mica-Interview Martin Mallaun

Der Tiroler Martin Mallaun, Jahrgang 1975, zählt zu den jungen, neugierigen und ihr Instrument neu entdeckenden Zitherspielern. Er hat nicht nur zahlreiche neue Werke aus der Taufe gehoben, sich mit Tiroler Volksmusik und historisch informierter Aufführungspraxis beschäftigt. Ein weiteres Ohrenmerk gilt ihm der freien Improvisation. Und nicht zuletzt seinem Zithertrio GREIFER. Zusammen mit seiner Südtiroler Kollegin Reinhilde Gamper und seinem in Hamburg lebenden und aus Regensburg stammendem Kollegen Leopold Hurt, wird er in Kürze die erste Zithertrio-CD mit zeitgenössischer Musik veröffentlichen. Mit Nina Polaschegg sprach Martin Mallaun über das Zithertrio, den Reiz der Improvisation und das Leben als Zitherspieler.

Nina Polaschegg: Aus aktuellem Anlass: Beginnen wir gleich mit dem Trio. Der Titel „GREIFER“ weckt ja allerlei Assoziationen, vom Greifvogel zum Phantasievogel, greifen als Verb etc. Was waren Eure Ideen bei der Wahl eines Namens für Euer Zithertrio – das ja von der Besetzung her nicht gerade eine alltägliche ist.

Martin Mallaun: Wir haben uns überlegt, was das eigentlich ist, was wir machen – zupfen, anschlagen, greifen… GREIFER hat etwas Anpackendes. Das klingt vielleicht ein wenig brutal, aber es hat was Offensives und wir wollen ja offensiv sein mit unserem Trio.

Was ist die Idee dieses Trio? Die Klanglichkeit des eigenen Instrumentes zu erforschen?

Das Trio hat schon eine längere Geschichte. Ich habe mit Reinhilde Gamper begonnen, etwa 2006/07, in dieser Besetzung zu arbeiten. Es ist ja so, dass ich in meiner Arbeit in ganz verschiedene Richtungen gehe. Ich habe mit Alter Musik beschäftigt, mit Neuer Musik, Improvisation. Ich habe auch Sachen ausgekundschaftet, die nicht an die Öffentlichkeit gelangt sind – z.B. mit arabischen Lautenisten improvisiert. Auch mit dem Trio haben wir viele Musikstile ausgekundschaftet. Seit Leopold Hurt unser neuer Triopartner ist, geht es aber ganz klar in Richtung Neuer Musik.

Es ist immer das gleiche Thema: Als Zitherspieler ist man gezwungen, zu forschen und sich neue Räume zu erschließen. Meine letzte CD war eine Solo-CD und das Trio ist sozusagen die Fortsetzung davon: Neue Musik mit den Mitteln, die drei Zithern – akustisch und mit Elektronik –bieten. Ein weiterer Gedanke ist sicher der: Als Zitherspieler ist man bei Projekten meist der einzige. Und es ist schon schön, wenn man mit Kollegen im Austausch ist und sich gegenseitig befruchtet. Das ist auch ein Hintergrund von diesem Trio.

D.h. Es ist ein sehr demokratisch organisiertes Trio. Wie wählt Ihr die Musik aus? Noch gibt’s es ja recht wenig Originale.

Zu Beginn unserer Arbeit gab es genau zwei originale Stücke zeitgenössischer Musik für Zithertrio. Wir haben dann zum Teil Stücke arrangiert, z. B. von Christian Wolff. Unser großes Thema ist es natürlich, mit Komponisten in Kontakt zu treten und das finde ich superspannend und schön. Mittlerweile ist es ja so, dass das Instrument etabliert ist und dass die Komponisten interessiert sind und sich freuen, für Zither zu schreiben.

Martin Mallaun – Logbuch Erster Eintrag Komposition: Leopold Hurt by mica

Wie läuft Eure Arbeit ab? Eure Probenarbeit und der Austausch mit den Komponisten, die ja das Instrument oft erst kennen lernen müssen?

Es ist keine Einbahnstraße, nach dem Motto „ein Komponist wird beauftragt und liefert das fertige Stück“. Die Zither ist ja ein Instrument mit einer ganz eigenen und eigenwilligen Idiomatik, vielleicht vergleichbar mit der Barocklaute. Und die Zither hat eine immense Bandbreite an verschiedenen Klängen, z. T. auch Stärken im technischen Bereich. Man kann mit diesem Instrument technisch Stellen realisieren, die Pianisten nie schaffen würden. Auf der anderen Seite sind aber natürlich Dinge, die für einen Pianisten totaler Kinderkram sind, für uns praktisch unmöglich zu realisieren.

Könntest Du da Beispiele nennen?

