„Aus paradoxen Klängen wird mitunter etwas Wertvolles und Reales“- Der Komponist Peter Engl hat eine umfassende Ausbildung und experimentiert lustvoll

Peter Engl ist als Berufsmusiker als Klarinettist, Musikschullehrer, Dirigent und Komponist in mehreren Arbeitsbereichen tätig. Schon als Jugendlicher hat er mit Synthesizern experimentiert und Erfahrungen gesammelt. Das Klarinettenstudium am Landeskonservatorium Feldkirch führte ihn zunächst nach Vorarlberg. Seine Unterrichtstätigkeit sowie Studienlehrgänge zur Filmmusik und Audiodesign haben den in Hall im Tirol geborenen Musiker auch mit der Schweiz in Kontakt gebracht. Anschließend begann er ein Kompositionsstudium bei Herbert Willi. Mit seiner Familie lebt Peter Engl in Meiningen in Vorarlberg. Er hat bereits zahlreiche Kammermusik- und Orchesterwerke komponiert. Besonderes Interesse findet er an Instrumentenkombinationen, die ihm außergewöhnliche Klangfarbenspiele ermöglichen. Als Dirigent der Stadtmusik Bludenz widmet er sich der traditionellen Blasmusikliteratur auf hohem Niveau, gleichzeitig ist er im musikalischen Vorstand und als Musiker beim Sinfonischen Blasorchesters Vorarlberg tätig. Im Gespräch mit Silvia Thurner erzählt der Komponist über seinen Werdegang, berichtet über Soundexperimente mit Synthesizer, Computer und traditionellen Instrumenten. Kompositorische Leitgedanken kommen zur Sprache und er erklärt seine Prioritäten bei der musikpädagogischen Arbeit.

Wo liegen deine musikalischen Wurzeln?

Peter Engl: Ich bin in einfachen Verhältnissen in einem kleinen Dorf aufgewachsen, dort war die Blasmusik sehr präsent. Zuerst habe ich Akkordeon gespielt, aber bald die Klarinette lieben gelernt. Dieses Instrument hat viel mit Eigeninitiative zu tun, weil die Atmung ein wichtiger Bestandteil und Körpereinsatz gefragt ist. Als Jugendlicher war ich bei der Militärmusik und habe am Landeskonservatorium in Innsbruck unter anderem die Fächer Gehörbildung und Tonsatz belegt. Daneben habe ich viel mit synthetischen Klängen am Synthesizer experimentiert.

Fasziniert von elektronischen Klängen

Peter Engl: Alles was mit New Age zu tun hatte, wie Vangelis, Kitaro, Kraftwerk oder Jean Michell Jarre, hat mich extrem gereizt. Diese Art der Musik war vollkommen etwas anders, als alles andere, das ich in meinem Umfeld gehört habe. Diese Musik war weniger greifbar und mehr intellektuell, man musste darüber nachdenken, um die internen Strukturen zu erkennen. Das wollte ich selbst ausprobieren und so haben die ersten kompositorischen Schritte begonnen. Ich habe relativ viele Sounds auch selbst programmiert. Die fehlerhafte Technik damals hat mitgeholfen, dass Neues entstehen konnte.

In Schaffhausen hast du Schwerpunkt Filmmusik studiert. Was hat dich bewogen, dich diesem Genre zuzuwenden?

Peter Engl: Filmmusik ist die Steuerung von Gefühlen, damit kann man Massen lenken. Mit Filmmusik ist jeder ansprechbar, ob er einen intellektuell hohen Stand hat oder ein einfacher Mensch ist, weil sie im Unterbewusstsein wirkt. Diese Mechanismen wollte ich kennen lernen.

Instrumentale und elektronische Musik zueinander in Beziehung setzen

Zum Abschluss deines Audiodesignstudiums hast du das Werk „Dreck“ ein Special für Solo-Klarinette, gestimmten Staubsauger, WC-Spülung, Streichorchester und Jazzcombo komponiert. Was hast du im Rahmen dieses Studiums im Umgang mit außergewöhnlichen Klangquellen gelernt?

Peter Engl: Ein Audiodesigner arbeitet in etwa wie ein virtueller Tontechniker, zusätzlich steckt ein kreatives Element drinnen. Man spielt mit Sounds, verfärbt und verändert sie, so dass neue Klangsituationen entstehen. „Dreck“ war die Abschlussarbeit zum Audiodesignstudium. Die Aufgabenstellung lautete, elektronische Musik mit Samples, also externen Aufnehmen, und Instrumentalmusik zusammen zu schließen. Die Ausgangssituation für dieses Werk ist ein bisschen grotesk, das erklärt auch den Titel.

Ich experimentiere mit großer Lust und probiere ungewöhnliche Sachen aus. Was passiert beispielsweise, wenn ich einen Staubsaugerschlauch in ein Fagott stecke? Das klingt zuerst belustigend, aber aus dem paradoxen wird mitunter etwas Wertvolles und Reales.

