Porträt: Einklang Records

39 CDs in elf Jahren sind für ein Label, das sich der experimentellen Klangkunst verschrieben hat, eine ganze Menge. Höchste Zeit, der künstlerischen Erfolgsgeschichte von Einklang Records auf den Grund zu gehen.

Anton Webern und die Kommunikation

Das Komponistenforum Mittersill als Veranstalter (oder besser: Ermöglicher) und Einklang Records als Label stellen sich heute als eng miteinander verzahntes Gebilde aus Veranstaltung und Label dar. Zuerst allerdings wurde das Forum (kurz: KOFOMI) ins Leben gerufen: Die Gründung des Komponistenforums im Jahr 1996 geht auf die tragische Lebensgeschichte Anton Webern, der 1945 in Mittersill  unter tragischen Umständen ums Leben kam, zurück. Schon ein Jahr zuvor, 1995, hatte der Komponist und bildende Künstler Wolfgang Seierl in der Salzburger Ortschaft eine Webern-Gedenkveranstaltung ins Leben gerufen, während der sich bei ihm das untrügliche Gefühl einschlich, auf dieser Ebene müsse noch mehr passieren – der Auftakt für das Komponistenforum, das heuer bereits in seine vierzehnte Runde geht.

Das Komponistenforum von seiner Gründungsidee her aber auf eine Gedenkveranstaltung zu reduzieren, griffe bei weitem zu kurz. Neben dem Wunsch des Webern-Gedenkens war es, beschreibt Seierl, nämlich vor allem die Gewissheit, dass es zwischen Musikern und Komponisten zu wenig Austausch gibt, die ihn drängte, tätig zu werden. Im Vergleich etwa zu den bildenden Künsten, die Seierl als produzierendem Künstler stets als Vergleichsobjekt dienten, ortete er da ein gewaltiges Defizit. Nicht nur nach dem Konzert bei einem beiläufigen Gespräch, sondern intensiver, “symposium-artig” sollten die Zusammenkünfte zwischen Musikern, Komponisten und Zuhörern sein. “Vor allem sollte es immer auch die Möglichkeit geben, mit dem Publikum zu experimentieren, die erste Ebene der Wertschöpfungskette auszutesten: vom Komponisten über den Musiker bis hin zum Zuhörer mit den Kommunikations-Schemata zu experimentieren”, erzählt Seierl.

So lud man zunächst Komponisten aus dem Umland von Mittersill ein, Stücke zu schreiben und aufzuführen. Allmählich aber weitete sich der Wirkungskreis aus. Selbst heute aber, nach mehr als einem Jahrzehnt der Zusammenkünfte, betrachtet man sich noch immer nicht als Festival im klassischen Sinne.

Offener Raum, offenes Publikum

Wolfgang Seierl umschreibt sein Zielpublikum so: “Es ist nicht angedacht, dass Leute aus Salzburg, Wien und Innsbruck anreisen, um unsere Veranstaltungen zu besuchen. Natürlich passiert das, aber nur ganz punktuell, wenn sich jemand speziell für ein Stück oder einen Komponisten interessiert. Darüber freuen wir uns natürlich, aber eigentlich geht es uns um die Mittersiller, die nicht drei Mal im Monat in einen Konzertzyklus mit Wiener Klassik zugeschüttet werden. Für die sind wir in erster Linie da.”
Verengt sich da, setzt man voraus, dass der Zuhörer, um sich auf Musik dieser Art einzulassen, gebildet sein muss und ein gewisses Maß an Offenheit mitbringen sollte, der Adressatenkreis in einer 5000-Seelen-Gemeinde nicht doch recht dramatisch? “Nein!” ist sich Seierl sicher. Eine gewisse Grenze an Leuten, die sich für eine solche Musik öffnen wollen, sei in einem solch kleinen Ort wie Mittersill zwar schnell erreicht, dafür kämen Jahr für Jahr immer wieder neue dazu.

Seierls Rechnung ist so einfach wie plausibel: “Auf die Bevölkerung hochgerechnet sind vierzig, fünfzig Leute bei einem Konzert in Mittersill mehr als eine volle Schmiede oder ein halbvoller Mozartsaal in Wien.”

Was also auf den ersten Blick wie das Idealbild eine unbedarften, aber dennoch aufmerksamen Zuhörers aussah, den es in Wahrheit nicht gibt, hielt bisher einer Überprüfung in der Realität felsenfest stand: Der offene Raum des Komponistenforums wird angenommen, die Besucher genießen es, beim Aufeinanderprallen verschiedenster Kompositionsmuster und Hörgewohnheiten in der ersten Reihe zu stehen.

Die Skepsis dem Forum gegenüber habe laut Seierl sich von Anbeginn an in Grenzen gehalten. “Der Grundtenor war immer sehr positiv. Natürlich gab es immer wieder Diskussionen und Konflikte, die es in einem Ort, wo auch die örtliche Blasmusik ums Überleben kämpft, immer geben wird.” All diese Reibungen aber überstand man unbeschadet. Die Angst, dass etwas verdrängt wird, weil das andere zu groß wird, ist einem Miteinander gewichen. Heute ist das Komponistenforum anerkannt, hat sich den Ruf einer beständigen Einrichtung erworben – Resultat einer gewissen Zähigkeit und Abbild ernsthaften Strebens.

Dokumentation, Beachtung, Remix

Wie aber mündete das Forum in die Gründung eines Plattenlabels? In dem Maße, in dem das Komponistenforum sein Wirkungsfeld verbreiterte, wuchs auch das Bedürfnis nach Dokumentation. “Die Aufführungen wurden von Anbeginn an mitgeschnitten und nach dem dritten Forum haben wir gedacht, eigentlich ist schon so viel Interessantes zusammen gekommen, dass es das Material absolut wert wäre, veröffentlich zu werden.” Der erste Schritt in Richtung Label war damit getan. Schon bald merkten Seierl und sein Partner, der Musikwissenschaftler Christian Heindl, dass man nicht nur dokumentieren, sondern auch Beachtung generieren müsse und so begann zusätzlich zur Dokumentation auch andere Veröffentlichungen zu forcieren.

Diese beiden Schienen, die es heute immer noch gibt, einerseits Dokumentation des Komponistenforums und andererseits Beleuchtung österreichischer Musik, die sonst aufgrund ihrer speziellen Art kein Gehör finden würde, wurde jüngst noch durch eine dritte ergänzt: den Remix. Diese zwischen Pop-Kultur und Elektronik beheimatete Form der Bearbeitung wurde für die eigenen Zwecke adaptiert, um mit dem vorhandenen Material weiter zu arbeiten, ständig in Bewegung zu bleiben.
Markus Deisenberger

 

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