mica-Interview mit Franz Koglmann

Als Auftragswerk von netzzeit gelangt am 8. Mai 2013 im Rahmen der Wiener Festwochen im MuseumsQuartier Franz Koglmanns und Alfred Zellingers JOIN! zur Uraufführung. Der Komponist der Oper im Interview mit Christian Heindl.

Franz Koglmann, mit einiger Spannung darf man die Uraufführung von JOIN! erwarten, Ihre erste kompositorische Auseinandersetzung mit dem Bereich Oper?

Franz Koglmann: Meine erste Oper Fear Death By Water wurde 2003 als Produktion von netzzeit unter der Regie von Michael Scheidl uraufgeführt. Christian Baier hatte dafür nach T. S. Eliots berühmtem Gedicht „The Waste Land“ das Libretto verfasst. Den Mitschnitt der Uraufführung gibt es auf CD (between
the lines 034).

Sie waren schon in frühen Jahren insbesondere als Jazzer bekannt. Wie standen Sie da bzw. einfach als Musikrezipient zur Oper im Allgemeinen?

Franz Koglmann: Ich habe ja nicht als Jazzer begonnen, sondern ganz „normal“ Musik studiert, der Jazz kam dann hinzu, wenngleich ich ihm als Hörender schon früh verbunden war. Mein erstes kindliches Opernerlebnis war ein Doppelabend: Henry Purcells „Dido und Aeneas“ kombiniert mit Igor Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“. Ich hatte sofort Feuer gefangen und bald darauf für Singstimmen geschrieben, was ich auch später immer wieder tat. Zur ersten realisierten Oper kam es – nach vielen gescheiterten Plänen – relativ spät. Jazzer und Opernkomponist ist ja auch eine seltsame Kombination – aber in unserer genreübergreifenden Zeit vielleicht auch wieder nicht.

Worin bestand für Sie der Reiz  an Alfred Zellingers Stück 1990 aufgeführtes Stück „Spiel der Konzerne“?

Franz Koglmann: JOIN! hat seine Ursache darin, dass ich das Bedürfnis verspürte, eine Komödie zu komponieren. Die meisten modernen Opern sind ja sehr ernst – auch meine eigene. Ich wollte das Gegenteil versuchen, weil ich dies als besondere Herausforderung empfand. Es sollte eine Komödie werden, die sich mit Elementen des Jazz gut verträgt ohne ins Musicalgenre zu kippen. Zufällig kam mir Alfred Zellingers Theaterstück „Spiel der Konzerne“ in die Hände, die seinerzeitige Aufführung hatte ich versäumt. Das Stück animierte mich dermaßen, dass ich Zellinger fragte, ob er nicht Lust hätte, für mich eine Fortsetzung als Libretto zu schreiben. Erfreulicherweise sagte er zu, und daraus entstand in Kooperation mit netzzeit das dreiaktige Stück JOIN!

Das Stück, das sich mit den Gepflogenheiten, auch Intrigen und Affären in einem modernen Wirtschaftskonzern befasst, ist fast ein Vierteljahrhundert alt. Ist darin dennoch eine direkte Verbindung zu den uns heute aktuell beschäftigenden Themen – Wirtschaftskrise, Spekulationsverluste, Staatsbankrotte … –  gegeben oder wurde das ursprüngliche Stück entsprechend adaptiert?

Franz Koglmann: Auf Grund der aktuellen Geschehnisse wird man JOIN! vielleicht als Oper zur Krise interpretieren. Selbstverständlich ist es ein Reflex auf die Gesellschaft in der wir leben, schließlich muss sich die Gegenwart in meiner Arbeit spiegeln, daraus entsteht mein Sound. Zuvorderst ist JOIN! jedoch ein Reaktion auf die für unsere Zeit so typische Marketing-Welt, in der wir ja alle befangen sind. Auch geht es um einen ins Gehirn implantierten Computerchip, wobei uns die Realität wahrscheinlich schon
eingeholt hat. Es ist aber kein bedeutungsschweres Lehrstück, es wird keine Botschaft vermittelt, keine Gesinnungshuberei betrieben. Alles soll leicht und artifiziell sein. Gesellschaftspolitische- und sonstige Gedanken soll sich der geschätzte Rezipient selber machen. Ich habe kein politisches
Manifest vertont.