Mir ist in meinen Kompositionen wichtig, die elektronische mit der instrumentalen Ebene in Verbindung zu setzen und zwar so, dass sie nicht nebeneinander stehen, sondern ineinander greifen. Das habe ich in meinen unterschiedlichen Studienfächern gelernt, egal ob es für ein Ensemblestück ist oder für symphonisches Blasorchester.

Inwiefern ergänzt das Kompositionsstudium bei Herbert Willi deine bisherige Ausbildung?

Peter Engl: Ich bin froh, dass ich das Studium bei Herbert Willi mache und alsbald abschließe. Er ist ein sehr starker Initiator, indem er mich unter anderem motiviert, bestimmte Instrumente einfach selbst auszuprobieren. So habe ich beispielsweise ein Violoncello ausgeliehen und unterschiedliche Spieltechniken gelernt. Das ist sehr hilfreich, man bekommt ein ganz anderes Gespür für das, was möglich ist. Gewisse Grenzen gibt es, das muss man sich schon zugestehen. Durch einen naiven Zugang können Dinge entstehen, die sonst jedoch nicht entstehen würden.

Aus dem Vollen schöpfen

Improvisierst du beim Komponieren?

Peter Engl: In diesem Sinne ist Komposition bei mir nur Improvisation. Ich setze mich hin und schreibe und beim Schreiben experimentiere ich. Ich bin wie ein Fass, das hoffentlich nie aufhört sich zu leeren. Ich greife hinein, nehme ein Element heraus und spiele damit herum. Ich lasse mich vom Moment leiten und das Eine ergibt das Andere. Das Wissen über die Interpreten fließt dabei als Impulsgeber für Ideen ein.

Was sind deine Inspirationsquellen?

Peter Engl: Ich sehe oft optische Szenerien, die in Bewegung sind. Musik ist Fluss, das ist extrem wichtig für mich. Ich versuche die Bilder nachzuvollziehen mit den Mitteln, die ich mir selbst gebe. Musik muss immer im Fluss sein, das kann man aber mit jeglicher Situation bewirken. Auch mit einem Klang, der im Raum steht, weil er den Raum färbt und Farben sind ständig in Bewegung.

Immer wieder bestimmen auch tänzerisch rhythmische Felder deine Werke. Was hat es damit auf sich?

Peter Engl: Musikalisch bildet Igor Strawinsky einen Faden in meinen Werken. In seiner jungen Schaffenszeit hat er viel mit Rhythmus experimentiert. Strawinsky ist ein rein ideologisches Vorbild, zu Beginn habe ich viel mit derartigen rhythmischen Strukturen gearbeitet, das lege ich jetzt aber immer mehr ab. Strawinsky hat Tanz entstehen lassen, es ist eine Bewegung, die in sich ständig rund läuft, aber mit verschiedenen Größen, das ist faszinierend.

Wo neue Kompositionstechniken ansetzen

Welche Intentionen verfolgst du im Hinblick auf die Instrumentation und den Einsatz der Klangfarben?

Peter Engl: Alles war ‚kurios’ ist, interessiert mich. In meinem neuen Werk „Nachtfalter“ spielen Flöte, Klarinette, Mezzosopran, Viola und Kontrabass. Das ist nicht unbedingt eine Standartbesetzung, ganz bewusst wollte ich nichts Homogenes haben. Darin liegt ein großer Anreiz, so kann ich mit Klangfarben arbeiten. Jedes Instrument hat einen klassischen Klangcharakter, das ist klar. Aber darüber hinaus gibt es einen Klangcharakter, den ich nur mit neuartigen spieltechnischen Mitteln erzeugen kann. Genau hier kann die zeitgenössische Kompositionstechnik ansetzen, finde ich.

Komponierst du stets im Auftrag von MusikerInnen oder schreibst du auch aus einem inneren Antrieb heraus?

Peter Engl: Ich habe in den vergangenen sechs Jahren das große Glück, immer wieder Kompositionsaufträge zu haben. Aber ich bringe auch nicht jeden Monat ein neues Werk heraus. Ich nehme mir die Zeit, ein Werk über eine längere Phase hinweg entstehen zu lassen.

Musik ist mehr als Freizeitbeschäftigung und Unterhaltung

Welche Gedanken sind dir im Hinblick auf deine pädagogische Tätigkeit wichtig?

Peter Engl: Ich möchte Kindern und Jugendlichen auf spielerische Weise vermitteln, dass Musik mehr ist als Unterhaltung. Musik ist nicht einfach eine Freizeitbeschäftigung, sie ist einer der tragenden Elemente im Leben. Da meine ich nicht die Berieselung, sondern Bewegung ist Musik. Bei uns Bläsern läuft alles über die Atmung. Atmen heißt positive Energie aufnehmen, als Bläser hauche ich dem Instrument Leben ein, das ist ein Geben und Nehmen im positiven Sinne.

Danke für das Gespräch.

Dieses Interview ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, April 3/2011, S. 52f. erschienen.

Factbox:
Freitag, 20. Mai. „Nachtfalter“ UA mit dem Ensemble Plus, ORF Landesstudio Dornbirn, im Rahmen der Langen Nacht der Neuen Musik in Vorarlberg, ab 22 Uhr

 

http://www.musikdokumentation-vorarlberg.at