„ICH MAG ES EINFACH, SCHLÜPFRIG ZU SEIN” – ANKATHIE KOI IM MICA-INTERVIEW

ANKATHIE KOI aka KATHRIN ISABELLA BEYER mag Kitsch, aber keine Klischees. Musik darf einfach sein, aber nicht banal. Und wenn sie mit Band auf Tour ist, tanzt sie sich schon einmal gerne in Ekstase – ohne aber das Interview am Montagmorgen zu spritzen. Denn ANKATHIE KOI ist sich sicher: Mit dem Zwischending kommt man ganz gut aus und zwar ohne Abzüge. Die Wiener Musikerin weiß nämlich ganz genau, welche Knöpfe sie drücken muss, damit die Leute zuhören: Dass der “sexy stuff” dabei genauso wenig fehlen darf, wie der Harlekin, macht sie mit ihrem neuen Album “Pikant” (VÖ 26.04.24) glasklar. Im Gespräch mit Ania Gleich erklärt die Künstlerin unter anderem, inwieweit ihre Konzerte auch gesellschaftliche Utopien sind und warum sie keinen Trends hinterherläuft. 

Wie geht es dir so kurz vor dem Album-Release?

Ankathie Koi: Wir sind gerade von drei extrem lustigen Konzerten zurückgekommen! Da waren wir in Locations, die eher weniger Leute fassen und du die Crowd so ganz nah bei dir hast. Ich mag das ur gern, wenn die Menschen so an dir picken und du auch direkt ins Publikum springen könntest. Das war intense, schwitzig, laut und hat sich schon angefühlt wie ein Aufwärmen vor einem großen Marathon. Jetzt fängt es an richtig zu prickeln. Natürlich sind wir nicht mehr ganz so exzessiv wie früher unterwegs, denn da hatten wir auf Tour schon eine härtere Gangart. Da haben wir die Hotelzimmer oft gar nicht von innen gesehen, weil wir irgendwo anders gelandet sind.

Also gibt es inzwischen einen stärkeren Kontrast zwischen Performance und Backstage? 

Ankathie Koi: Bei uns ist es so ein Zwischending. Wir sind weit nicht mehr so krass wie früher und jede:r braucht seinen Schlaf – Früher haben wir ja oft tagelang durchgemacht! Die Show lief zwar immer, aber danach war immer der tiefe Fall und das Regenerieren hat sehr lange gedauert. Das war eher wie im Zirkus. Jetzt sind wir alle älter und ich Mama geworden. Als ich gestern von den Konzerten zurückgekommen bin und die Kleine von der Oma geholt habe, konnte ich auch nicht fix und fertig sein. Wir haben zwar auch noch keine Yogamatten Backstage, aber dafür kommen wir gesund, heil und mit allen unseren Gliedmaßen zurück.

Corona hat mich fühlen lassen, als hätte ich mich einmal nackt ausgezogen, um dann vor dem Schrank zu stehen und zu merken: Der Dress hat mir eigentlich ganz gut gestanden!” 

Was hat sich seit dem letzten Album als Künstlerin für dich verändert?

Ankathie Koi: Während Corona sind ja lauter so kleine Sachen aus dem Boden geploppt. Es gab viel Streaming-Zeug und Home-Sessions. Dominik (Anm. Beyer) war dafür sehr motiviert und hat viele 80s-Disco-Pop-Hits für Klavier und Gesang arrangiert. Das haben wir dann ein paar Mal geprobt und mehrere dieser kleineren Gigs gespielt. Die haben uns über das Jahr drüber gerettet. Dann kam 2021 die Kleine. Dadurch gab es auch für uns eine musikalische Umstellung. Alles war ein bisschen ruhiger. Gegen 2019 hatte ich ja fast schon ein kleines Burnout. Während dieser ruhigeren Zeit habe ich mir auch eine Jazz Gitarre gekauft und die ersten Song-Versionen für das Album geschrieben. Ursprünglich hätte der Record ja auch „So viel Drama steht dir nicht“ heißen sollen. Genauso war auch der Sound! Dann haben wir aber langsam die ersten Gigs mit der Band gespielt und die Leute haben angefangen, sich wieder zu bewegen. So hat es mich aber auch wieder in den Fingern gejuckt und ich wollte schnellere Dinge spielen. Deshalb hat sich der Sound dann nochmal gedreht.

Bild Ankathie Koi
Ankathie Koi (c) Ina Aydogan

Also kein Lockdown-Album von dir? 

