mica-Interview mit Lorenz Raab

Wer behauptet, dass Lorenz Raab einer der vielbeschäftigtsten Musiker den Genres sei, kann sofort die Zusatzfrage hinterherschicken, von welchem Genre eigentlich die Rede ist. Denn der Trompeter, Jahrgang 1975, liebt es, wie er sagt, “zu switchen”! Dass er ständig zwischen Klassik, Blasmusik, Jazz, Avantgarde oder Elektronik pendelt, macht für ihn den Reiz seines Musikerlebens aus.

“Langweilig wird mir nie!”

Und so packt er seine Trompeten gleichwohl für die Wiener Volksoper, das Vienna Art Orchestra, die JazzWerkstatt und für Projekte wie FOP (Forms of Plasticity), dem Trio BLEU, die eigene :xy band und ZOÈ aus. Er habe mehr “Funk, mehr Rock, mehr Jazz als Jazzanova, Bugge Wesseltoft, Nils Petter Molvaer und 30 andere” Trompeter dieser Art zusammen, heißt es lobend über den blonden Pferdeschwanzträger, der mit seiner Familie in Wien lebt.

Du bist Solotrompeter bei der Wiener Volksoper und ein vielbeschäftigter Jazztrompeter. Aber wie und wann hat das alles angefangen? Wo her kam die Liebe zur Trompete?

Die Liebe zur Trompete war nicht von Anfang an eine “Echte”. Im Volksschulalter entschied eigentlich mein Vater, welches Instrument ich lernen sollte. Er war Dirigent der örtlichen Blasmusik in Rainbach und brauchte dringend einen ersten Trompeter. Erst mit meiner Entscheidung zum Studium dieses Instruments an der Wiener Musikhochschule im Alter von 14 Jahren, entschied sich somit mein Lebensweg als Musiker. Nach vielen Kämpfen mit der Trompete – mit 22 Jahren dachte ich ernsthaft ans Aufhören – siegte die Liebe zur Musik.

Einige Stationen Deiner Karriere sind das Studium an der Wiener Hochschule für Musik, in Salzburg und Bremen. Welche Erinnerungen hast Du an diese Zeit? Worin unterscheiden sich diese Ausbildungsorte?

In Wien war ich als Vierzehnjähriger nicht gut aufgehoben. Diese Institution ist nach wie vor alt und unflexibel und versucht nur langsam diese negative Seite aufzuheben. Der Wechsel an die private Trompeten Akademie in Bremen war wie ein tiefes Luftholen nach 3 Minuten Luftanhalten. Sämtliche international renommierte Trompeter und Pädagogen griffen uns unter die Arme und versuchten zu helfen. So fand ich mit 22 Jahren aus meiner Krise, in der ich ernsthaft darüber nachdachte, meinen Wunsch, Musiker zu werden, aufzugeben. In Salzburg holte ich mir den Feinschliff und schaffte so den Sprung ins Orchester als erster Trompeter.

Was für eine Trompete spielst Du? Wechselst Du sie je nach der Musik, die Du spielst? Was ist das Besondere an Deiner Trompete?

Ich spiele verschiedene Trompeten und Mundstücke für verschiedene Stile. Die jüngeren unter ihnen sind von der Firma Schagerl entwickelt und meine Lieblingstrompete ist aus dem Jahre 1949 von Bach New York.

Macht der Musiker den Ton? Inwieweit beeinflusst die Qualität des Instruments das Spiel? Was macht einen guten Trompeter aus?

Je besser die Qualität des Instruments ist, desto mehr Spaß und Freiheit habe ich natürlich beim Musizieren. Und der Spaß am Spielen steht bei mir absolut im Vordergrund. Ich glaube, das macht auch einen guten Trompeter beziehungsweise Musiker aus.

Neben dem Studium warst Du auch frühzeitig in der Wiener Jazzszene aktiv. Wie kamst Du zum Jazz?

