„ICH WAR BEI OSTBAHN-KURTI FAST VOM ERSTEN KONZERT AN DABEI“ – MICA-INTERVIEW MIT OTHMAR LOSCHY (WILLI RESETARITS-TRIBUTE 2024)

Am 24. April 2022 ist Willi Resetarits verstorben – zwei Tribute-Abende in Niederösterreich und Wien erinnern an einen der beliebtesten Musiker des Landes, der auch durch sein soziales Wirken unvergessen bleibt. Jürgen Plank hat mit dem Musikarbeiter Othmar Loschy, der die Konzertabende organisiert, über Leben und Werk von Resetarits genauso gesprochen wie über mögliche Irrtümer zur Figur Ostbahn-Kurti. Außerdem geht es im Interview um die musikalische Bandbreite von Resetarits und um persönliche Erinnerungen Loschys an den Ostbahn-Kurti-Mastermind Günter Brödl. Die beiden Tribute-Abende sind dem unlängst verstorbenen Fan und Archivar Franz Deckenbach gewidmet, der die Website espressorosi.at betrieben hat. (Das Willi Resetarits-Tribute ist wegen Krankheit des Bandleaders leider abgesagt.)

Du hast bereits Tribute-Abende für Johnny Cash oder Hank Williams organisiert. Wieso wird es demnächst auch zwei Tribute-Abende für Willi Resetarits geben?

Othmar Loschy: Weil alle, die dabei sind, große Fans von Willi Resetarits sind. Man kann sagen: in jeder Reinkarnation. Ich habe ihn zum ersten Mal im Jahr 1976 mit Die Schmetterlinge gesehen. Später dann habe ich an die hundert Mal Kurt Ostbahn live gesehen. Auch mit dem Stubnblues habe ich Resetarits live gesehen. Wir spielen an den Tribute-Abenden Musik aus jeder Phase. Vor eineinhalb Jahren gab es schon einen Tribute-Abend, bei dem wir uns nur auf die Ostbahn-Lieder gestürzt haben, dieses Mal wollen wir den Rahmen erweitern und eben an Willi Resetarits erinnern.

Der Journalist und Autor Günter Brödl hat die Figur Ostbahn-Kurti für ein Musiktheater erfunden und viele Songtexte geschrieben.

Othmar Loschy: Er hat über lange Zeit die Texte verfasst und das waren ganz oft Übersetzungen von Rock-Songs ab den 1960er-Jahren. Auch unbekanntere Lieder von amerikanischen Songwriter:innen. Ich habe damals in einem Plattengeschäft auf der Meidlinger Hauptstraße gearbeitet, Brödl hat in der Nähe gewohnt und wir sind oft im Laden gestanden und haben über Musik gesprochen, so habe ich ihn kennen gelernt. Das war in der Zeit, in der das Projekt Kurt Ostbahn immer mehr ins Laufen gekommen ist.

Bild Ostbahn Kurti Tribute Band
Ostbahn Kurti Tribute Band (c) Andreas Grün

Mittels der Figur Ostbahn-Kurti ist uns durch Brödl und Resetarits Americana-Musik nähergebracht worden, die hier nicht flächendeckend gehört worden ist.

Othmar Loschy: Genau, das ist richtig. Neben Rock-Klassikern hat Brödl eine große Vorliebe für amerikanische, speziell für texanische Singer-Songwriter gehabt: Townes van Zandt, John Prine, Joe Ely. Brödl hatte eine Sendung auf Ö3 und damals war Ö3 noch ein Radiosender, der gute Musik gespielt hat. Da hat er all diese Sachen im Original gespielt. Aus diesem Material hat er sich gute Lieder ausgesucht und diese noch besser übersetzt.

Die Texte sind eigenständige Übertragungen, die genau deshalb so stark sind.

Othmar Loschy: Genau, das war eben die Geschichte. Es waren keine reinen Übersetzungen. Er hat es wunderbar gekonnt, etwa ein Lied von Townes van Zandt zu nehmen und dieses zu einer urwienerischen Geschichte zu machen, die zum Teil mit dem Original zu tun hat und zum Teil nicht mehr. Es ist so immer eine tolle Geschichte entstanden. Bruce Springsteen war da auch ganz wichtig, von seinen Liedern gibt es 6 oder 7 Übertragungen ins Wienerische, die alle ganz wunderbar funktionieren. So sehr ich Springsteen schätze und mag: manchmal ist die Brödl-Übertragung noch besser, etwa bei „Feuer“. Mit Ostbahn-Kurti & die Chefpartie hat er eine Band gefunden, die das umsetzen kann. Das waren lauter besondere Typen. Brödl hat immer gesagt, er würde gerne selbst singen, aber er konnte nicht singen und hat das auch gewusst.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Inwiefern ist Ostbahn-Kurti ein Kontrapunkt zum Austropop gewesen?

