mica-Interview mit Niki Dolp (Memplex)

Nun, für echte Jazzpuristen ist „Souvenir“, das Ende 2012 erschienene Album der Band Memplex, vermutlich nicht ganz das Richtige. Denn was die Truppe rund um den Schlagzeuger Niki Dolp musikalisch vollzieht, ist dann doch zu sehr eine bewusste Abkehr von dem, was man überlicherweise unter dem traditionellen Sound des Jazz versteht. Niki Dolp im Gespräch mit Michael Ternai über seine Motivation, Musik zu schaffen, die nicht nur Jazzstudenten anspricht und die Notwendigkeit, sich zu allen Seiten hin offen zu zeigen.

Wie sind Memplex eigentlich entstanden? Und habt ihr schon zu Beginn eine bestimmte Vorstellung gehabt, in welche Richtung es stilistisch gehen sollte?
Naja, das Projekt ist ursprünglich ja schon 20120 entstanden. Ich habe ja in Linz studiert und bin danach gleich für ein Erasmusjahr nach Leipzig gegangen. Als ich wieder zurückgekommen bin, habe ich mich dann für mein Abschlussprojekt an der Uni mit Leuten, die ich von meinem Studium her gekannt habe, zusammengetan. Und das hat so gut funktioniert, dass wir uns eben dazu entschlossen haben, gleich weiterzumachen. Eigentlich war uns schon von Anfang an klar, dass wir eine Form von Jazz machen wollten, den sich nicht nur Jazz-Studenten anhören. Aus diesem Grund haben wir versucht, stilistisch einen Weg zwischen Modern Jazz und Singer-Songwriter Einflüssen zu gehen, was sich eben nun auch im Sound widerspiegelt.

Stimmt. Man hört, dass ihr euch zwar schon im Jazzumfeld bewegt, aber eben auch, dass ihr auch auf andere Stile zurückgreift.

Genau. Ich höre privat ja auch nicht nur Jazz und Avantgarde, sondern auch Popmusik. Und genau darin spiegelt sich vermutlich auch meine Motivation wider, meine Musik stilistisch so breit wie möglich zu gestalten. Ich will mit ihr auch einen größeren Kreis von Menschen ansprechen und nicht nur eine Gruppe von Spezialisten. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich diesen Ansatz nicht nur bei Memplex verfolge, sondern auch mit den anderen Formationen. Arktis Air zum Beispiel, denke ich, hat genauso Potential, vielen Leute zu gefallen, und das obwohl diese Band für einen sehr freien und experimentellen Sound steht.

Vielleicht lässt sich mein musikalisches Verständnis auch darin begründen, dass es mich im Laufe meines Studiums einfach genervt hat, vor immer denselben Leuten zu spielen, was natürlich auch sehr befruchtend war, aber letztlich dann doch den Wunsch erweckt hat, aus diesem engen Rahmen auszubrechen.

Macht diese Offenheit nicht die JazzmusikerInnen deiner Generation eigentlich aus?
Ich denke schon. Ich glaube auch, dass wir an der Linzer Uni, an der ich studiert habe, dieser offene Zugang auch gefördert wird. Was man auch an den MusikerInnen, die eben dort studiert haben, und deren Projekten auch sehr gut hören kann. Und auch bei Memplex liegt die Idee zugrunde, möglichst viele Leute als GastmusikerInnen zu involvieren, die ähnlich offen denken, die gemeinsam Musik schaffen, die eben nicht notwendigerweise immer komplizierter wird, desto besser das Zusammenspiel funktioniert. Wir versuchen die Musik auf das Essentielle herunterzubrechen. Es handelt sich hier ein wenig um einen regressiven Vorgang. Wir filtern aus all dem Angelernten und Angeeigneten genau das heraus, was für uns selbst wichtig erscheint.

Das heißt, du suchst die musikalische Herausforderung in der Reduktion.
Ich kann mir eigentlich nichts Schwereres vorstellen, als wenn jemand versucht, aus nur einer Note einen Song zu erschaffen. Das ist sicher tausend Mal schwieriger, als eine Million Noten zu spielen. Im Grunde ist es so und so illusorisch etwas Neues zu erfinden. Was man aber sehr wohl tun kann, ist, die verschiedenen Musiken und Stile, die einen selbst beeinflussen, in eine neue Form zu bringen. Und das alleine ist ja schon eine große Herausforderung. Aber genau dadurch bleibt die ganze Sache aber auch immer spannend.

Wie lang habt ihr an den Stücken gearbeitet. Wie sind sie eigentlich entstanden?
Es hat eigentlich jeder eigene Stücke mitgebracht und auch genau für diese Besetzung geschrieben. Bis sie aber wirklich fertig waren, das hat schon länger gedauert, auch weil wir alle in anderen Projekten sehr aktiv tätig sind. Wir haben nicht wirklich die Gelegenheit gehabt, uns jede Woche zu treffen. Mario (Rom) spielt ja in vielen anderen Bands, genauso wie auch Werner (Zangerle) und Walter (Singer), und David (Six) ist im Moment überhaupt in Berlin. Es war gar nicht mal so einfach. Aber über die Zeit hat es doch geklappt. Was mir an dieser Formation besonders gefällt, ist, dass, auch wenn man sich nicht regelmäßig sieht, dann doch alle komponieren und beim Schreiben von Stücken immer die Band denken.

Ihr versteht Memplex also inzwischen als richtige Band und nicht nur als ein Projekt unter vielen.
Ja genau. Es hat zwar jeder viele andere Projekte und Betätigungsfelder, aber in dieser Band treffen wir uns. Und ich habe mir fest vorgenommen, alles zu tun, diese auch zusammenzuhalten. Auch weil, wie ich schon vorher erwähnt habe, musikalisch doch alle gleich viel involviert sind.

