Nach sechs Jahren Pause kehrt das hoerthoert Festival zurück! Der neu aufgestellte Verein hoerthoert und das angeschlossene Label Listen Closely feiern ihren Neustart mit einem zweitägigen Festival in Wien. Von 2013 bis 2018 war das Festival eine wichtige Plattform für innovative Musik – jetzt knüpfen wir an diese Tradition an. Trotz der längeren Pause war das Label aktiv und veröffentlichte u. a. Werke von Little Rosies Kindergarten, Memplex, June in October und KO·AX. Beim Festival 2025 (30. – 31. Mai) stehen genau diese Formationen auf der Bühne. Memplex und KO·AX präsentieren ihre neuen Programme – alle Acts vereint ein experimenteller, zeitgenössischer Zugang zur Musik, der die Vielfalt und kreative Energie der heimischen Szene hörbar macht. Ergänzt wird das Line-up durch zwei Carte Blanche-Beiträge junger Künstlerinnen der Wiener Szene: Die Bassistin Anna Reisigl stellt gemeinsam mit der Sängerin Amina Bouroyen ein neues Duo-Programm vor. Am Samstag wird zudem ELSA im Duo mit dem Pianisten Julian Bazzanella zu hören sein. Im Interview mit Michael Ternai sprechen Werner Zangerle (Musiker, Labelbetreiber von Listen Closely und Mitbegründer des hoerthoert–Festivals) und seine neue Mitstreiterin Judith Ferstl über die Beweggründe für die Neuauflage von hoerthoert, die Rolle des Festivals als Plattform für spannende musikalische Begegnungen und die besondere Programmvielfalt.
Das hoerthoert Festival feiert Ende Mai nach mehrjähriger Pause im Wiener Gürtellokal rhiz sein Comeback. Ich weiß jetzt gar nicht mehr so genau, wann die letzte Ausgabe über die Bühne ging.
Werner Zangerle: Da muss ich selber nachdenken. Ich glaube, das muss 2018 oder 2019 gewesen sein. Tatsächlich, es war 2018.
Was hat euch jetzt dazu bewogen, es wiederaufleben zu lassen?
Werner Zangerle. Zur Pause kam es, weil sich damals bei vielen Mitorganisator:innen die Lebensumstände stark verändert hatten. Nachdem sich die Situation etwas beruhigt hatte, begannen wir damit, den Verein neu aufzustellen und großartige Menschen wie Judith, Lukas (Leitner; Anm.) und Johannes (Bankl; Anm.) mit ins Boot zu holen. Vor etwa zwei Jahren reifte dann die Idee, das Festival wieder aufleben zu lassen. Solche Dinge brauchen eben Zeit – aber jetzt ist es so weit.
Judith, was hat dich als vielbeschäftige Musikerin dazu bewogen, mitzutun?

Judith Ferstl: Ich habe das Festival hoerthoert und das Label Listen Closely schon lange mitverfolgt. Ich habe selbst beim Festival gespielt und mit dem einen oder anderen Projekt auch Releases auf dem Label veröffentlicht. Für 2024 plante ich, mit June in October ein neues Album herauszubringen – also machte ich mich auf die Suche nach einem passenden Label. Letztlich ist es dann bei Listen Closely erschienen. Im Zuge dessen wurde ich auch gleich gefragt, ob ich nicht beim Verein mitmachen möchte. Es entstehen ja immer wieder neue Initiativen für Festivals und Konzertreihen – und ich bringe mich bei solchen gerne ein. Es ist schön, wenn es schon eine Basis gibt, wenn Wissen vorhanden ist und der Wille spürbar ist, etwas auf die Beine zu stellen.
Ich kann mich erinnern, dass das Festival damals schon zwei Tage dauerte und die Bühne für vor allem Bands aus dem Listen Closely Universum bot. Hat sich an diesem Konzept etwas verändert?
Werner Zangerle: Eigentlich hat sich das Konzept kaum verändert: Das Festival dauert nach wie vor zwei Tage und präsentiert vor allem Bands mit engem Bezug zu Listen Closely, die in jüngerer Vergangenheit etwas auf dem Label veröffentlicht haben – ergänzt durch zwei Carte blanche-Acts.
Judith Ferstl: Wir sind ja alle Musikerinnen und Musiker – und die Idee hinter dem Festival ist, eine Plattform zu schaffen, auf der wir unter anderem auch unsere eigenenBands und Alben präsentieren können. Gerade bei dieser neuen Edition ist es uns ein besonderes Anliegen, uns vorzustellen und zu zeigen, was wir machen. Wir alle haben unterschiedlichste Bands, die sich zum Teil auch personell überschneiden. Es geht uns darum, noch einmal sichtbar zu machen, was alles im Katalog von Listen Closely steckt.
Und ihr bietet auch Newcomer:innen außerhalb der unmittelbaren hoerthoert-Familie die Bühne.
Judith Ferstl: Natürlich wollen wir nicht nur im eigenen Kreis bleiben, sondern durch die Carte blanche auch jungen Musikerinnen und Musikern von außerhalb eine Bühne bieten. Zum Beispiel treten die Bassistin Anna Reisigl und die Sängerin Amina Bouroyen im Rahmen des Festivals erstmals als Duo auf und wagen sich an ein neues Projekt. Auch die Sängerin Elsa Steixner ist dabei – sie wird am zweiten Tag gemeinsam mit dem Pianisten Julian Bazzanella ein Duoprogramm präsentieren. Mit ihrer Band hat sie kürzlich ein Album veröffentlicht, doch in diesem Format möchte sie auch andere musikalische Wege erkunden. Das Festival ist also einerseits eine Plattform für neue musikalische Begegnungen, richtet aber zugleich den Fokus auf die Bands des Labels – denn auch diese verdienen Aufmerksamkeit. In Wien gibt es zwar viele spannende Formationen, aber nur wenige Orte, an denen ihre Musik live zur Geltung kommen kann.