Mein Interesse am Jazz wurde zum ersten Mal durch die lokale Big Band in meiner Heimat geweckt. Kurz vor dem jährlichen Konzert tauchte die Frage auf, wer denn über die Akkorde von “Spain” spielen könnte, und da ich mit Abstand der Jüngste war, hinter beiden Ohren noch grün, fiel die Wahl ganz schnell auf mich. Ein Sprung ins kalte Wasser also. Die Jazzworkshops in Zeillern/NÖ lieferten mir Information für ein ganzes Jahr, außerdem lernte ich dort wunderbare Musiker wie Harry Pepl und Claus Stötter kennen. Neben dem klassischen Studium besuchte ich regelmäßig Jamsessions in Wien und lernte so auch meine Kollegen der Jazzabteilung kennen. Erste Bands entstanden und somit auch kleine Demoaufnahmen. Renald Deppe hörte mich und lud mich als Zwanzigjähriger ein, erstmals im Porgy & Bess aufzutreten. So stellte ich mein erstes Projekt vor.

Blasmusik, Klassik, Jazz – was berührt Dich an Musik? Was und wie hörst Du?

Prinzipiell bewegt mich die Melodie und die Rhythmik am meisten. So gab es verschiedene Phasen des Eintauchens in die Musik unterschiedlichster Stile. Derzeit ist das Gesamtwerk von Led Zeppelin an der Reihe; Bach, Stravinsky, Miles, Coltrane und King Oliver vorher. Insgesamt 50 GB Musik auf meinem Ipod.

Als Jazzer wurdest Du 2003 mit dem Publikumspreis des Magazins “Jazzzeit” ausgezeichnet; 2004 kam der Hans-Koller-Preis hinzu. Wie wichtig sind solche Auszeichnungen?

Der Hans-Koller-Preis verhilft der österreichischen Jazzszene zu mehr Aufmerksamkeit im internationalen Kontext und im Allgemeinen gewinnt damit die Musikrichtung “Jazz” mehr an Gewicht und Bedeutung. Für mich bedeutete diese Preise auch einen medialen Aufschwung, der nicht unwichtig war, um schließlich mehr Konzertauftritte vermittelt zu bekommen.

Neben Volksmusik und Klassik hast Du als Jazzer u.a. im Vienna Art Orchestra, bei der Jazzwerkstatt Wien und mit eigenen Projekten gespielt. Langeweile dürfte da nicht aufkommen. Brauchst Du die Abwechslung?

Langweilig wird mir nie. Derzeit arbeite ich an der Musik für ein Theaterstück für Kinder; Uraufführung wird im Theater des Kindes im Oktober sein. Für meine Projekte :xy band und ZOÈ gibt es viel zu organisieren. Von diesen Projekten gibt es brandneue CD-Releases: “:xy band live at Jazzwerkstatt plus Remixes” eine Doppel-CD und “ZOÈ live at Jazzfest Saalfelden 06”. Außerdem freut es mich ganz besonders in die Jazzwerkstatt Wien eingebunden zu sein. Dies ist ein Pool der interessantesten jungen österreichischen Jazzmusiker. Am 24.8.07 wird das Jazzwerkstatt Workshop Ensemble übrigens das 28.Jazzfest in Saalfelden eröffnen.

Wie würdest Du deine eigenen Projekte beschreiben?

Für meine eigenen Projekt versuchte ich Musiker zu finden, die zugleich auch Freunde sind. Vor allem für die wunderbare Aufgabe, im vergangenen Jahr das Jazzfest Saalfelden mit einem Projekt unter meinem Regie zu eröffnen, stellte ich ein neues Projekt mit alten Freunden auf die Bühne. Es trägt den Namen Lorenz Raab :ZOÈ und die brandneue CD dazu heißt “live at Jazzfest Saalfelden 06”, erschienen auf www.crackedanegg.com. Zeena Parkins an der Harfe wurde auf Wusch der Festivalleitung von mir kompositorisch noch in das Ensemble eingebunden. Niemand von uns kannte sie persönlich, bis zu dem Zeitpunkt der ersten Probe: nach einem Direktflug von New York kam sie nach der Landung mit einem Shuttlebus zu unserer Probe ins Nexus. Entspannt, verhältnismäßig wach und sehr nett ließ sie sich von mir die Stücke erklären und war alsdann von der ersten Sekunde gemeinsamer Musik eine unglaubliche Bereicherung – sowohl musikalisch als auch menschlich. Meine Freunde vom Trio BLEU (Ali Angere-tuba/dulcimer und Rainer Deixler-drums/perc.) und die der :xy band (Christof Dienz-zither, Matthias Pichler-bass, Oliver Steger-bass, Herbert Pirker-drums) stellten den farbenreichen Klangkörper meines neuen Projekts Lorenz Raab :ZOÈ dar. Es treffen hier einige – im Jazz eher seltene – Saiteninstrumente wie Harfe, Zither und Hackbrett auf gedoppelten Bass und zwei Drummer. Jeder einzelne entlockt seinem Instrument die fremdartigsten Klänge und trägt so zu einem sehr neuartigen Klangbild des Ensembles bei. Für die Lorenz Raab :xy band schreibe ich sehr wenig Noten aufs Papier und bin jedes Mal sehr positiv vom Ergebnis überrascht. Diese eigenwillige Besetzung bietet viel Freiraum zur Improvisation mit Grooves und Melodien. Ich hoffe, dass der Spaß am Spielen so unüberhörbar ist, wie er auf unserem neuen Tonträger dokumentiert ist. Die brandneue Doppel-CD diese Projekts heißt “live at Jazzwerkstatt” und “Remixes” und ist bei Universal Music erschienen.