Othmar Loschy: Der Figur Ostbahn-Kurti und dem Ostbahn-Kurti ging es am Anfang nicht – und ich glaube auch später nicht – um Ruhm und darum Pop-Star zu sein. Das war eine, wenn auch erfundene Vorstadt-Combo, die Lärm macht. Die laut und wild spielt. Dass der Erfolg aber dann mit der dritten Platte kommt, war abzusehen. Ich war bei Ostbahn-Kurti fast vom ersten Konzert an dabei. Ich habe Konzerte gesehen, bei denen 5 oder 15 Besucher:innen waren. Es hat sich entwickelt, weil es einfach gut war. Die Musik hat wunderbar in die Zeit gepasst, in der andere Musik immer glatter geworden ist. In den 1980er und 1990er hat Ostbahn-Kurti als Gegenpol perfekt gepasst: für alle, die etwas anderes wollten.

„EINES DER ERSTEN OSTBAHN-KONZERTE AUSSERHALB VON WIEN WAR IM ARBEITERKAMMER-SAAL IN TULLN, VOR 5 LEUTEN“

Wo waren diese ersten Konzerte mit wenig Besucher:innen?

Othmar Loschy: Eines der ersten Ostbahn-Konzerte außerhalb von Wien war im Arbeiterkammer-Saal in Tulln, vor 5 Leuten. Das war ein riesiger Saal mit 250 Sitzplätzen. Die 5 Leute waren meine Freunde und ich, wir sind aus Wien nach Tulln gefahren. Oder im Andino in Wien, da waren 2 Tische besetzt. Es gab viele dieser kleinen Konzerte, die man auch spielen muss, damit sich eine Fan-Gemeinde aufbaut. Die Power und die Konzerte waren aber immer gleich, egal ob 5, 100 oder 150 Leute da waren. Willi hat für 2 Stunden oder länger alles gegeben. Das hat geholfen diese Fan-Bindung aufzubauen. Das gab es davor in Wien nicht: Eine treue Fan-Gemeinde, wie bei amerikanischen Künstler:innen, die überall zu fast allen Konzerten einer Band geht.
Das war eine Gruppe von 5 oder 6 Leuten, dann ein Dutzend, dann 3 Dutzend Leute, die bei jedem Konzert waren, egal ob das in Wien, Graz oder in München war. Es gibt Leute, die haben 300 Konzerte gesehen, also nahezu alle Konzerte.

Du bist von Anfang an dabei gewesen und hast eben sehr schön die besondere Fan-Kultur beschrieben. Was könnten Irrtümer über die Figur Ostbahn-Kurti sein?

Othmar Loschy: Das könnte man vielleicht so beantworten: später, in den 1990er-Jahren wurden es – mir zumindest – fast schon zu viele Fans. Da war auch Publikum dabei, das kannte halt zwei oder drei Lieder aus dem Radio und hat Ostbahn-Kurti auf diese Lieder reduziert. Da wurden dann die Hits gefordert, die die Band zum Teil nicht spielen wollte. Meine Interpretation ist: das war das Ende der Chefpartie. Das Open-Air am Ostbahn XI-Platz war großartig, auch das Konzert in Podersdorf war großartig, aber das war fast schon zu viel. Da wurde der Bruch gemacht, es wurde wieder reduzierter. Die Nachfolge-Band, die Kombo, war ein bisschen anders strukturiert: viel ruhiger, gesetzter, nicht so sehr in Richtung Rock’n’Roll gedacht.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Du bist auch selbst Musiker und wirst an den Tribute-Abenden auf der Bühne stehen. Wie nähert ihr euch welchen Resetarits-Liedern an? Beginnt ihr bei der Gruppe Die Schmetterlinge?

Othmar Loschy: Wir beginnen bei den Schmetterlingen, also nicht ganz am Anfang, denn in den 1960er-Jahren hat Willi Resetarits schon in diversen Beat-Bands gespielt. Wir werden natürlich Lieder von Ostbahn-Kurti & die Chefpartie und von Kurt Ostbahn & Die Kombo spielen. Es wird Lieder vom Stubnblues geben, da gibt es ja auch wunderbare Texte, die zum Teil von Willi und von Stefan Schubert geschrieben worden sind. Und es wird ein kroatisches Volkslied geben, das Willi gerne gesungen hat. Es soll die ganze Bandbreite des Willi Resetarits an einem Abend gezeigt werden. Das ist eh schwer, wir haben uns schwer getan aus der Fülle des Materials auszusuchen.

