passiert. Viele Stellen auf der CD sind auch so wie sie zu hören sind, gar nicht geplant gewesen. Da hab ich dann zum Beispiel den Elias auch oft einfach mal am Klavier spielen lassen. Hat super funktioniert und ich brauch dann auch nichts mehr dazu zu sagen. Ich muss ja niemandem etwas beweisen. Hab auch nie das Gefühl jemandem etwas beweisen zu müssen.

‘Kind of Blue’ oder ‘A Love Supreme’?

Philipp Harnisch: Von der Wirkung der Aussage ist ‘A Love Supreme’ unschlagbar. Auch wenn man überlegt, was diese Platte für einen Einfluss auf die improvisierte Musik danach hatte. Von der Ruhe und der eigentlichen Ästhetik, würde ich ‘Kind of Blue’ sagen.

Es klingt so als würdet ihr euch in Band ziemlich gut kennen. Wie wichtig sind dir die persönlichen Beziehungen, um so ein Projekt zu realisieren? Oder wie kam es überhaupt zu der Zusammenarbeit mit deinen Mitmusikern?

Philipp Harnisch (c) Marlene Vogt

Philipp Harnisch: Das ist eigentlich sehr einfach zu erklären. Egal in welchem Projekt ich spiele, dieses Quartett liegt mir wirklich besonders am Herzen. Es ist mir immer wichtig, dass die Chemie unter den Musikern stimmt. Man muss da Gefühl haben, dass man auf einer Wellenlänge ist. Egal ob in freundschaftlicher oder ästhetischer Hinsicht. Man muss sich vertrauen können. Bei den drei Jungs – Max, Elias und Paul – hab ich immer das Gefühl, dass wir uns sogar sehr gut verstehen. Das ist das Wichtigste. Für mich ist es nie wichtig, dass ich mit Leuten zusammen spiele, die einen Namen haben, was im Jazz ja leider sehr oft passiert. Viele schmücken sich mit irgendwelchen Sidemen, nur um sich selbst zu pushen. Das ist mir irgendwie zuwider. Die drei Jungs kennen sich ja alle schon sehr lange. Sie kommen aus dem gleichen kleinen Ort bei Salzburg, haben ihre Sandkastenzeit miteinander verbracht und sind vielleicht auch deswegen so ehrlich und so auf dem Boden geblieben. Und das obwohl sie so fantastisch spielen. Ich meine Elias Stammeseder spielt mit Jim Blake und Thomas Morgan, lebt in New York und geht immer wieder bei sich zu Hause am Bauernhof Kühe melken wenn der Papa nicht da ist. Ich glaube, dass wir auch genau wegen dieser Ehrlichkeit so hervorragend zusammenpassen. Also für das Quartett ist mir das auf jeden Fall sehr wichtig. Von der Entstehung auch sehr interessant: Max habe ich zum Beispiel zum ersten Mal in Linz 2009 in einem BigBand Projekt gesehen und gehört. Und da hat er mich schon echt umgehauen. Er war damals vielleicht erst 19 Jahre alt und hat schon mit so einer Ruhe und Ästhetik gespielt, die mich völlig überrascht hat. Da war so viel Verständnis für die Musik vorhanden – das war unglaublich. Das auch war so ganz anders wie ich es bis dahin auch von anderen Leuten gekannt habe. Von den Leuten nämlich, die auch immer mit ihren Ellenbogen zu Werke gehen und diese ‘Hearst Oida – I spühs eh am Geilsten’ Mentalität haben. Danach habe ich angefangen, viel mit Max zu spielen. Dann hatte er die Idee, in Salzburg im ‘Jazzit’ Sessions aufzutreten. Da hab ich dann auch mal mit Elias gespielt. Dann hab ich irgendwann den Paul dazu geholt und als ich dann das Quartett zum ersten Mal gehört habe, dachte ich: ‘Wow!’ Wir hatten nicht geprobt, die Jungs kamen viel zu spät. Auf dem Weg zum Gig habe ich ihnen dann im Auto erklärt was wir spielen. Und das ist dann so gut gelaufen, dass ich wusste: “Das kannst und willst Du nicht aufgeben.“

Rapid oder Austria?

Philipp Harnisch: Aufgrund meiner Herkunft aus Bayreuth und der Nähe zum 1.FC Nürnberg …

Oje …

Philipp Harnisch: … immerhin zweiter deutscher Rekordmeister …

Das ist aber lange her …

Philipp Harnisch: Ja, lange lange ist es her. Leider. Aber aufgrund der Fanfreundschaft mit Rapid Wien, habe ich als Kind immer schon Rapid angefeuert. Seit ich dieses Jahr dann im Februar beim Derby Rapid gegen Austria im Happel Stadion gewesen bin, die Stimmung bei Null war und das Spiel auch noch 0:0 ausgegangen ist, ist mir der österreichische Clubfußball relativ egal. Aber beim 4:0 von Österreich gegen Kasachstan war ich wieder im Stadion (lacht).

Was habt ihr jetzt für Pläne für die kommenden Wochen und Monate mit eurer neuen Platte?

Philipp Harnisch: Die CD ist ja bei ‘Listen Closely’ rausgekommen. Was mir auch deswegen soviel Freude bereitet, weil ‘Listen Closely’ das neue Label von meinem guten Freund und Kollegen Werner Zangele ist. Ich bin auch sehr froh darüber, dass ich bei der Neugründung eines Labels von Anfang an dabei sein darf und hoffe natürlich, dass ich über den Vertrieb, sowohl digital als auch physisch, viele Leute mit unserer Musik erreichen kann. Im November spiele ich eine kleine Releasetour (06.11 Passau, 07.11 Linz, 08.11 Mica/Wien, 10.11 Salzburg). Im Februar und März spielen wir dann 2 Wochen durchgehend.

Gibt’s noch ein Frage zu deinem neuen Album, die Du unbedingt beantworten möchtest?

Philipp Harnisch: Ja, auf jeden Fall. Der Alex (Mischer des Albums) und Georg Vogel organisieren die ‘Freistunde’ (neue Jazzreihe) in der mica. Ich finde das absolut großartig, weil die Idee für die Aufnahme zusammen mit Alex bei der Freistunde entstanden ist. Aufgenommen haben wir nicht – wie ursprünglich geplant im ‘Porgy&Bess’ in der ‘Strengen Kammer’  – sondern bei mir im Musikatelier in der Hermanngasse. Und ich finde, dass das richtig großartig gelaufen ist. Einfach ein paar Raummikros reingestellt und los geht’s. Deswegen: Danke dafür!

Das ist doch mal ein schönes Schlusswort!

Philipp Harnisch: Voll!

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