Die Zither hat einen sehr großen Tonumfang von fünfeinhalb Oktaven und ist aus sehr unterschiedlichen Materialien gebaut – verschiedene Hölzer, Saiten aus Nylon, Messing, Stahl. Dadurch ist es ein Instrument, das v. a. im Klang- und Geräuschbereich ganz große Stärken hat. Und es ist durch die vierunddreißig frei schwingenden Saiten ein sehr resonierendes Instrument. Auf der anderen Seite ist es so, dass man mit der Zither auch polyphone Sachen spielen kann. Allerdings muss ein Komponist vor allem da extrem auf die Idiomatik achten, damit es auch spielbar ist.

Und bei der Zusammenarbeit mit Komponisten ist es so: Jemand von uns trifft die Komponisten, spricht mit ihnen, spielt ihnen vor. Dann stellen wir ihnen oft eine Zither zur Verfügung. Zwischendurch kommen dann Skizzen mit Fragen, ob das so spielbar sein und wie es klinge. Dann ist es auch oft so, dass das fertige Stück nicht vollständig realisierbar ist. Z. B. die Komponistin Manuela Kerer ist eine, die sich oft weit hinauslehnt. Das führt dann dazu, dass Stücke nicht immer zu 100% so umsetzbar sind, wie sie notiert sind. Im Stück „solitudine vaga“, das Manuela für unsere CD geschrieben hat, musste der erste Satz ausgedünnt werden. Das ist aber insofern kein Problem, da es ja darum geht, die musikalische Idee, die dahinter steckt, rüberzubringen. Und da proben wir, überlegen, was geht, treffen uns mit den Komponisten, es ist ein schöner Entstehungsprozess.

Was können Pianisten nicht, was Zitherspieler sehr wohl können?

Der Klavierinnenraum hat ja durchaus Ähnlichkeiten mit der Zither. Aber dadurch, dass die Zither so offen daliegt, kann man mit ihr wesentlich virtuoser umgehen als ein Pianist mit seinem Klavierinnenraum. Dann kommt bei uns das Griffbrett zum Tragen, ähnlich wie bei einer Gitarre kann man Töne formen, Klänge verziehen. Die Zither hat auch den Vorteil, dass sie recht schnell gestimmt ist. Das führt dazu, dass es ein Instrument ist, das gerade im mikrotonalen Bereich sehr lohnend ist. Georg Friedrich Haas hat z.B.  ein wunderschönes Zither-Solo-Stück geschrieben, das zwölfteltönig ist. Ich denke, es gibt wenige Instrumente, die das so einfach realisieren lassen. Das kann dann natürlich auch zu Materialschlachten führen, wenn ich für ein Konzert drei bis vier verschieden skordierte Instrumente mitnehmen muss (lacht)…

Martin Mallaun – Logbuch Zweiter Eintrag Komposition: Leopold Hurt by mica

Kehren wir noch einmal zurück zu schon existierenden Kompositionen, zur eurer in Kürze erscheinenden CD. Welche Stücke sind auf der CD vorhanden? Es ist ja die erste Zither-Trio-CD, auf der zeitgenössische Stücke versammelt sind und Ihr habt ganz gezielt Werke zusammengestellt.

Ja und das ist ein Anlass, den Bogen stilistisch ganz weit aufzuspannen. Wir haben versucht, auf der CD ganz unterschiedliche Positionen zu versammeln. Manuela Kerer lotet das Instrument vor allem im Bereich der experimentellen Spieltechniken stark aus. Als Gegenpol schafft Burkhard Stangl mit sehr reduzierten Mitteln eine Musik, die aber doch sehr reich ist. Dann wieder als Gegenpol Burkhard Friedrich mit (D)evil Song, einem sehr lauten, dichten, klanglich verfremdeten Stück. Das Schlussstück der CD, von Helga Pogatschar thematisiert den Film Der 3. Mann auf sehr witzige Weise.

Die Interpretation zeitgenössischer Musik ist eines Deiner wichtigsten musikalischen Betätigungsfelder. Als in St Johann, also in unmittelbarer Nähe des Festivals für improvisierte Musik  „artacts“ und der Möglichkeit, regelmäßig Konzerte improvisierter Musik hören zu können, ist es kein Wunder, dass Du ein zweites Augenmerk auf die Improvisation legst. In welchen Kontexten improvisierst Du, welche Besonderheiten hat das Improvisieren für Dich?

