HYPERREALITY FESTIVAL 2017

HYPERREALITY lautet der Name des neuen Festivalformates, das im Zuge der diesjährigen Umstrukturierung der WIENER FESTWOCHEN entwickelt wurde. Ein Festival für Clubkultur der anderen Art. Im Zentrum stehen hier vor allem globale Musik-Communitys, die sich über das Internet vernetzen, und unterrepräsentierte musikalische Ausdrucksformen. Die zentrale Idee ist es, den Club als einen Raum zu öffnen, an dem repressive oder ausschließende Mechanismen keinen Platz mehr finden. Die Möglichkeit einer gelebten Utopie und des Diskurses. Von 24. bis 27. Mai 2017 werden im SCHLOSS NEUGEBÄUDE in Simmering über 80 Acts zwischen SOUNDCLOUD-Fame und elektronischer Avantgarde performen. Mit dabei sind Showcases von BALACORE, NON WORLDWIDE, „Principe“, STRUMA + IODINE und GEH20GOH1K, darunter Artists wie MERZBOW, PRINCESS NOKIA, BEATRICE DILLION, TOMASA DEL REAL, CHINO AMOBI, HOLLY HERNDON, RAIME, FAUNA, ASFAST u. v. a. m.

Die Möglichkeiten des Internets haben gerade in jüngster Zeit eine Vielzahl an künstlerischen Stimmen und Communitys gebildet, die sich online vernetzen und dort releasen. World Music 2.0 oder hyperlokale Communitys. „Hyperlokal“ bezeichnet globale Gemeinschaften, die die Limitationen des Lokalen zunehmend überwinden und künstlerisch reflektieren. In Form von global vernetzten Labels und Kunstschaffenden – Communitys auf alternativen Sharing-Plattformen wie etwa Bandcamp und SoundCloud.

Diese virtuellen Communitys verfolgen das Ziel, die zeitgenössische Clubkultur künstlerisch zu überdenken, sich von Zwängen der Distribution und der vorgegebenen Identitätspolitik zu befreien. Es geht darum, die dominierenden Sprachen und Strukturen der westlich orientierten Musikindustrie klar zu adressieren. Das Vokabular der Hierarchie zu unterwandern. Begriffe wie „Nation“ sollen dabei ebenso überdacht werden. Niemand ist ausgeschlossen, denn das Internet lässt jede und jeden herein, zumindest auf den ersten Blick. Sound dient dabei als zentrales Ausdrucksmittel, um diese Inhalte zu verhandeln und zu kommunizieren. Wesentliche Protagonistinnen und Protagonisten wie etwa das Künstlerkollektiv NON Worldwide, verhandeln diese Utopie auch in Form eines digital definierten Staates, des „State of NON“. Eine klare Opposition und der Versuch, auf diese Weise die aktuelle Dance Music durch Sound zu dekolonialisieren und Aufmerksamkeiten sowie reflektierte Perspektiven zu schaffen. Decolonise the Dancefloor.

Exorcise the language of domination

Die Kuratorin Marlene Engel, die sich in den vergangenen Jahren mit ihrer Eventreihe „Bliss“ einen fixen Platz in der österreichischen Club- und Festivallandschaft erkämpft hat, versucht mit dem Hyperreality Festival ebenso wie schon bei den „Bliss“-Bookings, mit festgefahrenen Strukturen und Grenzen grundsätzlich zu brechen. Räume für Musik zu schaffen – außerhalb von Genderaspekten und grundsätzlichen Assimilierungsfaktoren innerhalb der bestehenden Musikszenen. Vielmehr sollen progressive Musik- und Kunstformen gezeigt werden, avancierte Clubmusik an den fernen Mainstreamrändern mit Inhalt. Sie setzt dabei nicht auf das altbewährte Top-down-Prinzip, denn die Labels und Kunstschaffenden bestimmen in Form von individuell konzipierten Showcases selbst, wer bei Hyperreality auftritt. Dadurch entstehen ebenfalls neue Kombinationen und künstlerische Dialoge.

Lokal trifft auf hyperlokal: Hyperreality bildet dabei nicht nur Ausschnitte der globalen Szene ab, sondern eben auch Protagonistinnen und Protagonisten der lokalen Subkultur. KünstlerInnen wie etwa Fauna, Jung an Tagen, Asfast, Forever Traxx und Battle-ax sind mit am Start. Am Samstag, dem 27. Mai, findet auch ein von Shilla Strelkas Struma + Iodine kuratiertes Showcase statt, bei dem Acts wie etwa Merzbow, Balázs Pándi und Keiji Haino am Programm stehen. Daneben Showcases des portugiesischen Labels „Principe“ mit Sounds der Lissaboner Stadtränder, Balacore (der Zusammenschluss aus Staycore und Bala Club) und die New Yorker Veranstaltungsreihe GEH20G0THIC, ebenfalls ein wesentlicher Impuls einer autonomen, jungen Subkultur. Diese zeigen dabei neue künstlerische Perspektiven auf, binäre Strukturen innerhalb der Clubkulturen. Rap trifft dabei auf Noise, futuristischer Reggae-Ton auf Pop und vor allem virtuelle Communitys auf reale Gemeinschaften. Genres spielen hier endlich keine Rolle mehr.

Das Schloss Neugebäude bietet hier einen im Clubkontext paradigmenbefreiten Ort, der die künstlerischen Inhalte und Personen vom virtuellen Raum in die Realität lokal zusammenführt. Der trennende Screen wird nicht mehr gebraucht. Auf über drei Bühnen finden die Performances über vier Nächte lang statt. Das Hyperreality Festival versucht, die Möglichkeit der gelebten Utopie im Club, dabei geht es um uneingeschränkten Spaß am Dancefloor und darum, den Diskurs zu zelebrieren.

Ada Karlbauer

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