„Ich habe die ganze Platte in zwei Wochen gemacht“ – ERNST TIEFENTHALER (ERNESTY INTERNATIONAL) im mica-interview

ERNST TIEFENTHALER aka ERNESTY INTERNATIONAL ist einer fleißigsten Musiker Österreichs, eben ist sein dreizehntes Album „but now the demagogues won“ (EMG) erschienen. Der Musiker sprach mit Jürgen Plank über Nachhaltigkeit, das Verbundensein mit der Welt und darüber, was ihn ärgert bzw. freut.

Wie man ein Album benennt, ist immer eine wichtige Frage. Wie sind Sie auf den Titel „but now the demagogues won“ gekommen?

Ernst Tiefenthaler: Das ist eine Textzeile aus dem Lied „Tired Lovers“ ist. Die Platte sollte nicht von Anfang an so heißen. Mir war klar, dass der Titel auffällig ist, weil er natürlich politisch angehaucht ist.

Ist es ein politisches Album geworden?

Ernst Tiefenthaler: Die Platte ist vordergründig nicht politisch. Natürlich beschäftigt auch mich, was in den letzten zwei bis drei Jahren politisch passiert ist. Im Lied „Tired Lovers“ geht es auch um die Frage, ob wir uns vielleicht von der Demokratie, der Aufklärung und der Mitmenschlichkeit, wie wir sie kennen, ein wenig entliebt haben.

Der Name Ernesty International klingt wie der Name einer Nichtregierungsorganisation. Inwiefern sehen Sie sich als politisch inspirierte One-Man-Show?

Ernst Tiefenthaler: Dieser Punkt war mir schon bewusst, das ist auch im Cover drinnen: Die Flagge ist dieses Mal schwarz-weiß statt blau-weiß und soll etwas Düsteres ausstrahlen. Am Anfang war der Name fast ein Schmäh und hat damit gespielt, dass dies eine große internationale Non-Profit-Organisation sein könnte, die ein bisschen so wie Amnesty International ist. Es ist aber ein Soloprojekt und dieser Widerspruch hat mir gefallen. Es geht vielleicht um die Frage: Wie geht es dem Individuum mit diesen ganzen Umwälzungen, die passieren?

Ist die Verwechslung Ihrer Band mit einer NGO tatsächlich passiert?

Ernst Tiefenthaler: Das nicht, aber bei einer Benefizveranstaltung am Karlsplatz hat eine der Veranstalterinnen, die nicht so genau informiert war, gedacht, ich wäre von Amnesty International. Sie ist zu mir gekommen und hat gesagt: „Endlich seid ihr da!“

Das neue Album ist mir beim Anhören als ein Album erschienen, das wie aus einem Guss ist. War das so geplant oder hat sich das ergeben?

Ernst Tiefenthaler: Es ist wirklich so, dass ich auch den Eindruck habe, dass es wie aus einem Guss ist. Das war bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich Absicht, auch wenn das nicht bewusst passiert ist. Bisher habe ich immer ein wenig Elektronik dabei gehabt, die immer eine kleine neue Welt aufmacht. Jetzt ist es so, dass die Instrumente alle analog sind und es überhaupt keine Synthie-Elemente gibt. Man hat das Gefühl, man sitzt dabei, während Leute Musik machen.

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„Da ist das große, leere Blatt vor mir und ich muss hoffen, dass mir etwas einfällt“

 Bei einem früheren Album haben Sie sich für eine Woche an einen bestimmten Ort zurückgezogen und alles selbst eingespielt und aufgenommen. Wie war es dieses Mal?

Ernst Tiefenthaler: Das ist bei allen Platten von mir so. Im Alltag schreibe ich schon auch Lieder, aber um die Musik konkret werden zu lassen, miete ich mir meistens irgendwo ein Haus und ziehe mich dorthin zurück. Die letzten beiden Male war ich in der Slowakei. Dort baue ich dann alles auf, es gibt keinen Einfluss von außen, ich lasse mich durch nichts ablenken und konzentriere mich nur auf das Album. Da ist das große, leere Blatt vor mir und ich muss hoffen, dass mir etwas einfällt. Bisher war es Gott sei Dank immer so. Ich habe die ganze Platte in zwei Wochen gemacht.

„but now the demagogues won“ ist Ihr dreizehntes Album, bemerken Sie, dass diese Nachhaltigkeit im Tun auch eine Nachhaltigkeit in der Wahrnehmung erzeugt?