Ankathie Koi: Zum Glück! Wir sind ja in erster Linie eine Live-Truppe. Ich bin keine Musikerin, die sich jahrelang in ein Album reinfuchst. Ich mag den Songwriting-Prozess schon gern, aber in erster Linie ist es für mich ein Tool: Ich brauche viele Songs, die live super funktionieren. Das ist alles, was ich will. Ich habe so gute Live-Musiker:innen! Und als ich plötzlich doch selbst wieder tanzen wollte, hatte ich auch wieder mehr Bock auf Ekstase!

Die Coronazeit hat einen komplett herunterfahren lassen. Dafür war das Bedürfnis danach, wieder zu feiern, umso steiler.

Ankathie Koi: Das Geile war, dass wir alle in der Zeit auch viel über uns gelernt haben! Corona hat mich fühlen lassen, als hätte ich mich einmal nackt ausgezogen, um dann vor dem Schrank zu merken: Das Dress hat mir eigentlich ganz gut gestanden! Aber auch das Angewöhnen der deutschen Sprache wäre ohne diese Zeit nicht passiert. Man könnte sagen, Corona hat dem Album einen guten Bauch gegeben. Jeder Song auf dem Album ist live gut zu spielen. Das war bei älteren Alben nicht unbedingt so. Die ersten Records bestanden hauptsächlich aus Dance-Tracks und hatten wenig Songs, die man gut mit der Gitarre nachspielen kann. 

Wenn die Harmonie als Grundlage stimmt, kann man fast alles drauflegen und es klingt gut.

Ankathie Koi: Keine komplexen Konzepte mehr! Diesen Vibe habe ich gefeiert. Das war eine neue Klarheit und Leichtigkeit. Prinzipiell bin ich ja ein sehr luftiger Charakter und ich wollte, dass das Album eben auch luftig klingt. Diese Grätsche war aber gar nicht so easy.

Ich brauche einen gewissen Pegel an Reiz, sonst ist mir einfach zu langweilig!”

Wie arbeitest du denn an den Songs?

Ankathie Koi: Ich wollte, dass die Songs ganz direkt funktionieren: So wie wenn man einen Beatles-Song nachspielt! Du musst sofort ein Bild im Kopf haben. „Hunting Season“ vom ersten Album ist etwa ein Track, den ich zwar liebe, aber den ich nicht einfach so am Lagerfeuer spielen könnte. Um eine klassische Popsong-Struktur zu haben, braucht man ein bisschen mehr Fleisch. Deswegen waren wir diesmal generell ein bisschen strenger.

Wie hast du den Zugang zur deutschen Lyrik-Arbeit entwickelt?

Ankathie Koi: Es gab da keinen speziellen Auslöser. Ich war viel zu Hause und hatte nicht viel Austausch. Dadurch habe ich so wenig Englisch geredet, dass ich dachte, mich gar nicht mehr richtig ausdrücken zu können. Ich wollte aber auch ein bisschen freier sein. Früher habe ich meine Texte ja alle von einer Native Speakerin kontrollieren lassen. Diesmal wollte ich im Schreibprozess einmal komplett autark sein. Ich kann im Deutschen auch einfach bessere Witzchen reißen als im Englischen. Und alles, was so sexy Stuff betrifft, ist im Deutschen einfach viel direkter. Da gibt es im Publikum so einen kurzen Schockmoment und ich mag das.

Viele Leute schreiben genau deswegen nicht auf Deutsch!

Ankathie Koi: Tja, ich mag es einfach, schlüpfrig zu sein! Es ist eben alles ein bisschen pikant!

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Gab es eine bestimmte Amour Fou, die dich inspiriert hat?

Ankathie Koi: Ja, viele! Viele komplizierte Liebschaften. Grad, die Touren zwischen 2017 und 2019. Ich war damals mit meinem Mann in einer offenen Beziehung und wir hatten beide unsere Partner:innen, mit denen wir uns nebenbei auch getroffen haben. Manchmal war das dann cooler, manchmal weniger cool. It’s not so easy! Es bringt ur viel Spaß ins Leben, aber man muss eben auch gut kommunizieren. Manchmal kann es in so einer Konstellation dann schon auch ein bisschen wild werden. Ich zehre an diesen Erlebnissen immer noch thematisch. Schließlich will ich mein Leben nicht auf der Couch verbringen. Ich brauche einen gewissen Pegel an Reiz, sonst ist mir einfach zu langweilig. Aber wenn man ein bisschen zu viel hobelt, fallen eben manchmal auch ein bisschen mehr Späne ab, als man will.

