Zwischen Musik und Literatur – ALFRED GOUBRAN im mica-Porträt

ALFRED GOUBRAN ist eine Wundertüte. Stets für eine Überraschung gut. Vielleicht teilt er auch nur das Los aller Mehrfach-Begabten und ist in verschiedensten Feldern erfolgreich unterwegs: einst als Verlagsbetreiber (edition selene), der unter anderem Bücher von FRANZOBEL. GRISSEMANN & STERMANN und MARLENE STREERUWITZ veröffentlicht hat, immer als Schreibender, seit einigen Jahren als Singer und Songwriter – der ursprünglich aus Kärnten stammende GOUBRAN besticht durch die Vielfältigkeit und Qualität seines Outputs.

Musik und Literatur sind zwei Konstanten in Goubrans Wirken. Auf musikalischer Ebene gab es bei Auftritten bereits Zusammenarbeiten mit Ángela Tröndle oder mit Lukas Lauermann, zum anderen hat er die kärntnerische Musiker-Partie von Naked Lunch bereits bei Aufnahmen eingebunden, mit Stefan Deisenberger als Toningenieur. Auch Stephan Stanzel von A Life A Song A Cigarette ist ein Weggefährte. „Mit manchen Musikern ist einfach etwas da und mit anderen ist nichts da”, beschreibt Alfred Goubran seine Zusammenarbeit mit anderen.

Nach Alben als [goubran] besinnt sich der Musiker auf seine ägyptischen Wurzeln und nennt sich fortan Nabil. Dass das neue Album, die Live-CD “M’zungu Blues” zumindest mittels Titel in Richtung Afrika verweist, war beinahe logisch – siehe Wundertüte, siehe oben.

Bild Alfrd Goubran
Alfred Goubran (c) Arnold Pöschl

Gebrochene Gitarre

Möglicherweise weiß Goubran auch nicht immer genau, was als Nächstes kommt und lässt sich selbst überraschen. Theaterstücke wird es vermutlich keine von ihm geben, denn Theater findet er wegen der ständigen Wiederholung langweilig. Er mag das Ungeplante; auch wenn das der Bruch des Gitarrenhalses am Beginn eines Konzertes ist – kein großes Problem, wenn man gerade als Duo auf der Bühne steht. Und so lange die Reibeisen-Stimme irgendwie hält, ist wenigstens A capella möglich – das hat vor Jahrzehnten Marc Almond in Wien grandios vorgemacht, als ihn die Anlage im Stich gelassen hat. Für sein neues Album hat er sich mit dem Gitarristen Primus Sitter zusammengetan. Über seinen kongenialen Partner sagt Nabil: „Er ist einfach Musiker. Er ist neugierig gegenüber allem und das macht für mich, neben der Fähigkeit, einen Musiker aus.”

Die Zugehörigkeit zu einer Musikszene mag Goubran nicht, Schulterklopfer braucht er nicht und so kocht er einfach weiter sein Süppchen – bestehend aus fein geschliffenen Songtexten, vorgetragen mit seiner markanten, rauen Stimme. Einfache Songs wären das, hat er mal in einem mica-Interview zu mir gesagt. Mit Strophe, Refrain und dann wieder einer Strophe. Understatement, mag sein. Ob er das mit einem Augenzwinkern gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Oder verweist er hier in Richtung eines möglichen Vorbildes namens Bob Dylan, das Ähnliches wie Goubran tut, nur ein paar Ligen höher? „Mir gefällt an Dylan, dass er eigentlich unerklärlich ist. Man kann ihn nicht nachmachen und man kann nicht erklären, aus welchen Quellen er schöpft”, sagt Goubran. Das sei auch für ihn selbst ein wichtiger Ansatz. Anscheinend richtig vermutet.

Bild Alfred Goubran
Alfred Goubran (c) Arnold Pöschl

Dylan-Tribute

„Ich habe gewusst, dass Alfred Goubran Bob Dylan schätzt und Dylan auch interpretiert“, sagt der Musikarbeiter Robert Fischer, der Goubran zu einem Bob Dylan-Tribute in die Wiener Arena Bar eingeladen hat: an diesem Abend hat der Journalist Maik Brüggemeyer ein Buch mit Dylan-Bezug vorgestellt und Goubran live gehört. Brüggemeyer schreibt in der Folge im Deutschland-Ableger des Rolling Stone-Magazins über Goubrans Auftritt: „Dort sang er mit dunkler, rauer Stimme, in der die Geister von Howlin’ Wolf und Blind Willie Johnson zu leben schienen, Songs von Bob Dylan, vor allem die schaurigen Balladen über Sklaverei, Mord und Totschlag.” Gemeint ist etwa das Traditional “Ragged and Dirty”, das Dylan ebenfalls im Repertoire hat und das Goubran seit Jahren begleitet. Goubran interpretiert auch Stücke von Sam Cooke oder Jacques Brel (“Port Of Amsterdam”).

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Obwohl Goubran englischsprachige Lieder anderer interpretiert, ist für ihn die deutsche Sprache gut geeignet für eigene Liedtexte. Es komme darauf an, wer die Sprache wie verwende. „Deutsch ist eine tiefe, poetische, wunderbare Sprache”, sagt Alfred Goubran, der seine Vorgänger kennt. Man kann ihn in eine Tradition einordnen, die bis Friedrich Hölderlin zurück reicht – damals waren Dichter meist auch Sänger.

Übersetzung: Biographie

Gerade übersetzt der Unermüdliche ein Buch: „Das abenteuerliche Leben. Eine Biographie von Richard Francis und Isabel Burton” – man darf gespannt sein, was Goubran da wieder aus dem Hut zaubert. Bestimmt kommt auch bald wieder ein eigenes Buch, das er schon fast zwei weitere Alben fertig in der Schublade hat, versteht sich so gesehen fast von selbst.

Demnächst kann man ihn – trotz etwaiger Beschränkungen – auf Bühnen sehen: einfach hingehen und sich überraschen lassen. Fast wünscht man sich, dass ihm die Gitarre unter den Händen zerbricht oder der Mikroständer zusammenkracht – nur um mitzuerleben, wie Alfred Goubran diese Situation wohl kreativ löst.

Jürgen Plank

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Alfred Goubran live:
21.09. Jazzland, Wien

16.10. kik, Ried

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