Ernst Tiefenthaler: Ja, wobei ein Aspekt dabei ist: Mir ist schon klar, dass die Leute das registrieren. Ein bisschen Wehmut ist aber auch dabei, weil man sich denken könnte: „Er hat halt wieder eine neue Platte gemacht.“ Ich denke mir, dass der große Hype vielleicht nicht mehr passieren wird. Ich mache in jedem Fall weiter Musik, weil es mich mit etwas Positivem in Verbindung bringt und ich kreativ sein kann und dankbar bin, dass das möglich ist. Es wäre natürlich cool, wenn noch mehr mit so einer Platte passieren würde. Mir kommt auch vor, dass die Journalistinnen und Journalisten nicht so recht wissen, wie sie damit umgehen sollen, dass jedes Jahr eine Platte herauskommt. Vielleicht besteht da auch eine Übersättigung, ich weiß nicht.

Wie ist die internationale Wahrnehmung?

Ernst Tiefenthaler: Inwiefern meine Musik außerhalb von Österreich registriert wird, kann ich überhaupt nicht beurteilen. Ich habe einmal in London ein Konzert gespielt, da hat uns Robert Rotifer eingeladen. Das war super, aber ich war sehr nervös. Ich habe aber gemerkt, dass ich bei den Ansagen mit dem Publikum auch Englisch sprechen kann, das war super. Und einmal habe ich in Berlin gespielt.

„Weil es Probleme mit dem Sound gegeben hat, haben wir ab der Hälfte des Konzertes wirklich unplugged gespielt.“

Die Albumpräsentation war im Theater Drachengasse. Wie war das?

Cover

Ernst Tiefenthaler: Die Platte ist ja eher ruhig und live gibt es das Format mit mir und dem Kleinen Herzkammerorchester. Wir haben es dann Royal Heart Chamber Orchestra genannt. Für dieses Setting ist ein Theater super, weil die Leute sitzen und meistens mehr Aufmerksamkeit da ist. Das Theater Drachengasse hat für unsere Zwecke eine gute Größe und war gut gefüllt. Es ist ein intimes Feeling zustande gekommen. Weil es Probleme mit dem Sound gegeben hat, haben wir ab der Hälfte des Konzertes wirklich unplugged gespielt. Ab diesem Zeitpunkt war das Konzert entfesselt, man kann nicht planen, dass es allen Leuten Freude macht und etwas passiert, was mit Alltag nichts mehr zu tun hat. Man hat das Gefühl, dass man mit großen Themen in Verbindung kommt. Das klingt jetzt pathetisch, aber ich kann das nicht besser beschreiben.

Lesen Sie Kritiken über Ihre Platten?

Ernst Tiefenthaler: Ja, das mache ich. Ich bin nicht der Typ, dem das egal ist, sondern ich schaue schon, was zurückkommt.

Gab es Kritiken, über die Sie sich geärgert bzw. gefreut haben?

Ernst Tiefenthaler: Bei dieser Platte hat es mich gefreut, dass Karl Fluch etwas geschrieben hat, weil es immer extrem cool ist, wenn etwas im Standard ist und ich viel von seinem Musikgeschmack halte. Ärger über Kritiken kommt schon auch vor, wenn ich mich missverstanden fühle. Ich will keine Namen nennen, aber es gab schon Fälle, in denen ich mich gefragt habe, wie man einen Text so missverstehen kann. Das ist ganz komisch. Es war aber selten ein totaler Verriss dabei, also kann ich zufrieden sein.

Welches der aktuellen Lieder ist Ihnen besonders wichtig?

Ernst Tiefenthaler: „Daylight“ ist für mich etwas ganz Besonderes: Ich bin mit dem Text zufrieden und das Lied transportiert eine Aufbruchsstimmung. Zumindest für mich. Wenn ich selbst Musik höre, gefallen mir eher das Melancholische, das Traurige. Mich beschäftigt immer schon die Frage, wie ich meine kleine Welt mit der Welt draußen verbinden kann. Die Sehnsucht nach dem Verbundensein mit der Welt zieht sich bei mir durch und ist schon mit ein Grund, warum ich Musik mache.

Ist der Grund dafür, dass Sie jedes Jahr eine Platte machen, vielleicht, dass Sie mit jeder Platte erneut an die Welt draußen andocken können?

Ernst Tiefenthaler: Ja, absolut. Dieses Bedürfnis ist da. Gitarre zu spielen war für mich in der Jugend eine Notwendigkeit und dieser Wunsch danach ist immer noch da. Es ist ja schön, dass Leute sich auf eine Bühne stellen müssen und Bücher schreiben müssen – da haben wir ja etwas davon.

 Herzlichen Dank für das Gespräch!

Jürgen Plank

Termine:

15. Februar 2019: Kabarett Niedermair, Wien
23. März 2019: Strandgut, Linz

Website:
Ernesty International
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