Keine Regeln und über alles reden ist in so einer Offenheit aber auch das Einzige, wie es funktionieren kann. 100%ige Transparenz. Aber man bucht auch sehr viel Wahnsinn dazu, den man nicht planen kann. „Amour fou, ist sweet und so tabu!“ Als Frau zu singen, dass jemand anderer ein “Sexy Souvenir” ist, ist für mich aber auch eine Form von radikaler Zärtlichkeit. So von wegen: Ich habe dir nie etwas anderes versprochen, Schatzi, deswegen ist hier auch wieder Schluss! Darum geht es in “Amour Fou”: Diese ganze Madness, mit der man in Beziehungen umgehen muss!

Ich finde, “Amour Fou” ist für das ganze Album wie ein roter Faden!

Bild Ankathie Koi
Ankathie Koi (c) Ina Aydogan

Ankathie Koi: Ja und es war auch einer der ersten Songs, wo ich klar wusste, in welche Richtung es weitergehen muss. Ich habe auch wirklich lang daran gearbeitet, dass jedes einzelne Wort passt. Denn ich wollte mich ja auch nicht in Klischees verrennen. Im Deutschen werden oft zu viele Klischees verwendet. Ich mag Kitsch total gern, aber keine Klischees. Ich mag es einfach, aber nichts Banales! 

Romantischer, sexy Kitsch ist immer geil! Und bricht auch mit Geschlechterrollen. 

Ankathie Koi: Ich glaube, dass meine Musik eine sehr inklusive Musik ist. Da kann sich eigentlich überhaupt niemand ausgeschlossen fühlen. Ich habe sehr viele queere Menschen in meinem Publikum und vor allem sehr viele Frauen, die für zwei Stunden diesen herzlichen Eskapismus mit uns mitfeiern, ohne dabei zu streng und dogmatisch zu sein.

Es gibt zu wenige Orte, wo alle sexuellen Orientierungen miteinander feiern können. Der Cut zwischen Hetero und queer ist manchmal sehr hart. 

Ankathie Koi: Ich finde es cool, dass du das mit den gemischten Spaces gesagt hast, denn das ist eigentlich die Utopie, die ich mit meinen Konzerten lebe. Ich habe viele weiße Cis-Männer, aber auch ganz viele Gay Boys dabei, die zu meiner Musik feiern. Es mischt sich in meinen Konzerten gut! Ich freu mich, dass zu meinen Konzerten alle möglichen Leute kommen, Gays wie Heteros und sich – glaub ich – alle safe fühlen und gemeinsam Lust haben ein bisschen auszubrechen. 

Ich wollte das Gefühl von geballter Sehnsucht verpacken, ohne jammernd zu klingen.”

Ich glaube, dass man als queere Frau auch eine besondere Kraft hat, da etwas zu einen.

Ankathie Koi: Auch da hast du total recht! Wahrscheinlich kann man das aus dieser Position am ehesten mit einer Lockerheit verbinden. Jetzt noch viel mehr, wo ich mit einem Mann verheiratet bin, ein Kind habe und trotzdem sehr offen über meine Bisexualität reden kann.

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Die beiden „Du bist heiß“-Tracks spannen ja auch einen Bogen. War das eine bewusste Entscheidung? 

Ankathie Koi: Da müssen wir kurz eine Viertelstunde zurück in unserem Gespräch drehen. Denn das kam noch aus der Zeit, wo die ersten Sounds zu dem Album noch jazziger und dramatischer waren. Das waren die ersten Texte, die für das Album entstanden sind! Ich bin immer lieber für etwas als gegen etwas. Ich wollte das Gefühl von geballter Sehnsucht verpacken, ohne jammernd zu klingen. Deswegen singe ich ja auch so gern über Liebe: Weil sie so universal ist.

Und warum zwei Teile?

Ankathie Koi: Das ist tatsächlich schon das vierte Mal, dass ich das auf einem Album mache. Also, es ist fast ein bisschen eine Hommage an mich selbst!

Und zu den Musikvideos: Was hat es mit der Clown-Ästhetik auf sich?