Darf man sich einen eher ironischen oder ernst-authentischen Umgang mit dem Thema erwarten?

Franz Koglmann: Ich würde sagen beides. Einer der Gründe, dass mich Zellingers Stück gereizt hat, war, dass es mich atmosphärisch an meine Frankfurter Zeit als künstlerischer Leiter des CD Labels between the lines erinnert hat. Dieses Label wurde von der Deutschen Structured Finance betrieben, und irgendwie kam mir im „Spiel der Konzerne“ alles bekannt vor, auch wenn es von Zellinger überspitzt und karikiert wurde. Insofern ist der Umgang mit dem Thema authentisch. Aber gleichzeitig hat er was ironisch-augenzwinkerndes. Zellingers Texte lassen mich oft an die legendären Pop Art-Comics von Roy Lichtenstein denken. Die Welt des Marketings wird in JOIN! verknappt-ironisch, auch ein bisschen surreal, auf die Postpostmoderne Bühne gehievt.

In früheren Bemerkungen zu JOIN! haben sie den Begriff „wumstichige Komödie“ verwendet. Kann man sich das in etwa so vorstellen, dass dem Zuhörer dabei das Lachen im Hals steckenbleibt?

Franz Koglmann: Es ist halt keine Komödie die so ganz simpel geschmiert hineingeht. Es gibt schon Brechungen, die einem im Hals stecken bleiben könnten.

Wir haben das groß zelebrierte Wagner- und Verdi-Jahr. Halten Sie sich an die traditionelle Vorstellung von Oper im Gegensatz etwa zu einer Art Revue, Musikshow etc.?

Franz Koglmann: Ich habe mich an keine bestimmten Vorstellungen gehalten. Im Gegenteil, ich wollte eine Konvention durchbrechen, nämlich dass zeitgenössische Oper an das, was man „Neue Musik“ nennt, gekoppelt sein muss. JOIN! Ist ein hybrides Gebilde, ich habe Einflüsse aus Jazz, Pop, Latin, Jingle-Sound, aber auch die Wiener „Sentimentalität“ eines Berg und Krenek verarbeitet. Unterm Strich hat es vielleicht mehr mit einer Revue als mit einer „zeitgenössischen“ Oper zu tun.

Über welchen Zeitraum hat sich Ihre Arbeit an JOIN! erstreckt?

Franz Koglmann: Etwa zwei Jahre, allerdings von Konzerten, auch von kleineren Kompositionsarbeiten, unterbrochen.

Ist JOIN! Ihre bislang größte Arbeit und lag in der Dimension eine besondere Herausforderung?

Franz Koglmann: Ich habe schon mehrfach größere Werke geschrieben, neben der erwähnten Oper Fear Death By Water, etwa die Ezra Pound-Kante O Moon My Pin Up u. a. Die Dimension ist für mich kein Problem. Außerdem hat JOIN! Ja keine „Meistersinger“-Länge, es handelt sich eher um die Länge einer Billy Wilder-Komödie.

Gab es während der Vertonung größere Eingriffe in den ursprünglichen Libretto-Text? Haben Sie selbst vorher oder während der Kompositionsphase den Text beeinflusst oder mitgestaltet?

Franz Koglmann: Mitgestaltet ist zu viel gesagt, das JOIN!-Libretto entstand aber großteils parallel zur Musik. Während dieser zwei Jahre haben wir wöchentlich den Fortgang diskutiert. Alfred hörte auch die jeweils neuen Teile bei mir am Computer, sicher ließ er sich auch von der Musik inspirieren. Umgekehrt konnte ich ihm gewisse Anregungen, etwa für eine Szene zum Thema Kunstsponsoring vermitteln. Ansonsten hatte ich nur die für einen Komponisten typischen Änderungswünsche betreffend einzelner Worte und Silben. Zellingers Libretto ist zum Teil sehr songhaft verfasst, diese Szenen haben sich quasi von selbst vertont.