Werner Zangerle: Nicht unerwähnt bleiben darf Didi Kern, der am Samstag zum Abschluss auflegen wird.
Ihr beide werdet mit euren Gruppen Memplex, Little Rosies Kindergarten und June in October auf der Bühne stehen.
Werner Zangerle: Genau. Wir werden auf dem Festival das brandneue Programm von Memplex präsentieren, das natürlich in weiterer Folge, wahrscheinlich 2026, auch als Album erscheinen wird. Neben uns und den beiden bereits erwähnten Carte blanche-Acts treten auch KO·AX und Little Rosies Kindergarten auf. KO·AX stellen ebenfalls ihr neues Programm vor – es wird also spannend zu sehen, wohin sich die Bands weiterentwickelt haben.

Judith Ferstl: Ich finde die Mischung des Festivals schön. Manche Acts bringen etwas völlig Neues, andere haben vielleicht längere Zeit nicht gespielt und treten bei hoerthoert wieder auf – und man darf sie wiederentdecken. Es ist immer spannend Neues auf Festivals zu entdecken, aber ich finde es auch schön, wenn man Bands feiert, die ihren lange über die Zeit gereiften Bandsound zeigen können, ohne eine Premiere liefern zu müssen.
Der Festivalort ist das rhiz am Wiener Gürtel.
Judith Ferstl: Wir sind wirklich froh, das Festival an diesem Ort veranstalten zu können. Es ist ein Raum, der die Hoffnung nährt, auch neues Publikum anzusprechen – Menschen, die vielleicht mit Jazz bisher wenig Berührung hatten, sich aber dennoch dafür interessieren, was in der österreichischen Szene passiert. Ich bin überzeugt, dass es ein viel größeres Jazzpublikum geben könnte – doch leider fehlt es oft an den nötigen Begegnungsmöglichkeiten.
Ich denke, dass das rhiz in dieser Hinsicht genau der richtige Ort ist. Dort findet ja seit einigen Jahren auch der Synesthetic Wednesday statt – das hilft uns, weil dadurch mehr Menschen wissen, dass im rhiz auch Jazz ein Zuhause hat.

Wie sieht es mit der Unterstützung für das Festival aus?
Werner Zangerle: Wir bekommen Unterstützung vom Bund, dem Bezirk und dem SKE-Fonds. Diese Unterstützung ist wirklich enorm wichtig für uns.
Judith Ferstl: Es ist immer so eine Sache: Man beginnt mit der Planung, ohne zu wissen, ob man überhaupt Unterstützung bekommt. Dann geht es los, und plötzlich springt jemand ab – vieles bleibt lange ungewiss. Aber jetzt haben wir die nötige Förderung und wissen, dass wir das Festival wirklich umsetzen können. Natürlich wäre es schön, mehr Budget zur Verfügung zu haben, damit unsere Arbeit auch angemessen honoriert wird. Aber ich denke mir: Wenn alle, die in Wien Musik machen, irgendwo an einer Ecke etwas auf die Beine stellen, entsteht eine vielfältige Plattform, bei der man sich einbringen und auch selbst einmal etwas organisieren kann.
Ich merke immer wieder: Nach unseren Treffen gehe ich mit neuer Energie nach Hause. Als Musikerin oder Musiker arbeitet man oft für sich allein und dreht sich dabei schnell im Kreis – gerade in dieser selbstständigen Tätigkeit. Da ist es unglaublich wertvoll, in einem Kollektiv gemeinsam zu arbeiten und sich gegenseitig zu inspirieren.
Wien ist groß, und es passiert auch viel im Bereich Jazz in der Stadt. Früher hatte ich jedoch das Gefühl, dass viele kleine Jazzinseln isoliert vor sich hinarbeiteten. Mittlerweile scheint es, als hätten sich diese vielen kleinen Inseln zu einer großen zusammengefügt. Ich glaube, dass Festivals wie hoerthoert nicht ganz unbeteiligt daran waren.
Werner Zangerle: Es freut mich wirklich sehr, wenn das so wahrgenommen wird. Als wir damals 2012 begonnen haben, waren besonders die Jazzwerkstatt Wien und Christoph Pepe Auer mit Sessionwork Records mit Label und Festival präsent. Diese Initiativen waren schon vor uns sehr aktiv.