Ankathie Koi: Im Endeffekt bin ich etwas zwischen Harlekin und Clown. Außerdem wollte ich etwas anderes, als ein classic Beauty-Pic auf dem Cover. Und ich mag die Figur in ihrer Bedeutung ganz gerne. Der Harlekin spielt zwischen den Welten: Fiktion und Realität, Gut und Böse. Zudem darf der Hofnarr immer die Wahrheit sagen, weil er diesen Wahnsinnigen-Status hat. Und Clowns sind einfach lustig. Dieses Schrullige passt zu mir! Ich mag Sachen gerne, die bunt und lebensbejahend sind. Dass es auch Horrorclowns gibt, ist leider ein bisschen an mir vorbeigegangen. Aber ich kann auch mit der Assoziation leben! Ich mag Horrorfilme ja auch gerne. Wenn jetzt jemand also ein bisschen ein Horror-Gefühl bekommt: I’m okay with that! Mir ist es lieber, die Leute reden darüber, als irgendwas, wo ich mir denke: Hauptsache ich sehe supergeil aus! Lieber gebe ich ein bisschen Stoff zum Debattieren. Ich bin ja auch niemand, der jemandem vorschreiben will, wie er sich fühlen soll.

Und was ist mit den Cowboys in „Tanz dich rein“?

Ankathie Koi: Die kann ich nicht erklären, das war einfach Fun! Gleichzeitig wollte ich etwas, das nicht so übertrieben weiblich ist. Ich schaue in dem Video ja selbst auch aus wie eine wütende Eidechse und der Kontrast hat mir gefallen. 

Einerseits sind Cowboys so ein ewig altes Männlichkeitssymbol, andererseits ist es auch so ein gay Icon!

Ankathie Koi: Absolut! Die beiden haben das auch sehr gefeiert. Sie waren meine Croco-Guards! Optisch versuche ich ja immer sehr, die Elemente im Video aufeinander abzustimmen. Die Produktion soll dann jemand anderes übernehmen. Das kann ich nicht.

Du würdest dir selbst also keine DIY-Mentalität zu schreiben?

Ankathie Koi: Ich hätte das für den Sound niemals selbst geschafft. Alleine könnte ich vielleicht Garage Rock produzieren. Aber gut-produzierten Pop kann ich nicht selbst erzeugen.

Ein Team um einen herum ist ja auch bereichernd.

Ankathie Koi: Das ist immer so! Für ein Kind braucht es ein ganzes Dorf, für ein Album auch! Ich kann mich aber auch einfach nicht so lange konzentrieren.

Und wirst du von deinem 80s-Vibe einmal abweichen? Gibt es vielleicht ein 90s-Revival?

Ankathie Koi: Ich finde, dass dieses Album nicht mehr so nach 80s klingt. Es hat einen Retro-Flair, aber es ist kein Retro-Album! Bei mir ist es halt so: Ich habe einen bestimmten Stil, aber ich laufe keinen Trends hinterher. Mein Style macht mich authentisch. Ich trage seit zwanzig Jahren Schulterpolster und nicht erst seitdem H&M die produziert und “80s-are-nice” überall draufpackt! Die 90er andererseits habe ich ja selbst noch mitbekommen. Die Bands, denen die Leute heute nacheifern, habe ich live gesehen. Ich kann das deswegen nicht so romantisieren. Ich fand in den 90er Jahren viel Scheiße und war auch kein Love-Parade-Kind, sondern eher Nirvana-Fan. So gesagt komme ich eher aus dem Grunge und Punk. Als ich angefangen habe, 80er-Musik zu machen, war das ur der heiße Scheiß. Und jetzt sind es halt die 90er. Ich schwöre dir, in fünf Jahren sind dann alle wieder in den 70ern!

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Jede Generation lässt ein neues Jahrzehnt wieder auferstehen.

Ankathie Koi: Nichts gegen Trends, aber so einen Trend aufzugreifen, nur um sich auf Spotify besser zu platzieren: Da hab ich gar nichts davon. Für mich selbst weiß ich, dass ich musikalisch von Album zu Album Sprünge mache. Ein gewisser Kern ist aber nicht totzukriegen. Und der funktioniert ganz gut und ich muss ihn wie ein ganz kostbares Pflänzchen hegen und pflegen, weil das genau das ist, was die Leute von meinen Konzerten mitnehmen. Sie sagen dann: Ich kaufe dir jedes Wort ab. Genau diese Attitüde will ich mir großhalten.

Danke für das Gespräch!

Ankathie Koi: Danke Dir!


ANKATHIE KOI – LIVE: 
27. April – Wien, Konzerthaus
16. Mai – St. Pölten, Festspielhaus 
24. Mai – Chemnitz, Atomino 
29. Mai – Salzburg, ARGEkultur 
30. Mai – Hard, Kulturwerkstatt Kammgarn 
31. Mai – Ebensee, Kino Ebensee
6. Juni – Linz, Posthof Frischluftbühne 

20. Juli – Tulln, Donaubühne  

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Ania Gleich 

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