Wie sieht eigentlich dein persönlicher musikalischer Werdegang aus. Wie bis du zum Jazz gekommen?
Ich bin eigentlich schon relativ früh während dem Schlagzeug lernen zum Jazz gekommen. Mein Vater wollte mir einmal eine CD kaufen auf der besonders das Schlagzeug präsent sein sollte. Er fragte im Musikladen nach und erhielt vom Verkäufer die Antwort, dies wäre besonders im Jazz der Fall. Ja und eine solche CD habe ich dann bekommen. Es handelte sich um eine Compilation von den größten Schlagzeugern der Jazzgeschichte. Von da an war ich schließlich vom Jazz infiziert.

Aber doch hast du, zu diesem Schluss kann man kommen, hört man sich deine CDs an, auch andere Genres gehört. Oder irre ich mich da?
Ja, eigentlich schon. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich eigentlich kein Radio gehört habe und mir doch lange Zeit vorwiegend Jazz gegeben habe. Auf die Pop- oder Rockmusik bin ich im Grunde genommen viel, viel später gestoßen. Ich habe zum Beispiel viel früher Art Blakey gekannt als Jim Morisson.

Was auch auffällt ist, dass ihr so etwas wie Berührungsangst zu anderen Stile scheinbar überhaupt nicht kennt.
Ich persönlich glaube, dass es schon wichtig ist, in der Musik keine Berührungsangst zu zeigen. Aber es gibt natürlich auch Leute, die diese haben und trotzdem sehr spannende Musik machen. Ich denke, es hat viel mit der Situation an den Universitäten zu tun. Gerade in Bereichen wie Jazz. Man ist in einer Gruppe von Spezialisten und entwickelt selbst einen gewissen Ehrgeiz, die Komplexität der Musik zu erfahren. Was ja auch vollkommen okay ist. Nur wird es für viele dann irgendwie uncool, Gefallen an einfachen Sachen zu finden. Dass etwa ein C-Dur Dreiklang auch schön ist.

Es handelt sich hier vermutlich ein Problem von Intellektualisierung. Im Grunde steckt ja in allem Schönen, Guten und Spannenden Intellekt. Und das vollkommen unabhängig vom Komplexitätsgrad. Ich glaube, die spannenden Musiker zeigen in der Regel eh wenig Berührungsangst. Ein Charlie Parker war auch ein riesen Strawinsky-Verehrer. Die meisten Jazzer der damaligen Zeit haben sich mit dieser Musik auseinandergesetzt. In den siebziger Jahren haben sie sich dem Rock angenähert und damit eine Erneuerung eingeleitet. Und, und, und. Drum n `Bass oder Hip Hop sind auch aus einer Art Erneuerung entstanden, und eine solche kann nur stattfinden, wenn man Grenzen aufbricht, und nicht, wenn man sich alleine mit dem Reproduzieren begnügt.

Die österreichische Jazzszene zeigt sich im Moment ja so lebendig und vielfältig wie vielleicht noch nie zuvor. Fast wöchentlich erscheint ein wirklich starkes Jazzalbum, die Konzerte erfreuen sich einer immer großer werdenden Beliebtheit, und, und, und. Hast du das Gefühl, dass sich diese breite Qualität des heimischen Jazz auch außerhalb Österreichs wahrgenommen wird und es leichter ist, sich im Ausland einen Namen zu machen?
Wir versuchen ja mit Listen Closely, dem Label von Werner Zangerle, in diese Richtung zu arbeiten. Aber es ist nicht leicht. Ich war ja ein Jahr in Leipzig. Und ja, die Wiener Szene ist dort auch anerkannt. Aber ich glaube, es ist viel leichter, sich von Deutschland aus nach Österreich einen Namen zu machen als umgekehrt. Trotzdem denke ich, dass sich da in Zukunft schon etwas ändern wird, dass eben die Jazzwerkstatt Wien, Listen Closely und ähnliche Zusammenschlüsse von MusikerInnen irgendwann doch die Wiener Szene nach außen hin, sprich international, darstellen werden.

Blickt man nicht so weit in die Ferne, sondern betrachtet alleine nur die Entwicklung in Wien, so lässt sich doch auch eine Art Aufbruchstimmung festmachen. Nur als Beispiel. Die wöchentlich im mica stattfindende und vom Verein Freifeld organisierte Freistunde lockt immer mehr und vor allem junge BesucherInnen. Das zeigt doch, dass doch irgendetwas im Entstehen ist.
Ich bin erst zwei Jahre in Wien. Aber den Eindruck, den ich gewonnen habe, ist, dass es sich in Sachen Jazz um eine sehr lebendige Stadt handelt. Es passiert hier schon sehr viel. Und das vor allem durch viel Eigeninitiative. Ich denke, dass wir durch unser Engagement auch viele unserer Bekannten und Freunde, die sonst eher wenig mit Jazz zu tun haben, mitreißen. Und die tun das bei anderen. Es wäre natürlich auch wünschenswert, wenn Jazz auch in den breiten Medien viel mehr vorkommen würde. Das würde natürlich einen weiteren Kick geben.

Wie sieht es mit den Plänen für die Zukunft aus. Seid ihr schon am Schreiben neuer Sachen. Werdet ihr viele Konzerte spielen?

Also wir sind eigentlich alle wieder am Schreiben neuer Stücke. Ich finde es ja total spannend, wenn man einmal einen Pool an 20 Nummern zusammen hat, aus denen man wählen kann. Aber jetzt wir schauen einmal, dass wir dieses Jahr Gigs spielen. Bislang sind einmal sieben fixiert und wir hoffen natürlich, dass es noch mehr werden. Es geht jetzt vor allem darum, die CD unter die Leute zu bringen.

Danke für das Interview

 

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