Das ist für mich das neueste Betätigungsfeld, würde ich sagen. Es ist im Entstehen. Ich improvisiere in verschiedenen Kontexten. Mit Freunden habe ich ein Trio, Posaune, Kontrabass, Zither. Wir treffen uns regelmäßig und improvisieren Vormittage lang zum Plaisier, aber auch, um unser Hören und unsere Spielerfahrungen zu schärfen. Dann gibt’s das Vienna Improviser’s Orchestra. Das macht mir wahnsinnig Spaß. Und z.B. letztes Jahr spielte ich ein Konzert mit Karlheinz Essl. Da kommt es zum Tragen, dass die Zither sehr reich ist an Klang- und Geräuschmöglichkeiten und es macht auch Spaß, damit zu experimentieren und damit zu arbeiten. Und im Bereich Improvisation möchte ich in Zukunft auch mehr tätig werden. Erst einmal ganz bewusst ohne Elektronik, denn ich möchte das Instrument zunächst einmal so ausloten. Elektronik kommt dann irgendwann – oder von jemand anderem.

Was ich auch an der Improvisation sehr schätze ist – ich bin ja ein Naturfreak, habe auch Botanik studiert und arbeite zusätzlich als Biologe – ist, dass ich bei Improvisation oft den Eindruck habe, dass man sie irgendwie vergleichen kann mit der Vegetation. Da blüht etwas auf und vergeht und dann kommt das nächste, irgendwie ganz hoch strukturiert einerseits und an der Oberfläche wirkt es oft chaotisch. Das ist schon sehr reizvoll für mich. So hoffe ich, dass Improvisation und Komposition auch immer mehr zusammen wachsen, die Emotionalität des Einen und die Strukturiertheit des Anderen.

Du bist in St. Johann in Tirol aufgewachsen. An einem Ort, an dem regelmäßig Konzerte improvisierter Musik und einem bedeutendes Festival stattfinden. Hat dies in Deiner musikalischen Biographie eine Rolle gespielt?

Auf jeden Fall! Das ist für mich ein Beispiel wie Kulturarbeit weiter wirkt, dass Kultur nicht etwas ist, was man einfach konsumiert. Gerade in meinem Fall und ich denke, auch in anderen Fällen ist es etwas, was Biographien beeinflussen kann.

Wie sind die Bedingungen als Zitherspieler? Ihr seid ja PionierInnen, habt keine Vorbilder abseits der Volksmusikkarriere (von Georg Glasl als Pionier zeitgenössischer Zithermusik einmal abgesehen)?

Es ist ja im Grunde so, dass jeder Instrumentalist eigenständig denken muss, damit er sein Profil findet. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Der Unterschied ist aber der, dass Zitherspieler keine vorgegebenen Biographien vorfinden. Das war für mich früher frustrierend. Ich habe sehr gehadert mit dem Instrument, weil ich dachte, es gäbe keine Perspektive. Dann ist aber diese Alte Musik-Perspektive aufgetaucht und ich hatte das Glück, nach meinem Zitherstudium beim Lautenisten Hubert Hoffmann Unterricht zu nehmen. Das war für mich ein erster Input, wo ich gesehen habe, aha, ich muss einfach nach außen gehen, von anderen Instrumentalisten lernen. Man kann vielleicht sagen, Zitherspieler haben den Zwang, selber zu denken. Man kann nicht so sehr nach links und rechts schauen, ob wer anderer das besser/schlechter oder sonstwie macht.

Auch Besetzungen sind nicht vorgegeben. Vor Kurzem hast Du Dich mit der Geigerin Barbara Lüneburg zu einem Duo zusammen getan. Da treffen zwei neugierig und mit offenen Ohren forschende Musiker aufeinander.

Ja, das ist recht neu. Ich habe Barbara 2010 beim Komponistenforum in Mittersill kennen gelernt. Wieder dasselbe: es gab exakt ein Stück für unsere Besetzung, von Peter Kiesewetter aus dem Jahr 1993! Wir haben dann Komponisten beauftragt und haben inzwischen ein tolles Programm. Mit der Barbara Lüneburg zu arbeiten ist sehr schön. Wir verstehen uns musikalisch sehr gut, wir versuchen, auch in der Neuen Musik sehr emotional, körperlich zu agieren. Und sie hat auch die Nerven, den langen Weg zu gehen, zwei Jahre Vorlauf, bis man ein gutes Programm beisammen hat.

Im März präsentieren wir unser erstes gemeinsames Projekt beim Festival „artacts“ in der Alten Gerberei in St. Johann in Tirol. Es handelt sich um ein 45-minütiges Stück der deutschen Komponistin Helga Pogatschar mit dem Titel moonphases. Darin gibt es komponierte Kerne und freie Strecken mit vorgegebenen Soundscapes über die improvisiert wird. Im Stück für Violine, Zither und Akkordeon geht es um den Mond in seiner Kulturgeschichte. Dazu hat die amerikanische Videokünstlerin Clea T. Waite ein Video gestaltet.

Und hoffentlich wird es dann bald auch eine Tournee des Zithertrios geben. Vielen Dank für das Gespräch und eine gute Probe mit Barbara Lüneburg heute Nachmittag.

Foto 1: Edith Mallaun
Foto 2, 3: Werner Krepper

http://www.martinmallaun.com/