Sie sind als jener Typ Musiker/Komponist bekannt, dem man mangels einer genaueren Definition lange Zeit das Etikett „Crossover“ umgehängt hat – im Bereich von Jazz und Elektronik ebenso zu Hause, wie für den klassischen Konzertsaal (die immer noch so genannte E-Musik) aufgeschlossen. Kann man sich die Oper JOIN! als eine Synthese der verschiedensten Bereiche vorstellen oder wird sie konkret in eine „Richtung“ gehen?  

Franz Koglmann: Synthese ist sicher der treffendere Begriff. Es gibt in diesem Stück trotz einiger Ars Nova-Rückgriffe keinen „hochkulturellen“ Tonfall, trotzdem ist es eine Oper. Das Changieren zwischen E und U spielt eine nicht unwesentliche Rolle, ich möchte aber auch auf außermusikalische Einflüsse hinweisen: Frank Gehrys Architekturskizzen waren mir bei der Erstellung der Melodielinien sehr hilfreich, und die distanzierte Arroganz der Bilderwelt von Alex Katz, die ja für unsere Figuren nicht gerade untypisch ist, führte geradewegs zur Coolness von Katz‘ Lieblingsmusiker Stan Getz.

Wie kann man sich die formale Herangehensweise vorstellen? Gibt es ein musikalisches Grundgerüst oder ist die Partitur eher als „improvisatorische“ Entwicklung angelegt?

Franz Koglmann: Es gibt ein zentrales Motiv, das an den Startsound eines Computers erinnert. Dieses Motiv zieht sich in vielerlei Gestalt durch das Stück. Ansonsten vermied ich jede Art von Gerüst, schrieb auch nicht
chronologisch, sondern mal da, mal dort.

Werden verschiedene Charaktere mit spezifisch unterschiedlicher Musik unterlegt (also z. B. ein Alban Berg-Typus, ein Cole Porter-Typus, ein Lady Gaga-Typus)?

Franz Koglmann: Nein, die unterschiedlichen musikalischen Charakteristika sind Szenen, aber nicht Personen zugeeignet. In zwei Fällen kommt es vor, dass sich ein musikalischer Gestus in einem zweiten Song der Person mehr oder weniger wiederholt.

Verwenden Sie eine klassische Sänger-/Instrumentalbesetzung oder werden auch spezifische Instrumente z. B. aus dem Jazz oder Elektronik vorkommen?

Franz Koglmann: Wir haben bei den Sängern einen wie ich meine hochinteressanten Mix aus „klassischen“ Sängern wie Katja Reichert mit Sängern aus dem Musicalbereich wie Max Niemeyer. Das hat natürlich mit den Figuren zu tun, Michael Scheidl und ich haben da lange herumgeknobelt. Das Orchester ist im Grunde sehr klassisch besetzt. Streichquintett, plus alle Bläser (einfach), plus Klavier, Schlagzeug, Percussion inklusive Vibraphon. Dazu kommen E-Gitarre, und ich selber als Jazzmusiker. Auch der Kontrabassist Peter Herbert ist ein prominenter Jazzmusiker, Tubist Raoul Herget ist beides und seit langem meinen musikalischen Aktivitäten verbunden.

Ist die Auswahl der Interpreten durch netzzeit erfolgt oder hatten Sie gewichtige Mitsprache?

Franz Koglmann: Die Auswahl der Interpreten erfolgte durch Michael Scheidl und mich. Ich schätze mich außerdem glücklich, die beiden Dirigenten Koen Schoots und Carsten Paap – eher zufällig – für diese Arbeit gefunden zu haben.

Agieren sie bei der Produktion auch im Bereich Regie/Bühne mit?

Franz Koglmann: Der Bereich Regie/Bühne gehört ausschließlich Nora und Michael Scheidl, sowie dem Choreografen Florian Hurler!

Bei all Ihrer Routine und Souveränität: Bleibt trotzdem so etwas wie Lampenfieber?

Franz Koglmann: Ich bin jetzt noch nicht nervös, war in letzter Zeit auch durch Konzerte abgelenkt. Ich freue mich aber sehr auf die Probenarbeit, die ja sowieso immer das Schönste ist. Vor der Premiere wird natürlich das Lampenfieber hochkommen, keine Frage.

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