Judith Ferstl: Seit letztem Jahr gibt es auch das Open Jazz Vienna Festival und seit 2023das DE/SEMBLE Festival. Es ist schön zu sehen, dass immer mehr passiert. Ich finde, es ist auch wichtig, dass man sich untereinander abspricht. Toll ist auch, dass Niki Dolp (Mitbegründer des hoerthoert-Festivals; Anm.) bei Open Jazz Vienna mitwirkt. Wir könnten uns aber alle noch viel stärker vernetzen. Mehr Austausch wäre wünschenswert, da gibt es definitiv noch Potenzial. Genau dabei helfen Initiativen wie z.B. dievon Lukas Kranzelbinder organisierten Stammtische („Schurfix“; Anm.).
Es braucht Leute, die Initiative ergreifen. Ich glaube, ich hätte vor zehn Jahren auch wo mitgemacht, wenn es etwas gegeben hätte, wo ich andocken hätte können. Ich denke, es gibt viele junge Leute, die motiviert sind und sich einbringen wollen.
Werner Zangerle: Daher bin ich froh, dass der Verein und das Festival wiederbelebt wurden. Sie bieten eine Plattform, auf der Austausch und gegenseitiges Kennenlernen möglich sind – genau das war von Anfang an der Grundgedanke.
Judith Ferstl: Und genau so habe ich das damals auch wahrgenommen: ein Kreis von Menschen, die mit ihrem Verein, dem Festival und dem Label eine Anlaufstelle für die Szene geschaffen haben – offen für alle, die mitmachen wollen. Inzwischen sind wir ein großartiges Team. Fünf von uns sind aktiv im Kern dabei, darüber hinaus gibt es einen größeren Kreis, der sich ebenfalls engagiert.

Welche Ziele habt ihr euch für die neue Ausgabe gesetzt? Was muss passieren, damit ihr sagen könnt: Die Mühen, das Festival wiederzubeleben, haben sich gelohnt?
Judith Ferstl: Es wäre schön, wenn viele Leute im Publikum etwas Neues für sich entdecken, das sie vorher noch nicht kannten.
Werner Zangerle: Mich würde es besonders freuen, wenn genügend Leute kommen, die dann auch weitersagen, was für ein tolles Festival das war. Aber für mich ist es eigentlich schon ein erster Teilerfolg, dass wir uns wiedergefunden und das Festival neu auf die Beine gestellt haben.
Judith Ferstl: Es ist tatsächlich ein richtiger Neustart – und es fühlt sich auch so an. Ich bin wirklich gespannt, wohin sich das Ganze entwickelt. Ich habe das Gefühl, dass durch das Festival auch das Label neuen Schwung bekommen hat.
Werner Zangerle: Wir haben auch schon eine ganze Reihe von Ideen, was wir abseits des Festivals machen könnten. Unser Wunsch ist, dass das alles einmal richtig ins Rollen kommt.
Herzlichen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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Line-Up:
Freitag 30.5.2025:
- June in October – Judith Ferstl (b, voc), Lucia Leena (voc, synth), Florian Sighartner (vl), Carles Muñoz Camarero (cello)
- Anna Reisigl (b) & Amina Bouroyen (voc)
- Memplex – Mario Rom (tp), Werner Zangerle (sax), Philipp Jagschitz (p), Walter Singer (b), Niki Dolp (dr)
Samstag 31.5.2025:
- KO.AX – Lukas Leitner (p), Walter Singer (b), Lukas Laimer (dr)
- ELSA – Elsa Steixner (voc), Julian Bazzanella (p)
- Little Rosies Kindergarten – Anna Anderluh, Anna Widauer: (voc), Florian Sighartner, Simon Frick (vl), Flora Geißelbrecht (br) Johannes Bankl (tp), Victoria Pfeil (ss, bs), Werner Zangerle (ts), Nikolaus Holler (as) Lukas Leitner (p, keys), Bernhard Hadriga: (git), Philipp Kienberger (b), Judith Schwarz (dr)
- Dj DD Kern
TICKETS für das hoerthoert Festival sind https://ntry.at/hoerthoert erhältlich.
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mica – music austria verlost 2×2 Festivalpässe für das hoerthoert – Festival für Zuhörkultur am 30 und 31. Mai im rhiz (U-Bahnbogen 37, 1080 Wien)
Bei Interesse an dem Festivalpass senden Sie bitte bis zum 27.05.2025 eine E-Mail an office@musicaustria.at mit dem Betreff: „hoerthoert“.
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