Der eigenwillige Umgang mit traditionellem und modernen Instrumentarium, bei dem Zitherklänge auf Electronic Grooves treffen, scheint momentan eine besonders spannende Bausstelle zwischen Electronic, Volksmusik und Jazz zu sein. Ist das ein Trend?

Es waren bei mir hauptsächlich glückliche Fügungen, warum gerade Hackbrett und Zither in meinen “Hauptprojekten” Platz gefunden haben. Ali Angerer kannte ich als Tubist und wir beschlossen 1999 gemeinsam mit Rainer Deixler im Trio zu musizieren. Zur ersten gemeinsamen Probe brachte Ali sein “neues” Instrument mit, denn genau zu dieser Zeit begann er ds Hackbrett für sich zu entdecken. Christof Dienz lernte ich als klassischen Fagottist kennen und bei einer Probe in seinem Übungskeller sah ich eine CD mit dem Aufdruck “dienz zithered”. Dies war eine Rohfassung seiner ersten Solo-CD auf der Zither. Nachdem er mir ein paar Stücke daraus vorspielte, kam meinerseits die Frage, ob er nicht in mein neues Projekt einsteigen wollen würde. Dies war sein Einstieg in die Welt des Jazz.

Was bedeutet Dir diese Verbindung zwischen den musikalischen Stilen?

Mir ist es ein besonderes Anliegen, neue Klangbilder zu erforschen und zu entdecken. So behandle ich die Trompete unter anderem auch als perkussives Instrument oder benutze sie als Geräuschgeber. Bionic Kid von den Waxolutionists hat mich da genauso inspiriert wie die verzerrte Gitarre von Jimi Hendrix.

Inwieweit ist Deine Vielseitigkeit notwendig, um als Musiker überleben zu können und ein Familie zu ernähren?

Als fix engagierter erster Trompeter an der Wiener Volksoper kann ich meine Familie ernähren. Dieser Job ist so flexibel, dass ich meinen freischaffenden Tätigkeiten als improvisierender Musiker ohne größere Einschränkungen nachgehen kann.

Wie schätzt Du die finanziellen Möglichkeiten für Musiker in Österreich ein?

Der Jazz hat international einen sehr hohen Stellenwert eingenommen. Dies bietet uns Musikern absolute Freiheit in der Auswahl unserer Projekte. Ein “Freejazzer” im klassischen Orchesterbetrieb wäre vor ganz wenigen Jahrzehnten noch undenkbar gewesen. Das ist heutzutage auch eine Möglichkeit, finanziell so unabhängig zu werden, dass man sich aussuchen kann, wo und mit wem man spielt.

Schließen wir den Kreis: Dein Vater war Kapellmeister, Du bist Musiker – inwieweit wachsen auch Deine Kinder in die Musiker hinein? Bringst Du Ihnen bewusst etwas bei?

Meine Kinder beginnen bereits sich für “ihr” Instrument zu interessieren. Meine ältere Tochter Cäcilia spricht seit zwei Jahren von der Harfe. Jetzt ist sie fünfeinhalb, und wir haben eine wunderbare Lehrerin für sie gefunden. Franziska will entweder Geige oder Cello lernen, aber am besten beides. Na ja, wir werden sie unterstützen und freuen uns über ihr Interesse an der Musik, ob in der Oper oder am Jazzfestival.

Vielen Dank!

Das Interview führte Harald Justin.

Fotos Lorenz Raab: JAlbum 6.5 & Chameleon skin

Lorenz Raab