Tribute-Abende scheinen im Trend zu liegen, unlängst habe ich ein Plakat gesehen, das ein Tribute-Konzert für Adriano Celentano angekündigt hat. In diese Richtung gedacht, würde ich auch Cover-Bands sehen, die – wie etwa im Falle von ABBA- oder AC/CD-Coverbands – erfolgreich um die Welt touren. Wie siehst du dieses Phänomen? Warum gibt es das?

Othmar Loschy: Vereinfacht gesagt: weil die Musik der 1960er und 1970er-Jahre besser war als die aktuelle Pop-Musik. Ich glaube, es würde niemandem einfallen eine Lada Gaga-Coverband zu machen. So gut Lady Gaga auch ist, gegen sie sage ich gar nichts. Die Leute wünschen sich das Alte wieder her und freuen sich, wenn sie Musik, die sie mögen, live hören können.

Bei unserem Tribute geht es wirklich um Willi. Wir werden auch nichts daran verdienen, der Reinerlös geht ans Integrationshaus. Für uns ist es ein Spaß und eine Freude und ein gemeinsames Erinnern an den Willi. Aber: die angesprochene AC/DC-Coverband tourt weltweit obwohl AC/DC auch tourt, das ist schon interessant.

„RESETARITS HAT IMMER WIEDER FÜR NICHTREGIERUNGSORGANISATIONEN UNENTGELTLICH GEWIRKT UND ETWA DAS LICHTERMEER MITORGANISIERT“

Willi Resetarits hat Asyl in Not und SOS Mitmensch mitbegründet und das Integrationshaus initiiert. Was wird von ihm jedenfalls bleiben?

Bild Willi Resetarits
Willi Resetarits (c) Andreas Müller

Othmar Loschy: Bei Willi bleibt nicht nur die Musik, auch wenn da jede Menge bleibt. Für die Musik kann man ihm ewig dankbar sein. Aber es bleibt auch, dass er ein sehr politischer Mensch war, der verschiedene Organisationen mitbegründet hat. Resetarits hat immer wieder für Nichtregierungsorganisationen unentgeltlich gewirkt und etwa das Lichtermeer mitorganisiert. Er war einfach ein politischer Mensch, der für mich ein Vorbild ist. Nicht nur als Musiker, sondern als Mensch. Umso trauriger waren wir, als er gestorben ist.

Ein Unterschied vielleicht noch zu anderen Musiker:innen, die ähnliche Musik machen: auch wenn er in diese Rolle des Ostbahn-Kurti hineingekippt ist, Willi Resetarits ist zum Teil in Favoriten aufgewachsen, hatte die street credibility und war deshalb in seiner Musik authentisch.

Othmar Loschy: Ganz sicher. Die eingefleischten Fans wussten ja, dass das eine Rolle ist, dass das eine Show ist. Die hat er so überzeugend gebracht und er hat seine politische Linie und Überzeugung eingebracht und es hat sich auch vermischt: er ist als Ostbahn-Kurti und als Willi Resetarits für das Integrationshaus eingetreten.

Ein letzter Aspekt: wie hast du Willi Resetarits als Radiomacher wahrgenommen? In dieser Rolle hat er etwa Cajun-Musik aus dem Süden der U.S.A. im öffentlich-rechtlichen Radio vorgestellt, somit Musik, die damals nur eingefleischte Musikfans gehört haben.

Othmar Loschy: Das hat er natürlich großartig gemacht. Weil er einfach seinen Schmäh von der Bühne direkt ins Radiostudio gebracht hat. Da gab es Live-Matineen, bei deren Aufzeichnung konnte man im Radiokulturhaus dabei sein, und das hat unglaublich gut funktioniert und war lustig. Vieles war spontan und es waren verschiedenste Künstler:innen eingeladen, aus dem Weltmusik-Bereich bis hin zum kurdischen Sänger Şivan Perwer. Deren Musik wurde in der Sendung auch gespielt, auch in dieser Rolle als Radiomoderator war Willi Resetarits eine Integrationsfigur.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

++++

Live:
Do 25.4.2024: St. Andrä-Wördern, Hofküche (Am Dorfplatz), 19h (wegen Krankheit abgesagt)
Fr 26.4.2024: Café Concerto, Wien, 21h (wegen Krankheit abgesagt)

Ersatztermine: tba

++++

Links:
Verein Dorfplatz
Concerto
Espresso Rosi